Die Tote im Stadl. Stefan Maiwald
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Название: Die Tote im Stadl

Автор: Stefan Maiwald

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Servus Krimi

isbn: 9783710450297

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СКАЧАТЬ hatte, einen lautlosen Vibrationstanz auf.

      »Hallo?«

      Nachdem das Telefonat zu Ende geführt war, hatte sich die Sache mit dem Kururlaub vorerst erledigt. Das änderte zwar nichts an dem trüben Blick aus dem Fenster ins erbärmliche Grau dieses Vormittags, es änderte aber wohl etwas am Müslischleim. Das Erste, was Kerschbaumer tat: Er ging zum Buffet und holte sich zwei Spiegeleier mit knusprigem Speck. Dann bestellte er sich einen milchigen, extragroßen Cappuccino. Schließlich mussten die Nachrichten aus Wien erst mal verdaut werden.

      Am Telefon war der atemlose Isidor Kruschannig gewesen, der Abteilungsleiter der Landespolizeidirektion Wien. Der atemlose Kruschannig war Kerschbaumers Vorgesetzter. Er hieß überall nur Annig, denn am Telefon meldete er sich so hastig, dass man nur den letzten Teil seines Namens verstand. Sein Ruhepuls musste bei etwa hundertfünfzig Schlägen pro Minute liegen. Zum Sanguiniker fehlte ihm allerdings das heitere Gemüt, denn er trug schwer an seiner Verantwortung. Am Telefon hatte er gefiept und gejapst, und allen Kollegen – auch ihm selbst – war klar, dass ein fulminanter Herzinfarkt praktisch an der nächsten Straßenecke auf ihn wartete, in hochhackigen Schuhen und verführerischen Netzstrümpfen. Vielleicht nicht heute, und vielleicht auch nicht morgen, aber doch lange vor der Wiederkehr des Halleyschen Kometen.

      Das Telefonat, dessen Inhalt hier in klarem Deutsch statt in hechelndem Wienerisch zusammengefasst werden soll: Es hatte einen Mord in Bad Kleinkirchheim gegeben. Übrigens den ersten seit elf Jahren – den Selbstmord eines störrischen Bergbauern nicht mitgerechnet, der ganz aus Versehen am Abend Rattengift im Obstbrand zu sich genommen hatte und dessen Grundstück danach von den Erben endlich gewinnbringend an einen ausländischen Investor verkauft werden konnte. Jedenfalls hatte sich der zuständige Chefinspektor von der Landespolizeidirektion Kärnten, ein gewisser Hartmut Trevisol, beim Gletscherskifahren überschätzt und lag nun mit einem Schien- und Wadenbeinbruch im Klinikum Klagenfurt. Die Landespolizei hatte auf seiner Dienstebene bei den Kollegen um Hilfe gebeten, denn die Sicherheitskräfte vor Ort hätten zwar Erfahrung mit falsch parkenden Eltern, die ihre Kinder nur mal schnell zum Kinderkurs bringen wollten, sowie mit betrunkenen Nordländern in Après-Ski-Hütten, aber zu einem waschechten Mord fehle ihnen dann doch die Kompetenz. Da habe Annig sogleich den Kerschbaumer ins Spiel gebracht, wo der doch, wie Annig zwischen zwei Atemzüge schob, seit der Sache mit dem Raubmord im vierten Wiener Bezirk gewissermaßen österreichweit ein Held der Sicherheitsexekutive sei, inklusive Auftritt bei den deutschen Freunden von »Aktenzeichen XY«.

      Der Landespolizeidirektor aus Kärnten habe Annigs Vorschlag dankbar angenommen; Sonderzahlungen und großzügige Anrechnung von Kerschbaumers Urlaub seien selbstverständlich, versicherte Annig. Die Spurensicherer aus Klagenfurt seien schon unterwegs, und die Bad Kleinkirchheimer Kollegen erwarteten ihn noch am heutigen Tag.

      4.Blutige Spuren

      Ja, die Sache mit dem Raubmord im vierten Bezirk. Der Fall hatte Kerschbaumer monatelang ordentlich auf Trab gehalten. Ein stadtbekannter Juwelier war am Abend vor seiner Haustür überfallen worden, ausgerechnet als er seine teuerste Uhr trug, eine Patek Philippe Nautilus Sonderedition zum fünfzigjährigen Bestehen der Reihe, Listenpreis 275 900 Euro, unter Liebhabern wegen ihrer Seltenheit durchaus auch 400 000 Euro und mehr wert. Bei dem Überfall versagte vor Aufregung sein Herz, was die Staatsanwältin nicht als Totschlag, sondern als Mord einstufte, weil die Räuber außergewöhnlich brutal vorgegangen waren. Kerschbaumer hatte schließlich herausgefunden, dass zwei Angestellte des Juweliers hinter dem Überfall steckten und zwei Freunde zur Tat angestiftet hatten. Lange war ein Insiderjob vermutet worden, doch keinem Angestellten war etwas nachzuweisen. Erst ein Überwachungsvideo mit einem Detail, das die Forensiker übersehen hatten, brachte Kerschbaumer auf die Spur: Einer der Täter hatte eine Hose mit Camouflage-Aufdruck getragen. Diese Aufdrucke sind auch in der Massenproduktion nie genau gleich, und so fanden Kerschbaumer und seine Kollegen in der Wohnung eines der Verdächtigen tatsächlich eine Hose, die perfekt zur Aufnahme der Überwachungskamera passte. Alle vier Täter saßen nun in der Justizanstalt Wien Mittersteig, die den ganz schweren Jungs vorbehalten war. Die Uhr blieb allerdings verschwunden; vermutlich war sie über mehrere Hehler am Arm eines orientalischen Prinzen gelandet.

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      Wiens Straßen waren so weit entfernt wie eine andere Galaxie hinter einem schwarzen Loch. Denn Kerschbaumer stand mitten im Wald. Tannen mit feinem Schneeüberzug ragten über ihm weit in den bleiernen Himmel. Und vor ihm lag etwas, was einmal eine Person mit Gefühlen und Träumen gewesen war. Wo immer diese Gefühle und Träume jetzt waren: In der Person waren sie jedenfalls nicht mehr. Die Frau lag auf dem Rücken im Eingang des Stadls und war außergewöhnlich hellblond, vermutlich färbte sie, aber der Ansatz war kaum zu sehen. Ihre Haare waren aufgeföhnt und elegant gewellt, selbst jetzt noch, wo sie sich auf der festgetretenen Erde ausbreiteten. Die Augen waren halb offen und blickten wie über ein Kochrezept sinnierend zur Seite. Der Mund war geschlossen, was auf einen Tod erst in den letzten vierundzwanzig Stunden hindeutete – die Kiefermuskulatur stand noch unter Spannung. Vom Brustbereich abwärts schillerte ihr Körper purpurn, und auch um sie herum hatte sich eine große, dunkle Pfütze gebildet. Sie musste nahezu ihr gesamtes Blut verloren haben. Hinter ihr stapelten sich leere Getränkekisten von der Unterwirt Hüttn, der nahe gelegenen Berghütte, die einmal pro Woche über den hier vorbeiführenden Versorgungsweg abtransportiert wurden.

      »Das ist ja eine schöne Sauerei«, schimpfte Viktor Kriechnitz von der Abteilung Spurensicherung der Landespolizeidirektion Kärnten, während zwei Kollegen die Fußspuren fotografierten und die Umgebung nach verwertbaren Schnipseln absuchten. Kriechnitz hielt sich dabei auffallend zurück. Wie ein erfahrener italienischer Wirt in seiner Osteria dirigierte er die Untergebenen mit dem Kinn, das immer wieder hervorzuckte und in eine bestimmte Richtung wies. Er war verdammt stolz auf sich, auch beim Anblick einer Leiche den coolen Hund zu mimen. Revierinspektor Volker Feiersinger dagegen blickte betreten, und auch seine Kollegin, Inspektorin Hilde Hofgärtner, schluckte. Kerschbaumer ließ der Anblick ebenfalls nicht kalt. Feiersinger und Hofgärtner waren die beiden Polizeibeamten, die in Bad Kleinkirchheim ein beschauliches Leben führten, das nun auf so dramatische Art unterbrochen worden war.

      »Sie hatte ihren Ausweis dabei. Eine Slowenin. Swetlana Kastelic. Einundzwanzig Jahre alt, das arme Ding«, erklärte Inspektorin Hofgärtner. »Sie arbeitete als Putzfrau im Hotel Pulracher.«

      »Das heißt Zimmerservice«, verbesserte Revierinspektor Feiersinger.

      »Das heißt graduierte Raumkosmetikerin«, schmunzelte Kriechnitz. Seine gute Laune hing so irritierend in der Luft wie WC-Spray. Kerschbaumer blickte ihn scharf an, doch der wütende Blick prallte an einer Mauer aus Arroganz ab und zersprang am Boden in tausend Stücke. Dann sprach Kerschbaumer mit Ernstl, dem Entdecker der Leiche, doch das Kärntnerisch schaffte ihn, und der Skilehrer hatte auch nicht mehr zu sagen als das, was er schon längst zu Protokoll gegeben hatte.

      Notgedrungen wandte Kerschbaumer sich also wieder an Kriechnitz. »Schnee. Gut, oder?«, fragte er und deutete auf die Fußspuren, die vom Tatort wegführten und in denen sich ebenfalls Blut fand.

      »Ja, vielleicht haben wir Glück und können sogar die Marke der Schuhe ermitteln.« Kriechnitz ordnete Fotos der Spuren an, und die digitalen Kameras klickten ihre monotone Melodie.

      Kerschbaumer betrachtete Swetlanas Halbschuhe. »Nicht gerade geeignet zum Wandern, oder?«

      »Nein.«

      »Was wollte sie hier? Sie hatte doch sicher nicht vor, Pfandflaschen zu klauen.«

      »Hmm, nein.« Die Assistenten bekamen ein Kinn von Kriechnitz und erweiterten ihren Radius.

      Kerschbaumer blickte die Tote an. »Haben СКАЧАТЬ