Название: H. G. Wells – Gesammelte Werke
Автор: Herbert George Wells
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962813628
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Man stelle es sich vor! Um uns der traumhafte Dschungel mit den stillen Bajonettblättern, die über uns strahlten, und die stillen, lebhaften, sonnegesprenkelten Flechten unter unseren Händen und Knien, die vor der Gewalt ihres Wachstums wogten, wie ein Teppich wogt, wenn der Wind darunter fasst. Hin und wieder sperrte uns eine neue Gestalt in lebhafter Farbe den Weg. Die Zellen, die diese Pflanzen aufbauten, waren schon so groß wie mein Daumen; sie glichen Perlen aus gefärbtem Glas. Und all diese Dinge waren im ungemilderten Glanz der Sonne gesättigt, wurden gegen einen Himmel gesehen, der bläulich schwarz und trotz des Sonnenscheins noch mit ein paar überlebenden Sternen übersät war. Fremdartig! sogar die Formen und die Textur der Steine waren fremdartig. Alles war fremdartig, das Gefühl des Körpers war unerhört und jede neue Bewegung endete in einer Überraschung. Der Atem strömte dünn durch den Hals ein, das Blut floss einem in einer pochenden Flut durch die Ohren – bum, bum, bum, bum, bum …
Und immer kamen uns von Zeit zu Zeit Schauer des Aufruhrs, Hämmern, das Rasseln und Schlagen von Maschinen zu Ohren, und dann – das Brüllen großer Tiere!
11 – Die Mondkalbweiden
So krochen wir beiden armen irdischen Verbannten, verloren in diesem wild wachsenden Monddschungel, in Angst vor den Tönen, die uns erreicht hatten, dahin. Wir krochen, wie es schien, lange Zeit, ehe wir sowohl den Seleniten wie das Mondkalb sahen, obgleich wir das Brüllen und die grunzenden Geräusche dieser letzteren beständig näher kommen hörten. Wir krochen durch steinige Schluchten über Schneehänge hin, zwischen Schwammpilzen durch, die bei unserer Berührung wie dünne Blasen aufrissen und eine wässerige Flüssigkeit von sich gaben, über ein vollständiges Pflaster von staubpilzähnlichen Dingen, und unter endlosen Gestrüppdickichten hin. Und immer hoffnungsloser suchten unsere Augen nach unserer verlassenen Sphäre. Der Lärm der Mondkälber war zuzeiten ein breiter, flacher, kalbartiger Ton, zuzeiten erhob er sich zu einem entsetzten und wütenden Brüllen, und dann wieder wurde er zu einem gehemmten Tierlaut, als suchten diese unsichtbaren Geschöpfe zu gleicher Zeit zu fressen und zu brüllen.
Als wir sie zum ersten Mal zu sehen bekamen, war es nur ein ungenügender, flüchtiger Blick, der aber nicht minder beunruhigend, weil unvollständig war. Cavor kroch zurzeit vor und er bemerkte ihre Nähe zuerst. Er machte Halt und gebot es mir mit einer einzigen Bewegung.
Ein Krachen und Bersten des Gestrüpps schien gerade auf uns zu zu laufen, und dann, als wir uns nahe zusammenhockten und über die Nähe und Richtung dieses Lärmes ein Urteil zu gewinnen versuchten, erdröhnte hinter uns ein furchtbares Gebrüll, so nah und heftig, dass sich die Spitzen des Bajonettstrauchs darunter bogen und man seinen Atem heiß und feucht fühlte. Und als wir uns umdrehten, sahen wir durch einen Wald schwankender Stämme hindurch die leuchtenden Seiten des Mondkalbs, und die lange Linie seines Rückens ragte gegen den Himmel empor.
Natürlich ist es schwer für mich, jetzt zu sagen, wie viel ich bei dieser Gelegenheit sah, da meine Eindrücke durch spätere Beobachtung korrigiert wurden. Der erste Eindruck war der von seiner ungeheuren Größe; die Gürtelweite seines Rumpfes betrug einige achtzig Fuß, seine Länge vielleicht zweihundert. Seine Flanken hoben und senkten sich mit seiner mühsamen Atmung. Ich sah, dass sein riesenhafter, schlottriger Körper auf dem Boden lag, und dass seine Haut von runzligem Weiß war, am Wirbel hin schwarz gesprenkelt. Aber von seinen Füßen sahen wir nichts. Ich glaube auch, wir sahen wenigstens das Profil des fast hirnlosen Kopfes mit seinem fettgepolsterten Hals, seinem schlabbernden, alles verschlingenden Mund, seinen kleinen Nüstern und seinen enggeschlossenen Augen (denn das Mondkalb schließt in Gegenwart der Sonne unabänderlich die Augen). Wir sahen gerade noch ein riesiges rotes Loch, als es den Mund auftat, um wieder zu blöken und zu brüllen; wir bekamen einen Hauch aus dem Loch, und dann legte sich das Ungeheuer wie ein Schiff über und schleppte sich am Boden hin, indem es seine ganze ledrige Haut knitterte, wälzte sich von neuem und wogte so schwerfällig an uns vorbei, indem es sich mitten durch das Gestrüpp einen Pfad brach, dass es uns bald hinter seinem dichten Wirrwarr verbarg. Ein zweites erschien in größerer Ferne, und dann ein drittes; und dann kam, als führe er diese lebendigen Vorratsmassen auf ihre Weide, auf einen Augenblick ein Selenit in den Gesichtskreis. Der Griff, mit dem ich Cavors Fuß gefasst hielt, wurde bei seinem Anblicke krampfhaft, und wir blieben regungslos und spähten aus, noch lange nachdem er aus unserm Bereich verschwunden war.
Im Gegensatz zu den Mondkälbern schien er ein winziges Wesen, eine bloße Ameise, kaum fünf Fuß hoch. Er trug Kleider aus einer ledrigen Substanz, sodass kein Teil seines wirklichen Körpers erschien, aber davon hatten wir natürlich keine Ahnung. Er stellte sich also als ein kompaktes, borstiges Geschöpf dar, das viel von einem komplizierten Insekt hatte, mit peitschenartigen Tastern und einem klingenden Arm, der aus seiner leuchtenden, zylindrischen Leibeshülse hervorragte. Die Form seines Kopfes war durch seinen ungeheuren vielspitzigen Helm verborgen – später entdeckten wir, dass er die Spitzen benutzte, um widerspenstige Mondkälber zu stacheln – und eine Brille, deren dunkel gefärbte Gläser stark auf den Seiten standen, gaben dem metallischen Apparat, der ihm das Gesicht bedeckte, etwas Vogelartiges. Seine Arme fielen nicht über seine Körperhülse hinaus herab, und er trug sich auf kurzen Beinen, die trotz ihrer warmen Deckhüllen unseren irdischen Augen ungehörig schwach erschienen. Sie hatten sehr kurze Ober-, sehr lange Unterschenkel und kleine Füße.
Trotz seiner schwer aussehenden Kleidung bewegte er sich mit Schritten vorwärts, die vom irdischen Standpunkt aus sehr beträchtlich wären, und sein klirrender Arm war geschäftig. Die Art seiner Bewegung während des Moments, in dem er vorüberflog, deutete auf Hast und auf einen gewissen Zorn, und bald nachdem wir ihn aus den Augen verloren hatten, hörten wir das Brüllen eines Mondkalbs unvermittelt in ein kurzes, scharfes Quieken übergehen, dem das Getöse seiner Beschleunigung folgte. Und allmählich verzog sich das Brüllen und kam dann zu einem Schluss, als wären die gesuchten Weiden erreicht.
Wir lauschten. Eine Zeit lang war die Mondwelt still. Aber es dauerte einige Zeit, ehe wir unser Kriechen und die Suche nach der verschwundenen Sphäre wieder aufnahmen.
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