New Hope City. Severin Beyer
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Название: New Hope City

Автор: Severin Beyer

Издательство: Автор

Жанр: Научная фантастика

Серия:

isbn: 9783957771421

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СКАЧАТЬ auch schlicht egal.

      »Dann ist sie eben ein franko-kanadisches Flittchen mit burmesischen Wurzeln, tut das irgendwas zur Sache?«, fauchte sie gereizt.

      Oh je, heute war sie aber so etwas von scheiße drauf. Irina hatte zu seinem Leidweisen ein sehr ausgeprägtes Temperament. Steiner fragte sich, ob das daher kam, dass sie aus einem der zahlreichen semiautonomen und autokratischen Staaten des Wahren Pakts für Europa (WPE) stammte, die alle in der Einflusssphäre des Russischen Imperiums lagen.

      An seinem Schreibtisch angekommen, ließ er sich in seinen ergonomisch geschwungenen Sitz fallen. Während er sich mit seinem Smartpod ins Polizeinetz einloggte, fragte er seine Kollegin:

      »Hat sich seit gestern irgendetwas Neues im Mordfall am Erasmus ergeben?«

      Irina, mit der er sich ein Abteil des Großraumbüros teilte, das von über 20 Kommissaren und Kommissarinnen benutzt wurde, saß ihm gegenüber. Sie minimierte den Holodesktop auf ihrem Schreibtisch mit einer herabwischenden Handbewegung, um ihn besser zu sehen.

      »Wir haben keine neuen Spuren am Tatort entdeckt, falls es das ist, was du meinst. Allerdings bin ich auf Unstimmigkeiten gestoßen, als ich mit unseren biometrischen Suchprogrammen die Kameraaufzeichnungen des Erasmus-von-Rotterdam-Platzes überprüft habe: Unser Verdächtiger ist auf keiner der Aufnahmen zu sehen. Auch sonst habe ich in unseren Datenbanken so gut wie nichts über ihn gefunden.« Sie sah ihrem Kollegen verschwörerisch in die Augen.

      »Ist denn der gesamte Platz komplett mit Kameras abgedeckt?«, meinte Steiner abgelenkt, der seinerseits seinen Bildschirm zwischen ihnen erscheinen ließ und ihn soweit vergrößerte, sodass er Irina verdeckte. Mit gespielt konzentriertem Blick rief er die neuesten Informationen der Mordkommission AlbinoBlue auf.

      »Nein, aber der Zugang zu den Toiletten ist bis auf wenige minutenlange Unterbrechungen dauernd abgedeckt. Entweder hat unser Zeuge dort mindestens zweieinhalb Stunden verbracht oder ich kann mir nicht erklären, wie er unbemerkt dort hineingekommen ist.«

      »Häh?«, Steiner war plötzlich ganz Ohr.

      »Ich sagte …«,

      »Ja, ich habe dich gehört … Aber wie ist das möglich?«

      »Das sollten wir unseren Zeugen vielleicht selber fragen. Oder besser gesagt: Du. Ich habe hier nämlich noch zu tun und du hast ihn schließlich schon einmal vernommen. Wenn auch ziemlich dilettantisch.«

      ›Besorg’s dir doch selber‹, fluchte er gedanklich und minimierte seinen Bildschirm. Sein Smartpod unterbrach die Verbindung zum Polizeinetzwerk. Steiner legte seinen mobilen Rechner wieder auf sein Armgelenk, wo sich dieser an der Haut des Kommissars festsaugte. Der Halt war so bombenfest wie bequem. Warum konnte nicht alles im Leben so einfach und durchdacht wie dieses Stück Technik sein? Steiner stand seufzend auf.

      Die »Mumienmorde«, so hatten die Medien die Reihe mysteriöser Todesfälle getauft, die die Stadt seit Monaten in Atem hielten. Weil die Opfer keinen Tropfen Flüssigkeit mehr enthielten und so ausgetrocknet waren wie Mumien aus der Zeit der Pharaonen. Nachdem es nun schon über vierzig dokumentierte Fälle gab und die Ermittlungen nach wie vor nicht vom Fleck gekommen waren, war eine EF-Taskforce gebildet worden. Sie bestand aus führenden Kriminalexperten aller Verwaltungsbezirke der Europäischen Föderation sowie aus Beamten der Polizei von New Hope. Zum Chefermittler der Taskforce war Georgios Venizelos ernannt worden, eine wahre Polizeilegende. Er hatte innerhalb von Kriminalistenkreisen erstmals größere Bekanntheit erlangt, als er im EF-Distrikt Ost-Mediterranien eine Mordserie an den Managern eines chinesisch-europäischen Konsortiums aufgeklärt hatte, die alle von ihren heimischen Servicerobotern umgebracht worden waren. Als Täter stellte sich eine Gruppe von vollkommen verarmten Firmentechnikern heraus, die von ihrem Unternehmen um ihre Rentenansprüche gebracht worden waren.

      Steiner gehörte zu seinem Leidwesen ebenfalls dieser Taskforce an. Das hatte er seiner Juniorpartnerin Irina zu verdanken. Mit viel Engagement (und dem fast schon ans Verbrecherische angrenzenden Einfordern von Gefallen) hatte sie ihr Ermittlerduo in die Mordkommission AlbinoBlue geboxt. Diese Frau konnte Berge bewegen, da war sich der Kommissar ganz sicher. Denn bei Steiners Ruf grenzte Irinas Erfolg schon fast an ein Wunder. Sie machte ihm manchmal etwas Angst. Irina wollte unbedingt Karriere machen – aber nicht um der Karriere willen, sondern weil sie wirklich etwas verändern wollte. Jetzt ermittelte er mit ihr zusammen im Fall der Mumienmorde. Leider.

      Die Dunkelziffer der Todesfälle lag wahrscheinlich deutlich über den bisher bekannten Opferzahlen. Denn aus irgendeinem noch unbekannten Grund zerfielen die ausgetrockneten Leichen nach wenigen Minuten zu Staub. Sicherlich war anfangs nicht jeder auffällige Staubhaufen mit dem Verschwinden eines Menschen in Verbindung gebracht worden.

      Steiners Kollegen gingen davon aus, dass ein Zusammenhang mit dieser neuen Droge namens AlbinoBlue bestand, die alle Opfer konsumiert hatten. Seit Monaten überschwemmte die Substanz die Straßen New Hopes. Steiner hatte einmal gewagt zu fragen, ob die Tode nicht einfach eine Folge der Droge selbst sein könnten, zum Beispiel als ungewöhnliches Ergebnis einer Überdosis. Seine Hoffnungen, dass dies keine Angelegenheit einer Mordkommission, sondern eine Sache des Drogendezernats sein könnte, zerschlugen sich jedoch schnell, als ihm Irina so effizient wie genervt die Fakten präsentierte:

      Das AlbinoBlue war nicht tödlich, egal in welcher Dosierung. Das hatten alle Versuche an der neuesten Generation von Bio-Dummys gezeigt, die den menschlichen Organismus sogar in Echtzeit simulierten. Auch die Tests zu Wechselwirkungen mit anderen chemischen Elementen und Verbindungen hatten zu keinen nennenswerten Erkenntnissen geführt. Zwar bereitete die Formel des AlbinoBlues den Experten nach wie vor Kopfzerbrechen, da es sich dabei um ein völlig neuartiges und hochkomplexes Molekül handelte, dessen Struktur und Wirkungsweise selbst den hinzugezogenen Wissenschaftlern ein Rätsel war. Aber auch wenn die Experten der Polizei sich an AlbinoBlue die Zähne ausbissen, so sprach doch vieles für Mord. Denn bei allen Opfern hatten Forensiker vor dem Leichenzerfall eine kleine Einstichwunde an der Stirn entdeckt. Allerdings gab es nach wie vor keine einzige Videoaufnahme der vermuteten Morde, die von Argus‘ flächendeckender Überwachung aufgezeichnet worden wäre.

      » … Es gibt also definitiv eine Verbindung zwischen den Toten und dem Blue. Wir wissen nur noch nicht, welche«, hatte Irina damals ihre Ausführungen beendet. Seitdem waren sie in ihren Nachforschungen keinen Schritt weiter gekommen. Selbst die Kollegen, die undercover im Drogenmilieu ermittelten, hatten nicht den Hauch einer Spur von den Hintermännern. Nur Websites, Spammails und Flyer, die das AlbinoBlue mal als bewusstseinserweiterndes Nonplusultra, mal als den heißesten Shit, den man unbedingt ausprobiert haben musste, anpriesen, fanden sie zuhauf.

      In ihrer Ratlosigkeit hatte die New Hoper Polizei im Zusammenhang mit den Mumienmorden öffentlich vor dem Konsum von AlbinoBlue gewarnt. Die Medien stürzten sich begierig darauf: Der »Fluch des Pharao« war geboren. Die Droge, die dir den Trip deines Lebens verschafft – es sei denn du triffst den Pharao, der dich in eine Mumie verwandelt. Game over. Leider hatte die Polizeiwarnung für viele, die den Kick suchten, den Reiz erst erhöht. Seufzend stellte der Kommissar fest, dass er in einer Zeit der Ressourcenknappheit lebte: Da der Konsumgesellschaft die Güter ausgegangen waren, war das Sammeln von Erfahrungen als höchster Lebensinhalt geblieben. Synthetische Drogen florierten.

      Steiner machte sich auf den Weg zu seinem Zeugen. Vielleicht war dieser Rivera ja tatsächlich der Pharao, der hinter all diesen Morden steckte. Steiner stieß ungewollt auf. Sein eigener vergammelter, nach Alkohol riechender Atem stieg ihm in die Nase,

      ›Memo an mich selbst: Ich muss mir unbedingt eine zweite Zahnbürste für Madame Ming oder die Arbeit zulegen. Mundwasser tut es vielleicht auch.‹

      Beim Verlassen des Gebäudes machte Steiner an einem Snackautomaten СКАЧАТЬ