New Hope City. Severin Beyer
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Название: New Hope City

Автор: Severin Beyer

Издательство: Автор

Жанр: Научная фантастика

Серия:

isbn: 9783957771421

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СКАЧАТЬ sich beinahe wie ein Archäologe vor, der als erster Mensch seit Jahrtausenden eine Höhle der Steinzeit betrat. Mit dem Unterschied, dass er den letzten Höhlenmenschen töten würde. Das mochte archäologisch zwar höchst unsensibel sein, aber letztendlich war es auch nur ein netter Vergleich gewesen, der ihm gerade in den Sinn gekommen war.

      Wo war er denn nun, sein Neandertaler? Er musste sich wegbewegt haben. Ein weiterer Scann verriet Rivera, dass sich der Träger des Smartpods im Stockwerk über ihm befand. Entkommen konnte er ihm nicht mehr. Vor lauter Vorfreude fiel sämtlicher Stress von ihm ab und er hüpfte begeistert wie ein kleiner Junge die Treppe hinauf.

      Da war es auch schon, sein Opfer. Es lehnte zusammengekauert an einen Betonpfeiler, die Arme verschränkt, den Kopf in der Kapuze seines Pullovers versteckt. Wahrscheinlich hatte es sich gerade erst zum Schlafen gelegt. Gemächlich schritt der Tod darauf zu, jetzt brauchte er keine Eile mehr an den Tag zu legen. Doch dann blickten ihn zwei müde Augen durch die Dunkelheit an, und eine junge, brüchige Männerstimme fragte ihn unvermittelt:

      »Kennst du Kafka? Franz Kafka? Hast du schon einmal etwas von ihm gelesen?«

      Rivera stutze einen Augenblick, doch dann fand er die Idee ganz reizvoll, mit seiner Beute noch ein wenig zu plaudern. Er blieb vor dem jungen Mann stehen.

      »Es ist absolut grässlich, Kafka zu lesen«, fuhr die müde Stimme seines Opfers fort »Es ist als ob man sich in einem Albtraum befindet oder in einem Fiebertraum. Man schläft dabei jedoch nicht wirklich, sondern befindet sich in einem seltsamen Zustand des Halbwachseins. Es ist ein Zustand, der durchsetzt ist von Momenten der Klarheit, die immer wieder auftauchen und einem Hoffnung geben, diesen Zustand des Halluzinierens, diesen Zustand der Fiebrigkeit zu entkommen. Aber diese Hoffnung ist eine Täuschung, denn aus diesem Traum gibt es kein Entrinnen. Nein, die gibt es nicht. Man glaubt zwar, dass man kurz davor steht, jetzt endlich aus dem Gefängnis auszubrechen, endlich den Gordischen Knoten zu zerschlagen, man denkt, man ist ganz kurz davor, doch dann zieht es einen wieder rein und man ist von Neuem im Albtraum gefangen. Und so geht es ständig weiter. Das ist Kafka, da gibt es keine Gnade.

      Mit Drogen, da ist es genauso. Nie entkommt man vollkommen einer Realität, stets bleibt man in einer Wirklichkeit gefangen, die so grundlegend ist, dass man sie nicht überwinden kann. Realität, das ist wie Kafka«, meinte er ermattet und fügte nach einer kurzen Pause hinzu »Willst du mich töten?«

      Konsterniert starrte Rivera seine Beute an.

      »Bitte töte mich, dafür bist du doch gekommen, oder? Du siehst nämlich so aus, als ob du mich töten wolltest«, dann lachte der junge Mann. »Das wäre nämlich ganz gut so, denn Catherine und Jaques haben mich rausgeschmissen. Nun habe ich keinen Platz mehr in dieser Welt. Außer diesen Betonplatten hier vielleicht. Man hat mich auch aus meiner alten Wohnung vertrieben und ich bin selbst schuld daran. Alles habe ich mir kaputtgemacht, hahaha … Nein, ganz so schlimm ist es nicht, wahrscheinlich verschwindet mein Weltschmerz wieder. Aber wenn du mich nicht tötest, dann werden es die Drogen tun. Ich bin übrigens Rien.«

      Rivera blickte auf eine zum Gruß ausgestreckte Hand. Er konnte sich weder dazu entschließen, diese Hand zu ergreifen, noch dazu, die jämmerliche Gestalt zu seinen Füßen zu zertreten. Jegliches Verlangen, jede Vorfreude war aus ihm gewichen. Er fühlte sich schrecklich impotent. Heute war einfach nicht sein Tag. Wortlos drehte er sich um und ließ den Junkie hinter sich. Er ging gerade die Treppe hinunter, da hörte er Rien noch einmal rufen:

      »He, du! Wenn du mich schon nicht tötest, kann ich dann wenigstens bei dir pennen? Es ist echt kalt hier draußen.«

      Um darauf zu antworten, fühlte sich Rivera schon zu besiegt. So besiegt, dass er nichts dagegen unternahm, als ihm der junge Mann nach Hause folgte. Und während zur selben Zeit Kommissar Steiner erschöpft neben Madame Ming eingeschlafen war, die an einem Martini nippte und ihm dabei zart über den Kopf streichelte, hatte Rivera das erste Mal Sex mit einem Mann. Vier einsame Seelen, die ihren Weg in der Metropole des Architekten Ernst Stern suchten, in New Hope, dem Versuch einer Antwort auf die verlorenen Hoffnungen der Menschheit. Sie ahnten nichts von den dunklen Geheimnissen, die im finsteren Herzen dieser Stadt auf sie alle warten sollten.

Teil I: Totentanz

      Interludium 1: Das Fenster zu einer anderen Welt

      Als Audrey nach oben schaute, erblickte sie weit über sich das gläserne Dach eines riesigen Gewächshauses. Eine Dachluke war geöffnet und das Licht der Sonne fiel auf ihr Gesicht. Die Strahlen strichen verspielt über ihre ungläubigen Züge.

      Was für ein irres Gefühl, Audrey hatte noch nie die Sonne auf ihrer Haut gespürt. Wie auch, ihr gesamtes Leben spielte sich im Bottom ab. Wenn Harald sie nur sehen könnte! Die junge Frau war sich sicher – hätte sie jetzt jemand gesehen, so würde sich dieser Jemand ganz gewiss fragen, wie man nur so bescheuert über das ganze Gesicht grinsen konnte. Es fühlte sich alles so verdammt echt an. Und dieses geschwungene Dach weit über ihr, das von einem Gerüst stählerner Arabesken getragen wurde, als sei es zu Zeiten der legendären Queen Victoria erbaut worden, das war ja voll der Hammer! In das 19. Jahrhundert hatte Audrey sich schon gewünscht, als sie in ihrer Jugend die Welt des Steampunks für sich entdeckt hatte. Eine fiktive Welt, in der die Dynamik von Dampfmaschinen und Erfindergeist auf den vormodernen Kosmos von Adel und Tradition prallte.

      Sie befand sich wahrscheinlich in einem botanischen Garten oder einem Tropenhaus, vermutete Audrey. Das würde den Dschungel voll exotischer Pflanzen erklären, in dessen Mitte sie noch immer regungslos stand.

      Den Wald umspielte eine Aura des Geheimnisvollen. Das ging weit über die Pflanzen hinaus, deren Aussehen so fremdartig war, dass Audrey nicht einmal im Netz etwas Vergleichbares entdeckt hätte, hätte sie danach gesucht. Der Dschungel wirkte auf sie, als wäre er den Bildern des französischen Malers Henry Rousseau entsprungen.

      In den Ästen über ihr zeigten Paradiesvögel und Papageien ihre farbenfrohe Gefiederpracht. Die junge Frau erhaschte durch das Geäst den einen oder anderen Blick auf die Vögel, aber die gefiederten Tiere gaben keinen Laut von sich. Die Stille war seltsam, geradezu unheimlich. Bis auf das unheilvolle Insektenzirpen, dieses Sirren, das die Luft zum Vibrieren brachte, war es absolut ruhig. Kein Vogelgesang erreichte ihre Ohren, nicht einmal die Blätter der Bäume oder Farne raschelten.

      Harald hatte ihr ja gesagt, dass es am Anfang etwas beängstigend wirken könnte. Das beruhigte ihre aufkommende Furcht. Es fühlte sich einfach alles so unglaublich real an. Sogar die drückende Luftfeuchtigkeit spürte sie. Probehalber fasste Audrey ein Blatt an, das zu einer Pflanze gehörte, deren gezackte rote Blüte bis zu ihrer Hüfte reichte. Es war erschreckend, wie wirklich sich die raue Oberfläche des Gewächses anfühlte. Sie zerrieb es zwischen ihrem Daumen und Zeigefinger. Ein ätherischer Duft stieg ihr in die Nase. Hätte man die junge Frau gefragt, sie hätte nicht sagen können, dass dies hier nicht die Wirklichkeit war. Sie spürte zu gleichen Teilen Faszination und Unbehagen in sich aufsteigen, doch die Faszination überwog eindeutig.

      Okay, sie befand sich in einem Dschungel inmitten eines endlosen, kunstvollen Tropenhaues des viktorianischen Zeitalters. Was nun? Noch ehe Audrey einen Entschluss gefasst hatte, tauchte vor ihr ein Pfad auf, der sich durch den Urwald schlängelte. Sein Boden bestand aus einem Mosaik glänzender bunter Steine, die sanft das Licht der Sonne reflektierten.

      ›Das ist doch mal’n Zeichen!‹, dachte sich Audrey. Beim Betreten des Weges spürte sie die erfrischende Kühle der bunten Steine an ihren Füßen. Da erst fiel ihr auf, dass sie keine Schuhe trug. Mit dem Enthusiasmus eines kolonialen Tropenforschers machte sich Audrey auf Entdecktertour. Schnell verlor sie jegliches Zeitgefühl. Der Pfad führte sie an scheinbar unzähligen Orten vorbei, jeder schöner und majestätischer als der davor. Es waren Traumlandschaften, die in ihre Wirklichkeit einbrachen.

      Trotz СКАЧАТЬ