Ein Buch für Keinen. Stefan Gruber
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Название: Ein Buch für Keinen

Автор: Stefan Gruber

Издательство: Readbox publishing GmbH

Жанр: Афоризмы и цитаты

Серия:

isbn: 9783347043282

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СКАЧАТЬ A erst durch einen zinsbehafteten Kreditkontrakt Geld erzeugt, wie kann er diesen dann mit Zinsen wieder tilgen, wenn doch der Zins nicht mit dem Kredit mitgeschaffen wurde? Die Antwort: Er kann ihn – zumindest bei endfälligen Krediten (s.u.) – nicht tilgen! Er benötigt hierfür, wie schon gezeigt, einen anderen Kreditnehmer B, der genügend Geld geschaffen hat, damit er oder jemand anderer, der seinen Kredit als Guthaben hält, von A damit Waren und Dienstleistungen abkauft, damit dieser seinen Kredit samt Zinsen zurückzahlen kann. Und wo bekommt nun B die Zinsen für seinen (noch höheren) Kredit her? Er benötigt seinerseits einen Kreditnehmer C, der ihm dieses Geld zur Verfügung stellt usw. Das ist der berühmte Nachschuldner in Martins Debitismus, oder, wie Wolfgang Theil schreibt:

       »Nur durch die Rekonstruktion der Geldentstehung wird klar, dass Geld nicht als ewig zirkulierendes ›Tauschmittel‹ […], sondern als zur Vernichtung durch Auflösung eines Schuldvertrags bestimmtes Schuldendeckungsmittel entsteht, das in der Summe niemals ausreicht, um alle Geldforderungen zu bedienen. Die Summe aller Schuldendeckungsmittel alias nicht zinstragende Anrechte auf Kreditgebereigentum alias ›Geld‹ ist immer niedriger als die Summe aller Forderungen von Kreditgebern gegen Kreditnehmer.«

      Dabei wäre der Zins nicht das Hauptproblem im Kapitalismus, da die erste bezahlte Kreditrate eines Tilgungskredits von der Bank als Zinsforderung (und nicht als Kreditrückzahlung) und damit als Gewinn behandelt und deshalb auch wieder verausgabt werden könnte, um sie dem Markt und damit indirekt unserem Kreditnehmer zur Verfügung zu stellen. De facto also fehlt der Zins in der Theorie nicht. Das Problem offenbart sich vielmehr bei Punkt zwei, dem »Sparen« von Giralgeld, worunter auch das Sparen des Zinses durch den Gläubiger fällt. Stellen wir uns hierfür den Kreditnehmer A vor, dem von einer Geschäftsbank 10.000 € Kredit eingeräumt werden. Er geht damit bei X einkaufen und X behält sich die 10.000 € auf seinem Girokonto ein, und zwar über die gesamte Laufzeit des Kredites von A. Wo bekommt A nun das (Giral-)Geld her, um seinen Kredit zurückzubezahlen? Natürlich von einem oder mehreren weiteren Kreditnehmern, die insgesamt 10.000 € Kredit in die Welt setzen. Dabei ist die Sache aber so einfach nicht, da wir realiter davon ausgehen müssen, dass diese Kreditnehmer mit ihrem Kredit nicht direkt A seine Waren und Dienstleistungen abkaufen, sondern ihr Geld bei B, C, D, E, F, G, H … ausgeben, die nun ihrerseits einen Teil dieser Forderungen auf Geld auf ihrem Konto belassen könnten, sodass letztlich wesentlich mehr Kreditnehmer vonnöten sind, um alle Verbindlichkeiten (Schulden) bedienbar zu halten. Wer also seine Forderungen auf Geld am Konto nicht verausgabt und der Wirtschaft zur Verfügung stellt, erzwingt indirekt eine Netto-Neuverschuldung in gleicher Höhe, damit die Kreditnehmer draußen am Markt ihre Kredite bedienbar halten können. Dieses Horten von Nominalforderungen (Giralgeld) über die Fälligkeit des entsprechenden Schuldkontrakts (Kredit) hinaus erzwingt eine permanente Zunahme der Gesamtverschuldung im betreffenden Wirtschaftsraum. Nun könnte man natürlich einwenden, dass ja niemand dazu gezwungen wird, Kredite aufzunehmen und dass die Pleite einiger Wirtschaftsteilnehmer aufgrund eines zu geringen Angebots an Zahlungsmitteln (basierend auf zu geringer Netto-Neuverschuldung) nun mal zur kapitalistischen Realität dazugehört. Natürlich ist diese Sichtweise legitim, aber was genau geschieht eigentlich, wenn über einen längeren Zeitraum weniger neue Kredite aufgenommen als alte getilgt werden? Das ist die Kernproblematik der dritten Frage.

      Werden in Summe mehr Kredite zurückgezahlt als neue Kredite aufgenommen, sinkt natürlich die (Giral-)Geldmenge und wenn die Menge an Geld (ergo Kredit) in einem Wirtschaftsraum sinkt, wertet dieses auf, d.h. es wird wertvoller, was im Umkehrschluss bedeutet, dass die Preise für Waren und Dienstleistungen sinken – alles wird billiger. Dieses Phänomen nennt sich »Deflation« und es führt dazu, dass nicht nur die Waren und Dienstleistungen des täglichen Gebrauchs günstiger werden, sondern auch die Pfänder/Sicherheiten, die von Kreditnehmern für ihren Kredit hinterlegt wurden, was zu Nachforderungen der Bank führen kann – der Kreditnehmer muss also für seinen Kredit nachträglich weitere Sicherheiten stellen, wenn er sich die Exekution sparen will. Auch für Unternehmer ist eine Deflation bitter. Müssen diese doch ihre Waren immer günstiger anbieten, um sie an den Mann bringen zu können, was sich nicht nur negativ auf ihren Gewinn auswirkt, sondern ebenso auf ihre Kredittilgungsverpflichtungen und die Löhne ihrer Mitarbeiter. In einem deflationären Umfeld sinken also das allgemeine Preisniveau und mit ihm die Bewertungen der Sicherheiten für ausstehende Kredite ebenso wie die Einnahmen, um die Kredite bedienbar zu halten, und das Lohnniveau. Das führt zu großflächigen Entlassungswellen. Werden Löhne staatlich fixiert (Kollektivlöhne etc.), werden zusätzlich mehr Arbeitnehmer gekündigt, um die Unternehmen vor der Pleite zu bewahren. Geringere Löhne und mehr Arbeitslose würgen den Konsum ab, was dazu führt, dass Unternehmen noch mehr Leute entlassen müssen, noch niedrigere Löhne zahlen und noch weniger verkaufen, was die Preise weiter sinken lässt, noch mehr Rationalisierung der Unternehmen und Sicherheitsnachschusspflichten der Banken auf den Plan ruft, noch mehr Arbeitslose generiert und den Konsum weiter abwürgt. Hinzu kommt, dass in einem deflationären Umfeld »gespartes« Geld erst recht nicht verausgabt wird, da in einem solchen Szenario kaum investiert wird und Geld in einem Umfeld sinkender Preise die beste Anlageform ist. Damit beantwortet sich auch Frage Nummer 3 von selbst: Es gibt im Kapitalismus nichts Schlimmeres als eine über die Menge der neu erschaffenen Kredite hinausgehende Kredittilgung, da die Schulden nominal fixiert sind, während die Bewertung der unter den Schulden liegenden Güter variabel ist. So wie sich also ein (inflationärer) Wirtschaftsboom aus sich selbst heraus speist – Konsum, Löhne, Beschäftigungsquote, das Preisniveau und damit die Bewertung der Pfänder steigen in einem sich selbst verstärkenden Regelkreis –, so wirkt auch die Kehrseite des inflationären Booms, der deflationäre Bust, autokatalytisch. Nun haben kleine Einbrüche im Aufwärtstrend der Geld- bzw. Kreditmengen nicht sofort eine deflationäre Depression zur Folge. Meist kommt es zu einer rezessiven Kreditkontraktion, die zu einem Crash in einer ganzen Branche führt, der einen neuen, leicht niedrigeren Geld- bzw. Kreditmenge-Level implementiert, auf dem neu aufgeschuldet werden kann. Bricht aber der Aufwärtstrend grundsätzlich und es werden über einen längeren Zeitraum weniger Kredite aufgenommen als getilgt, ist eine deflationäre Depression unvermeidlich, solange der Staat nicht als Nachschuldner einspringt. Zur besseren Orientierung für den Leser im nachfolgenden Text dieses Kapitels will ich bereits an dieser Stelle einen Teil des Jargons meiner Zyklen-Theorie erläutern, auch wenn die tiefere Bedeutung dieser Begriffe erst in chronologisch späteren Kapiteln ausführlich dargelegt wird: Unter dem »Machtzyklus« verstehe ich den Zeitpunkt von der ersten Unterwerfung eines Bauernstammes durch einen Hirtenstamm zur ökonomischen Ausbeutung, der bis heute andauert und spätestens 5000 v. Chr. startete. Der Machtzyklus ist demnach ein Teil des »patriarchalischen Zyklus« (ab ca. 7000 v. Chr.), der wiederum ein Teil des Neolithikums ist (spätestens 10.000 v. Chr.). Der Machtzyklus speist sich aus den aufsteigenden und absterbenden Kulturen, deren Lebensdauer vom Zeitpunkt echter Staatspolitik1 bis zur hochzivilisierten Lebenshaltung etwa 1000 Jahre beträgt. Danach geht ein 1000-jähriger »Kulturzyklus« in eine jahrzehnte- oder jahrhundertelange Desintegration über, an deren Ende primitive, entwicklungsunfähige Volksmassen stehen, die sich zu Stämmen zurückentwickeln und erneut der Unterwerfung für einen weiteren Kulturzyklus harren. Auf die innere chronologische Struktur eines Kulturzyklus werden wir später im Detail eingehen. Im folgenden Kapitel konzentrieren wir uns auf den großen kapitalistischen Zyklus innerhalb des abendländischen Kulturzyklus, dessen Anfänge sich in Europa zwar bereits zwischen dem 13. und 15. Jh. verorten lassen, der aber erst mit der Industriellen Revolution 1750 seinen wirklichen Durchbruch hatte. Und dieser große kapitalistische Zyklus ist gekennzeichnet durch wirtschaftliche Auf- und Abschwünge, die ich als »debitistische Durchläufe« oder »debitistische Zyklen« bezeichne, die im Abendland zwischen 50 und 70 Jahre andauern, in weniger technologisierten Kulturen (entschleunigter Kapitalismus durch wesentlich längere Kommunikations- und Transportwege) aber ein Vielfaches davon betragen können. Der letzte debitistische Durchlauf fällt dabei mit dem Ende eines Kulturzyklus zusammen und wird so lange gedehnt, dass kein klares Ende definierbar ist.

      Halten wir nach diesem kleinen Einschub fest, dass mit jeder Neukreditaufnahme auch ein neuer Level an Schulden auf der einen Seite und Guthaben auf der anderen Seite etabliert wird, der nicht mehr signifikant unterschritten werden darf. Deshalb müssen die Schulden im Kapitalismus innerhalb eines engen Trendkanals ständig СКАЧАТЬ