Ein Buch für Keinen. Stefan Gruber
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Название: Ein Buch für Keinen

Автор: Stefan Gruber

Издательство: Readbox publishing GmbH

Жанр: Афоризмы и цитаты

Серия:

isbn: 9783347043282

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СКАЧАТЬ sich hieraus Tauschrelationen herauskristallisieren? Wie viel Brot bin ich bereit herzugeben für ein funkelndes Metall, das für mich ohne Nutzen ist? Und bekomme ich dieses auch wieder los? Wie viel an Mehrproduktion muss ich leisten, um genug Gold zu verdienen, um meine Urschuld zu bedienen? Und gilt mein Wertmaßstab dann auch für die anderen Teilnehmer? Wie wir sehen, hängen alle Marktteilnehmer vollkommen in der Luft, was die Preisrelationen der Güter untereinander betrifft und sie hängen vollkommen in der Luft, weil sie ja gar nicht wissen können, wie viel Gold insgesamt umläuft. Ihnen fehlt also bereits beim Zahlungsmittel selbst eine Vorstellung vom Angebots-Nachfrage-Gefüge. Der große Denkfehler libertärer Geldtheoretiker ist der, dass sie, anders als im Kapitalismus, wo Schuldgeld die Wirtschaftsleistung annähernd exakt abbildet (dazu gleich), auf der einen Seite Waren und Dienstleistungen haben, die nachgefragt werden und auf der anderen Seite eine Ware wie Gold, die im gleichen Maße nachgefragt werden muss und dem gleichen Nachfragedruck unterliegen müsste wie die Waren und Dienstleistungen, die man damit kaufen will. Hier stellt sich die berechtigte Frage, wer eigentlich was bewertet: Das Gold die Waren oder die Waren das Gold?

      Die bittere Ironie an der Sache ist, dass exakt das, was die Libertären den Sozialisten vorwerfen – kein wertstabiles Geld zu haben –, noch viel mehr für ihre eigenen geldtheoretischen Hirngespinste gilt, denn den Sozialisten war diese Problematik wenigstens zum Teil bewusst. Auch sie suchten nach einem Wertmaßstab für ihr Geld und legten dafür – beispielsweise in der Sowjetunion – Arbeitseinheiten fest, die sich aus Arbeitsproduktivität (z.B. Einsatz von Technik etc.), Arbeitskraft, Arbeitsmittel bzw. Arbeitszeit zusammensetzten. Sie legten also Preise für ihre Produkte fest, die den Arbeitsaufwand, wenn man so will, ausdrücken sollten. Die Geldemission basierte auf der Summe all dieser festgelegten Preise. Deshalb war das sozialistische Geld auch kein Geld, sondern ein Gutschein, den man einlöste. Und obwohl die Sozialisten diesen Wertmaßstab schufen, gab es starke inflationäre Schübe und Mangelwirtschaft bis hin zu Hungerkatastrophen. Warum? Zum einen natürlich aufgrund der systemimmanenten Faulheit des sozialistischen Massenkollektivs und der fehlenden Innovationskraft (auf beides kommen wir im Kapitel »Der Sozialismus«. noch zu sprechen), zum anderen, weil auch mit diesem Wertmaßstab das Informationsproblem nicht gelöst werden konnte. Nur weil produzierte Güter bepreist werden und mit Gutscheinen (d.h. sozialistischem Geld) erworben werden können, heißt das ja noch lange nicht, dass alle Produkte gleichzeitig vom Markt geräumt werden. Es ist eine völlige Illusion, vorher wissen zu wollen, was später nachgefragt werden würde.1 Hätte jemand im Sozialismus den ganzen Tag über per Hand das Gras auf einer Weide ausgerupft, wäre dieses Gras nach der sozialistischen Bepreisungspolitik hoch bewertet worden. Wer aber hätte dieses Gras nachgefragt? Daran erkennt man auch, dass es so etwas wie einen »intrinsischen Wert« nicht gibt und auch nicht geben kann. Die Mühe und Arbeitsleistung, die hinter dem Abbau einer Unze Gold steckt, ist für den Markt völlig irrelevant, wenn das Gold nicht nachgefragt wird. Und wie wir gesehen haben, gibt es für die Nachfrage nach Gold (oder jeder anderen Recheneinheit, die nicht auf Schulden basiert) in einem libertären System keine Notwendigkeit – und selbst wenn es nachgefragt werden würde, dann nicht von allen und für jedes Tauschgeschäft im gleichen Maße. Die gesamte Wirtschaftsleistung dieses fiktiven libertären Systems könnte von Gold gar nicht erst abgebildet werden, da es im Idealfall (!) nur jene freiwilligen Tauschvorgänge erfassen könnte, die über die Subsistenz und den direkten Tausch »Ware gegen Ware« hinausgingen. Gold hätte in diesem System Schmuckwert, und wie hoch dieser in staatenlosen Gemeinschaften veranschlagt wird, durfte Kolumbus bei der Entdeckung Amerikas erleben, als er Glasperlen gegen Gold tauschen konnte. Den Indigenen gefielen Letztere einfach besser und etwas anderes interessierte sie nicht. Das Gold hatte keine Geldfunktion für sie, genauso wenig wie in jedem anderen akephalen Volk.1

      Selbst in unserem abstrakten, die historischen Tatsachen verleugnenden Beispiel kommt man schnell zum Schluss, dass sich wohl eher etwas als Geld herauskristallisieren würde, das von tatsächlichem Nutzen ist, wie beispielsweise möglichst haltbare Nahrung, Baumaterial oder aber auch Drogen unterschiedlichster Art. Der synergetische Drang eines solchen Systems, wieder zu einer Solidargemeinschaft zu verschmelzen, kann nicht verleugnet werden. Und selbst wenn wir die Inselbewohner in unseren Köpfen mit aller Gewalt individuell produzieren oder gar wirtschaften lassen wollen, würden sie recht bald, anstatt sich weiter zu spezialisieren, zur individuellen Subsistenzwirtschaft zurückkehren und Selbstversorger werden. Getauscht würden dann bestenfalls Güter des täglichen Bedarfs, ohne dass sich daraus ein ultimatives Zahlungsmittel herauskristallisieren würde. Am ehesten würden sich auch in einem solchen künstlichen System Schuldscheine als

      Das Ausland hätte dieses Geld nämlich sonst nicht angenommen und Gold hatte im Westen stets einen aktuellen Marktpreis, ausgedrückt in der jeweiligen Währung, oder einen Marktwert, wenn es zur Deckung von Schuldkontrakten verwendet wurde (Goldstandard). Um es also noch einmal ganz klar zu sagen: Das libertäre Geld, das sich Hayek, Rothbard und Co vorstellen, ist nicht einmal ansatzweise so wertstabil wie das sozialistische Geld. Genaugenommen ist es gar nichts wert.

      Geld herauskristallisieren (Du gibst mir x, dafür gebe ich dir y in einem Jahr), die beispielsweise einen Anspruch auf eine bestimmte Menge Nahrungsmittel oder eine bestimmte Dienstleistung verbriefen, weil ein solcher Schuldschein bis zur Fälligkeit praktischerweise jederzeit zediert werden könnte. Selbstverständlich wäre ein solcher aber ohne einen Machtapparat, der den Schuldner bei Androhung von Strafe zur Erfüllung der Schuld zwingen kann, nicht gerade begehrt, um es gelinde zu formulieren. Realiter würde nichts dergleichen dauerhaft Bestand haben.

      Wir sehen also: Ohne Macht geht es nicht. Bauen wir also einen Gold abfordernden und Eigentum garantierenden Staat in unser Gedankenexperiment ein. Schon hätte das Gold zumindest einen Wert, der in Relation zur Sanktion bei Nichterfüllung der Zwangsabgabe steht. Im Falle der Todesstrafe wäre sein fiktiver Wert also sehr hoch. Doch auch hier gilt: Wie kann etwas von tatsächlichem Wert sein, das jeder hat? Und wie kann etwas für den Staat von Wert sein, das jeder hat? Wie kann mit so einer Abgabe der Machtkreislauf initiiert werden? Stellen wir uns vor, der Staat würde das gesamte Gold, das er zuvor an seine Inselbewohner ausgeteilt hat (realiter teilt der Staat im Regelfall1 kein Geld aus, sondern fordert es einfach ab), im nächsten Monat wieder als Steuer einnehmen. Dann wäre nichts geschehen. Das Gold wäre ausgeteilt und wieder eingesammelt worden. Ein Wirtschaftsprozess kann damit nicht gestartet werden. Offensichtlich kann ein Ding erst dann Wert haben und damit Preise schaffen, wenn es zum Termin eines darunterliegenden Schuldkontraktes, dem Staat oder einem Privaten gegenüber, knapp ist. Etwas, das nicht knapp ist, regt nicht zum Erwirtschaften eines Surplus an (mit dessen Hilfe man an die Abgabe kommt) – und damit auch nicht zum Wirtschaften an sich. Etwas, das jeder hat, schafft keine Preise, und was noch wichtiger ist: Etwas, das jeder hat, schafft keine Mehrproduktion, die man mit dem Gold kaufen könnte. Offenbar muss Gold also zum Steuertermin knapp sein, um Wert zu haben. »Knapp sein« aber bedeutet, dass dieses Gold nicht jedermann zum Steuertermin hat oder umgekehrt: Dass die Macht eben mehr (!) Gold als Abgabe verlangt, als jedermann zum Steuertermin haben wird. Die Macht muss die Steuer so weit erhöhen, dass sie nicht mehr für alle leistbar ist. Jetzt ist der »Zinnß« in der Welt, der primäre Zins, aus dem sich der private Zins entwickelt.2 Nun erst beginnt der Kampf um das Abgabentilgungsmittel und erst jetzt wird gewirtschaftet, d.h. erst jetzt werden unter Privaten Kontraktschulden abgeschlossen, Gold geliehen, Kredite vergeben, Unternehmen vorfinanziert usw., um schließlich durch den Verkauf der Produkte an das Gold zu kommen. Es ist ein ewiger Konkurrenzkampf, weil nie genug Abgabentilgungsmittel für alle da ist, so wie auch in der Natur nie genug für alle Lebewesen da ist – erst das erzeugt den evolutionären Druck und mit ihm eine immer komplexere Fauna und Flora, so wie der Schuldendruck des Kapitalismus die immense Vielfalt und Komplexität des Wirtschaftsraumes hervorbringt. Das ist die fraktale Abfolge: Aus der Urschuld entsteht die Abgabenschuld und aus der Abgabenschuld die Kontraktschuld; und wieder fungiert Gold nur als Schuldentilgungsmittel dem Staat gegenüber oder um private Schulden zu bezahlen. Die Neoklassiker, die kapitalistisches Wirtschaften auf irgendwelche »ungestillten Bedürfnisse« zurückführen, statt auf den Zwang, Schulden zu bedienen, sollen einmal erklären, warum es diese Bedürfnisse in einer Stammesgemeinschaft für Jahrzehntausende nicht gab und gibt. Warum wächst die Produktion im Stamm nicht? СКАЧАТЬ