Der Weg der verlorenen Träume. Rebecca Michéle
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Название: Der Weg der verlorenen Träume

Автор: Rebecca Michéle

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783958131354

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СКАЧАТЬ besteht auf Barzahlung«, sagte sie entschlossen. »Richten Sie der gnädigen Frau bitte aus, sie kann das Kleid jederzeit in der Schneiderwerkstatt abholen.«

      Er sah ein, dass es ihm nicht gelingen würde, Hedwig zu überzeugen, und fragte: »Wie kommen Sie in die Stadt zurück, Fräulein ohne Vornamen?«

      Sie hob eine Augenbraue. »Zu Fuß, so, wie ich auch hergekommen bin.«

      »Ich könnte Sie fahren.« Er sah ihr Erstaunen, grinste und nahm ihre Hand, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. »Komm mit!«

      Hedwig ließ sich von ihm aus dem Zimmer ziehen, rief dann aber: »Das Kleid!«

      »Leg es hier hin, ich verspreche, meine Mutter wird die Rechnung unverzüglich begleichen.« Unwillkürlich war Albert von Dombrowski zum vertraulichen Du übergegangen, was Hedwig in Anbetracht, dass sie fast gleichaltrig waren, nicht störte.

      Sie folgte ihm durch die Halle und den Haupteingang ins Freie, überquerte den Hof und betrat einen Stall, der im Gegensatz zu den anderen Gebäuden einen noch stabilen Eindruck machte. Als Hedwig eintrat, schlug ihr warme, nach Pferdemist riechende Luft entgegen. In einer der sechs Boxen stand ein Pony, das bei dem Besuch den Kopf hob und freudig wieherte. Albert tätschelte den Hals des Pferdes, wandte sich zu Hedwig um und sagte: »Das ist Troja, sie wird uns in die Stadt bringen.«

      »Troja? Das ist ein seltsamer Name für ein Pferd.«

      »Ich war dabei, als sie geboren wurde, und da ich gerade ein Buch über die Schöne Helena gelesen hatte, erschien mir dieser Name passend.«

      Hinter dem Stall stand ein Schlitten mit zwei Sitzplätzen. Mit geübten Handgriffen spannte Albert das Pony ein, aus dessen Nüstern stieg der Atem in kleinen Dampfwolken hervor. Er half Hedwig, einzusteigen, wickelte sie sorgfältig in ein wärmendes Fell und legte zusätzlich eine Wolldecke über ihre Beine.

      »Hast du es bequem und frierst du auch nicht?«, fragte er.

      Hedwig nickte. Nie zuvor war sie in einem Pferdeschlitten gefahren. Manchmal sah man Schlitten in Sensburg dahingleiten, die Insassen in dicke, kostbare Pelze gekleidet, denn nur Vermögende konnten sich ein solches Gefährt leisten. Sie dachte an die Bemerkung von Fräulein Ballnus, die von Dombrowskis wären verarmt und das, was sie, Hedwig, von dem Haus gesehen hatte, bestätigte diesen Eindruck. Als hätte Albert ihre Gedanken erraten, sagte er, als er den Schlitten auf die Allee lenkte:

      »Für Troja habe ich gekämpft, um sie behalten zu können. Weißt du, dass unsere Familie in Stettin ansässig war, bevor wir hierherzogen?« Hedwig nickte, und er fuhr fort: »Mein Vater hätte nie geglaubt, Kahlenwald und den Titel zu erben, war er doch nur ein Cousin zweiten Grades des einstigen Barons. Das Schicksal wollte es aber, dass die anderen Linien ausstarben, und Vater ist nun der Letzte. Allerdings haben wir nicht mehr als das Haus und die Nebengebäude. Der einst weitreichende Landbesitz wurde bereits vor Jahrzehnten veräußert. Deswegen arbeitet mein Vater als Fleischer, wozu im Haus ausreichend Platz vorhanden ist. Nicht gerade das, womit sich ein Baron üblicherweise beschäftigt. Die Zeiten, in denen sich der Adel von allein ernährt, sind jedoch vorüber und die Zukunft wird noch schwieriger werden. Bald werden alle Großgrundbesitzer um ihr finanzielles Überleben kämpfen müssen. Die Zeit der Jagden und rauschenden Feste wird dann vorbei sein.«

      »Bist du etwa ein Kommunist?«

      »Nein, nur Realist.«

      »Warum erzählst du mir das?«, fragte Hedwig. »Deine Familienverhältnisse gehen mich nichts an.«

      Albert betrachtete sie mit einem Seitenblick, den Hedwig nicht deuten konnte. In ihm lagen sowohl Spott, Belustigung, aber auch eine gewisse Taxierung ihrer Person.

      »Ich hoffe, dich in Zukunft häufiger zu sehen«, sagte er mit einer offenen Selbstverständlichkeit.

      Unwillkürlich begann Hedwigs Herz schneller zu schlagen. Den kalten Fahrtwind spürte sie nicht mehr, ihr Gesicht war glühend heiß. Sie betrachtete seine Hände, die sicher und ruhig die Zügel führten. Albert trug dunkle Wollhandschuhe, zuvor hatte sie aber bemerkt, dass seine Hände schmal, seine Finger lang und dünn mit kurzen, gepflegten Nägeln waren. Finger, die, Schmetterlingsflügeln gleich, über Klaviertasten huschten.

      »Du bist Musiker?«, fragte sie, um irgendetwas Neutrales zu sagen.

      »Ich wäre es gern.« Er seufzte und zuckte mit den Schultern. »Am liebsten würde ich von früh bis spät Musik machen und die Menschen unterhalten. Ich fühle mich für die Bühne geboren. Mein Vater ist alles andere als begeistert. Er meint, wenn ich schon nicht die Fleischerei übernehmen will, was ich auf gar keinen Fall machen werde, soll etwas anderes Anständiges aus mir werden. Die letzten zwei Jahre verbrachte ich auf einer Militärschule bei Stettin. Dort bin ich aber im Herbst rausgeflogen, deswegen bin ich jetzt hier.«

      »Warum haben sie dich aus der Schule geworfen?«

      Ein belustigendes Zwinkern zuckte in seinen Augenwinkeln. »Hätte der Krieg noch länger gedauert, wäre ich nach Weihnachten ins Feld geschickt worden. Ich wollte aber nicht kämpfen, außerdem war es jedem bewusst, dass der Krieg verloren war, nur wollte es niemand aussprechen. So habe ich mit meinem Vorgesetzten einen Streit provoziert, in Folge dessen ich ihn ohrfeigte, was zu meiner sofortigen Entlassung führte.«

      Hedwig zog erschrocken die Luft ein und stieß hervor: »Dafür hätten sie dich erschießen oder zumindest in den Kerker sperren können!«

      »Das Risiko bin ich eingegangen, es führte ja zu dem Ziel, das ich hatte.« Albert von Dombrowski sprach mit einem spöttischen Unterton, als wäre das alles ein riesengroßer Spaß. Hedwig vermutete, er war ein Mensch, der das Leben nicht sehr ernst nahm.

      »Hältst du mich jetzt für einen Feigling, weil ich mein Vaterland nicht verteidigen und an dem sinnlosen Gemetzel nicht teilhaben wollte?« Albert sah sie mit einem Blick an, als wäre ihm Hedwigs Meinung wichtig.

      »Niemand ist ein Feigling, der es ablehnt, Menschen zu töten«, antwortete Hedwig im Brustton der Überzeugung und fragte: »Was wirst du jetzt machen?«

      Ein erneutes Schulterzucken. »Auf keinen Fall werde ich Tiere ausnehmen und in ihre Einzelteile zerlegen, sondern ich strebe ein Musikstudium an. Im Moment fehlt mir noch das nötige Kleingeld, es wird sich aber ein Weg finden.«

      Unwillkürlich legte Hedwig ihre Hand auf seinen Arm. »Da bin ich ganz sicher! Du spielst wunderbar, und ich wünsche dir, dass du ein erfolgreicher Musiker werden wirst.« Sie hatte die Worte ganz ernst gesagt und meinte sie ehrlich, denn Hedwig spürte, dass in dem jungen Mann mehr Potenzial steckte, als sein Leben als Metzger zu verbringen.

      Hedwig bat Albert, am Stadtrand anzuhalten. »Den Rest gehe ich zu Fuß.«

      Er nickte und erwiderte: »Ich verstehe, du willst nicht, dass die Leute sehen, wie du wie eine große Dame in einem Schlitten vorfährst.« Hilfsbereit reichte er ihr seine Hand beim Aussteigen, hielt diese dann länger als notwendig fest. »Verrätst du mir nun deinen Vornamen?«

      »Hedwig, meine Familie und Freunde nennen mich Hedi.«

      »Dann werde ich dich auch Hedi nennen, denn ich glaube, wir sind jetzt Freunde. Wir sehen uns bald wieder, Hedi, ich weiß ja jetzt, dass ich dich bei der Schneiderin finden kann.«

      Rasch entzog sie ihm ihre Hand und lief davon, musste sich aber beherrschen, sich nicht noch einmal umzudrehen und zu Albert von Dombrowski zurückzublicken.

      Wie СКАЧАТЬ