DECEMBER PARK. Ronald Malfi
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Название: DECEMBER PARK

Автор: Ronald Malfi

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783958350335

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СКАЧАТЬ legte ich die Einkäufe auf den Tisch, ließ mir meine Jacke von den Schultern rutschen und hängte sie über eine Stuhllehne. Meine Großmutter stand vor dem Herd, dirigierte ein Orchester aus dampfenden, sprudelnden Töpfen und Pfannen, und sah in ihrem geblümten Schürzenkleid wie eine Tapete aus. Ihr silbernes Haar war streng zu diesem typischen stahlfarbenen Dutt zurückgebunden, der bei Frauen über fünfundsechzig äußerst beliebt war und nie aus der Mode zu kommen schien.

      »Wo ist Dad?«, erkundigte ich mich.

      »Na«, tadelte meine Großmutter, »das nenne ich ja mal eine feine Begrüßung.«

      »Tut mir leid.« Im Vorbeigehen zum Kühlschrank gab ich ihr einen Kuss auf die Wange. »Riecht lecker.«

      »Schläft dein Großvater?«

      »Er sieht fern«, flunkerte ich.

      »Schläft …«, murmelte sie mehr zu sich selbst. »Dann wälzt er sich wieder die ganze Nacht wach im Bett hin und her.«

      Ich öffnete mir zischend eine Dose Pepsi und erntete dabei einen missbilligenden Blick von meiner Großmutter. Aus welchem Grund auch immer und mit keinerlei Belegen, um ihre Hypothese zu untermauern, war sie felsenfest davon überzeugt, dass alle Softdrinks krebserregend seien. »Also, wo ist Dad nun?«

      »Er hat einen Anruf bekommen.«

      »Wegen eines Mädchens?«

      »Eines Mädchens?«

      »Arbeitstechnisch.«

      »Er erzählt mir ja nichts, mein lieber Herr Sohn. Und Gott bewahre, ich werde mich auch nicht nach seiner Arbeit erkundigen.« Sie rührte die Pasta Fagioli mit einem großen hölzernen Kochlöffel um. Der Topf war fast so groß wie ein Kessel. Daneben brutzelten und zischten Hühnchenschnitzel in einer Pfanne mit Pflanzenöl. »Was für ein Mädchen meintest du da gerade?«

      »Die Cops haben hinter der Counterpoint Lane ein Mädchen im Wald gefunden. Die Jungs und ich haben es auf dem Heimweg von der Schule gesehen.«

      »Sie hatte sich verlaufen?«

      »Sie war tot.«

      »Oh, Madonn’!« Betroffen legte sie ihren Löffel auf einem Ofenhandschuh ab. »Was ist passiert?«

      »Keine Ahnung. Vielleicht irgendein Unfall.« Doch ich wusste genau, dass es kein Unfall hatte sein können – gemessen daran, dass sie nackt gewesen war, und an ihrem säuerlichen Gesichtsausdruck unter diesem Tuch; und an der Tatsache, dass ihr Kopf eingeschlagen war. Zum ersten Mal fragte ich mich, wie lange sie wohl schon dort im Wald gelegen hatte, bevor die Polizei sie fand. »War sie hier aus der Gegend?«, wollte meine Großmutter wissen.

      »Ich weiß nicht, wer sie ist … oder war …«, korrigierte ich mich.

      »Wie entsetzlich.«

      »Hat Dad irgendetwas gesagt, wann er heute Abend nach Hause kommt?«

      »Wie ich gerade schon sagte, der Mann erzählt mir einfach nichts. Aber nun geh dir vor dem Abendessen noch kurz die Hände waschen, ja? Und wecke bitte deinen Großvater auf – er ist schon wieder vor dem Fernseher eingeschlafen. Ich weiß es genau. Du brauchst für ihn nicht zu schwindeln.«

      Wir aßen, begleitet vom Gezeter meines Großvaters, der schon, seit ich denken konnte, an allem und jedem auf diesem Planeten etwas auszusetzen hatte. In letzter Zeit war es schon so schlimm geworden, dass ihm meine Großmutter verboten hatte, sich die Fernsehnachrichten anzusehen oder eine Zeitung zu lesen, da die Ungerechtigkeiten, über die darin täglich berichtet wurde, genug waren, um den alten Mann zu einem ausschweifenden Monolog von derart kreativer Obszönität zu bewegen, dass er ein ganzes Regiment von Hafenarbeitern zum Mitschreiben inspiriert hätte.

      Im August 1990, nachdem Präsident Bush amerikanische Truppen nach Saudi-Arabien entsandt hatte – darunter mein großer Bruder Charles – hatte mein Großvater noch einmal seine eigenen Memorabilien aus dem Zweiten Weltkrieg durchstöbert. Unsere Familie machte Scherze über seinen Entschluss, sich im Alter von achtundsiebzig Jahren neben meinem Bruder verpflichten zu wollen.

      Unter den gesammelten Gegenständen aus seiner Militärzeit im Südpazifik fanden sich neben anderen Dingen mehrere Schächtelchen mit Orden und Medaillen, ein Aschenbecher aus Patronenhülsen verschiedener Größen, zusammengesetzt zu einer Miniaturnachbildung einer B-29 Superfortress, und, das wohl eindrucksvollste Stück der Sammlung, ein Samuraischwert, das mein Großvater der Leiche eines japanischen Soldaten abgenommen hatte, der in Neuguinea gefallen war.

      »Ich habe ihn direkt aus dem Baum geschossen«, hatte mir mein Großvater mehr als nur einmal geschildert, »und dieses Schwert fiel mit ihm. Es steckte mit der Klinge voran im Erdboden und federte dort nach wie eine Stimmgabel.«

      Es war ein imposantes, stattliches Schwert, das nur so glänzte. Bunte Edelsteine waren in das Heft eingesetzt und die filigrane Insigne eines Drachen mit Tigerkopf in die Schwertscheide geätzt.

      Nach dem Krieg hatte mein Großvater über mehrere Jahre hinweg immer wieder ein Schreiben nach dem anderen von einem Anwalt aus New York erhalten, den mein Großvater prompt als »Juristenschleimer« abstempelte und welcher die Familie Takahashi bei ihrem mehrfachen Gesuch um die Rückgabe des Schwertes an die Familie des toten japanischen Soldaten vertrat. Es war ein Familienerbstück, und die Takahashis wollten bereitwillig jedweder Preisforderung nachkommen, nur damit das Schwert sicher und unbeschadet auch wieder in den Besitz der Familie zurückkehren konnte. Ich hatte die Briefe selbst gesehen, sie waren auf dem exklusiven Briefpapier einer Kanzlei mit Absenderadresse aus Manhattan verfasst und höflich und wohlwollend gegenüber meinem Großvater formuliert. Doch mein Großvater hatte sich geweigert, sich ihre Angebote auch nur ansatzweise durch den Kopf gehen zu lassen.

      Nachdem sie sich schließlich der Tatsache gebeugt hatten, dass mein Großvater ein sturer alter Esel war, bekam er noch einen allerletzten Brief von der Familie Takahashi. Ich hatte den Brief auch gelesen. Alles, was darin stand, waren die Hinweise und Anleitung für die sachgemäße Reinigung, Aufbewahrung und Pflege des Samuraischwertes. Wenn sie es schon nicht zurückbekamen, dann würden sie wenigstens sicherstellen, dass man es ordentlich behandelte.

      Doch es war nicht das Schwert oder gleichermaßen interessante Gegenstände, die mein Großvater an diesem Tag im August in der Garage ausgrub. Was er hervorholte, war ein abgegriffenes Fotoalbum mit Ledereinband, das von Gummibändern zusammengehalten wurde. Es war voller Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus dem Krieg und dem Jahr, das er als Strandwächter in Australien verbracht hatte. Er ging mit dem Album in den Vorgarten, zerriss die Fotografien und ließ sie wie Konfetti in eine der Metallmülltonnen rieseln.

      Zu dieser Zeit und in meiner Naivität versuchte ich, diesem einfachen Akt irgendeine größere symbolische Bedeutung zuzuschreiben, doch kam ich beim besten Willen nicht darauf, was es hätte sein können. Ich konnte einfach nicht umhin, meinen Großvater zu fragen, weshalb er seine Fotografien vernichtet hatte. Mit der Nüchternheit eines Mathematikers gab er mir zur Antwort, dass ihn die Berichterstattungen über die zunehmenden Spannungen im Mittleren Osten jeden Abend in den Nachrichten lediglich daran erinnerten, dass er noch einen Haufen alten Krempel in der Garage herumliegen hatte und es schon längst höchste Zeit war, all das Zeug loszuwerden. Das Ganze war also nicht symbolträchtiger gewesen als ein Frühjahrsputz.

      Wir saßen beim Abendessen am Küchentisch, während der Fernseher im Wohnzimmer weiter vor sich hinbrabbelte. Meine Großmutter hatte die Vorhänge der Küchenfenster aufgezogen für den Fall, dass mein Vater von der Arbeit nach Hause kam. СКАЧАТЬ