DECEMBER PARK. Ronald Malfi
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Название: DECEMBER PARK

Автор: Ronald Malfi

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783958350335

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СКАЧАТЬ in den ersten Monaten, nachdem wir erfahren hatten, dass mein Bruder Charles im Irak gefallen war, oftmals mitten in der Nacht zum Duschen aufgestanden war. Ich brauchte nicht lange, um dahinterzukommen, dass das laufende Wasser in Wirklichkeit nur ein geräuschvoller Vorwand war, um die Trauer meines Vaters in einem Haus mit dünnen Wänden zu übertönen.

      In dieser Nacht wurde mir klar, dass es nicht allein um das tote Mädchen ging; auch nicht um den Piper, oder wer auch immer dort draußen sein Unwesen trieb, oder all den Arbeitsstress meines Vaters. Nicht für ihn und auch für mich nicht.

      Mein Vater war nach dem Tod meines Bruders ein anderer Mensch geworden. Alles an ihm schien in eine Form der Halbexistenz abzudriften. Sein Schlafzimmer glich einem Zimmer, wie man es vielleicht in einem Motel vorfinden würde. Die Gegenstände darin waren rein funktional: ein Bett, eine Kommode, eine Lampe auf einem Nachttisch, ein Wecker, ein Schrank voller dunkler Anzüge, ein Spiegel und ein paar Toilettenartikel auf einer anderen Kommode. Seine Schuhe stellte er mit noch darin zusammengeknäuelten Socken in einer Reihe am Fußende des Bettes auf. Manchmal ließ er einen abgegriffenen Taschenbuchkrimi mit sensationsgierigem Cover und knalligem foliengeprägten Titel auf dem Nachttisch liegen. Die Luft im Raum war immer abgestanden, als wären die Fenster und die Tür hermetisch vom Rest der Welt abgeriegelt worden.

      Das einzig Emotionale waren die beiden Bilderrahmen auf dem Nachttisch neben seinem Bett, einer davon mit einem Foto meiner Mutter, die starb, als ich drei war. Die wenigen Erinnerungen, die ich an sie hatte, waren verschwommen und ungenau, wie jemandes Silhouette hinter einem Plastikduschvorhang. Das andere Bild zeigte Charles in seiner Militäruniform. Er sah erschreckend jung aus, und wenn man genau genug hinsah, konnte man die Stellen an seinem Kinn erkennen, wo er sich beim Rasieren geschnitten hatte.

       Meine eigenen Fotos von Charles bewahrte ich in einem Album im obersten Regal meines Schlafzimmerschrankes unter einem Stapel Comicheften und Ausgaben der Zeitschrift MAD auf. In den ersten Monaten nach Charles’ Tod hatte ich oft einen Blick in das Album geworfen, doch inzwischen holte ich es nicht mehr hervor. Ich ging auch nicht mehr in sein Zimmer. Es lag unangetastet am Ende des Flurs, die Tür geschlossen, aber nicht verschlossen. Charles’ Football- und Leichtathletiktrophäen standen in seinen Regalen, seine Plattenalben und Musikkassetten waren fein säuberlich in einem alten Überseekoffer am Fußende seines Bettes verstaut. Seine College-Jacken und Windbreaker, in die sein Name auf der Brust eingestickt war, seine Jeans, Stoffhosen, Shirts und Trikothemden, seine Football-Ausrüstung und Laufschuhe waren auch noch da.

      Meistens gelang es mir, ohne einen Gedanken an Charles durch den Tag zu kommen. Das mag vielleicht gefühlskalt klingen. Ich weiß nicht, ob es das ist oder nicht, aber es ist die Wahrheit. Seit ich jedoch hatte mit ansehen müssen, wie Courtney Cole aus dem Wald getragen wurde, war es Charles’ Gesicht, das mich des Nachts verfolgte. Charles’ eingeschlagener Schädel unter dem weißen Tuch auf der Trage.

      Nach einer Weile begann ich, mich vor der Nacht zu fürchten. Es half mir auch nicht sonderlich, dass die Sache meine Freunde ebenfalls nicht losließ.

      »Ich muss ununterbrochen daran denken«, vertraute mir Scott eines Nachmittags aus heiterem Himmel an, als wir beide vor dem Quickman, unserer Lieblingsburgerbude, an unseren Zigaretten zogen. »Ich habe ständig dieses Bild vor Augen, als das Tuch von ihr heruntergeweht wurde.«

      »Ja«, gestand ich. »Ich denke auch an sie. Manchmal. Meistens nachts.«

      »Perversling.«

      »Du weißt genau, was ich meine.«

      »Denkst du viel über den Killer nach?«

      Nein, das tat ich nicht. Es schien nicht plausibel, dass tatsächlich ein lebendiges, atmendes menschliches Wesen für die ganze Sache verantwortlich war. Es war greifbarer, sich die vermissten Kinder vorzustellen und wie Courtney Cole unter diesem weißen Tuch ausgesehen hatte, als sich auszumalen, welche Bestie hinter derartigen Taten stecken konnte.

       »Eine Cousine von mir saß in einem Bus in Florida neben Ted Bundy«, erzählte Scott, bevor ich auf seine Frage antworten konnte. »Er hatte einen unechten Gips um den Arm – genau, wie man es immer hört – damit er seine Opfer dazu bringen konnte, ihm dabei zu helfen, ein paar Dinge zu seinem Wagen zu tragen. Meine Cousine sagte, sie habe ihn erkannt, als er festgenommen wurde und Bilder von ihm in allen Nachrichten gezeigt wurden. Ich fand es immer bizarr, dass sie ihn wiedererkannte – ich meine, wie genau sieht man sich denn seine Mitmenschen in einem Stadtbus an? –, aber ich schätze, solche Personen brennen sich irgendwie unterbewusst in irgendeinen urmenschlichen Teil des Gehirns ein, der einem meldet, dass etwas einfach nicht stimmt. Wie ein blinkendes Neonschild, das dich warnt: Halt dich fern!«

      Ich ließ meinen Blick über den Parkplatz, an den Bäumen vorbei und in Richtung St. Nonnatus schweifen. Autos huschten den Highway entlang wie glänzende Käfer. Der Himmel hatte die satte, monochrome Sepiafarbe einer alten Fotoaufnahme.

      »Es heißt, er habe Mädchen Löcher in die Köpfe gebohrt und ihnen bei noch lebendigem Leibe kochendes Wasser in ihre Schädel gegossen. Dieser Psycho hat sie zu Tode gefoltert. Kann man sich so einen kranken Scheiß vorstellen?«

      »Wer?« Meine Gedanken waren abgedriftet.

      »Ted Bundy.«

      »So ist das hier nicht«, wandte ich ein. »Man hat ihr einfach den Schädel eingeschlagen.«

      »Schon, aber du weißt nicht, welche kranken Dinge ihr der Piper angetan haben könnte, bevor sie starb.« Nach einem kurzen Moment der Überlegung fügte Scott hinzu: »Oder sogar noch danach.«

      »Du bist krank.«

      Scott ließ seine Schultern kreisen. »Die ganze Welt ist krank.«

      »Wird wohl alles möglich sein.«

      »Und was ist mit den anderen?«, fragte er. »Die anderen, die noch nicht gefunden wurden?«

      »Weiß nicht. Meinst du, sie finden sie noch?«

      »Denke schon. Ich meine, irgendwo müssen sie ja schließlich stecken, oder nicht? Menschen verschwinden nicht einfach so vom Erdboden.«

      Obwohl ich genau wusste, dass jedes Jahr sehr wohl spurlos Menschen verschwanden, zog ich nur an meiner Zigarette und erwiderte knapp: »Wahrscheinlich.«

      »Erzählt dir dein Dad denn gar nichts?«

      »Über die vermissten Jugendlichen? Über den Mord an Courtney Cole?«

      »Egal was«, meinte Scott. »Über seinen Job. Darüber, wie es ist, ein Cop zu sein.«

       »Nicht wirklich. Außerdem denke ich, dass die Cops auch nicht mehr wissen als jeder sonst. Und selbst wenn sie das sollten, werden sie mir das bestimmt nicht auf die Nase binden.«

      »Hast du schon mal seine Knarre gesehen?«, wollte Scott neugierig wissen. Er steckte eine Hand in seine Jackentasche und stöberte nach etwas darin herum.

      »Klar doch«, bemerkte ich. Ich bekam die Dienstwaffe im Holster meines Vaters jeden Abend zu Gesicht, wenn er von der Arbeit nach Hause kam und seine Jacke auszog. Ich wusste auch, dass er sie in seiner Sockenschublade aufbewahrte, wenn er sie nicht bei sich trug – der obersten Schublade seiner Schlafzimmerkommode. Unter seinem Bett hatte er in einer alten Zigarrenschachtel auch noch einen Revolver mit sechs Schuss.

      Mein Vater hatte eigentlich schon mein Leben lang eine Waffe getragen. Es war für mich so selbstverständlich, als wäre er ein Geschäftsmann gewesen, der einen СКАЧАТЬ