DECEMBER PARK. Ronald Malfi
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Название: DECEMBER PARK

Автор: Ronald Malfi

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783958350335

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СКАЧАТЬ hatten, waren zwei Stadtarbeiter, die nach Audrey MacMillans Autounfall Aufräumarbeiten im Wald durchführten, auf ihre Leiche gestoßen.

      Im Vorfeld des Fundes von Courtneys Leiche hatte es reichlich Spekulationen darüber gegeben, was aus den anderen drei Jugendlichen aus Harting Farms geworden war, die während der vorangegangenen zwei Monate einfach verschwanden: dem dreizehnjährigen William Demorest Ende August und dem sechzehnjährigen Jeffrey Connor sowie der dreizehnjährigen Bethany Frost im September. Ohne Hinweise auf Fremdverschulden – und ohne tatsächliche Leichen – hatte sich die Polizei äußerst zuversichtlich gegeben, dass es sich lediglich um eine Reihe von zu Hause fortgelaufener Jugendlicher handelte; Einzelfälle, die nicht miteinander in Verbindung stünden. Natürlich hatten die Eltern der Vermissten die Polizei gedrängt, die Möglichkeit einer Entführung nicht auszuschließen.

      Vor Courtney Coles Verschwinden war Polizeipräsident Harold Barber in mehreren Zeitungen mit der Aussage zitiert worden: »Was denken Sie, ist wahrscheinlicher? Dass irgendein namenloser, gesichtsloser Rattenfänger, ein Piper, in unsere Stadt gekommen ist, um systematisch unsere nichtsahnenden Kinder in den Sonnenuntergang davonzulocken, oder dass wir es hier mit einer Handvoll nicht in Zusammenhang stehender Fälle von Kindern zu tun haben, die schlicht und ergreifend von zu Hause Reißaus genommen haben?«

       So hatte Chief Barber dem gesichtslosen Monster also einen Namen gegeben, und das schien die ganze Bedrohung nur noch realer zu machen. Der Caller übernahm die Bezeichnung und behielt sie bei. Bald darauf sprachen Berichterstatter im Fernsehen von der vermeintlichen Existenz eines Kindesentführers namens Piper, der den Bewohnern von Harting Farms nachstellte.

      Doch erst der Fund von Courtney Coles Leiche versetzte die Bewohner von Harting Farms wirklich in Panik. In den Zeitungen und Fernsehnachrichten hieß es, dass der Tod des Cole-Mädchens womöglich mit den drei anderen Vermisstenfällen der vorherigen zwei Monate in Verbindung stünde und alle vier Vorfälle durchaus das Werk eines Einzelnen sein könnten.

      »Die denken, es war ein Serienmörder?«, fragte ich meinen Großvater.

      »Alles nur Sensationshascherei«, tat mein Großvater ab und sah in seinem Fernsehsessel ein wenig aufgerührt aus. Der Fernseher tauchte uns in gespenstisch blauen Schein. »Boulevardjournalismus und Panikmache, um die Öffentlichkeit aufzuwühlen. Nichts, worüber man sich Sorgen machen müsste. Verkauft Zeitungen und steigert die Einschaltquoten. Mehr steckt nicht dahinter.«

      Während die Abendnachrichten für gewöhnlich en masse von Schießereien und Morden in Baltimore und D.C. berichteten, war Harting Farms ein ruhiger bürgerlicher Vorort, dessen allwöchentlicher Polizeibericht höchstens Graffiti an den Wänden des örtlichen Generous Superstore oder einer gelegentlichen Vandalenrunde Briefkasten-Baseball zu erwähnen hatte. Mord war etwas, dass unsere Gemeinde mehr als unerwartet traf, und der Vorfall löste eine Vielzahl verschiedenster Reaktionen aus.

      Für den Anfang gründete die Gemeinde die Courtney-Cole-Gedächtnisstiftung und wählte einen Vorsitzenden. Niemand schien jedoch so recht den Zweck der Stiftung zu kennen, abgesehen davon, die Spendengelder für die Beerdigung des Mädchens zu verwenden, und es dauerte auch nicht lange, bis mein Großvater der Organisation vorwarf, die aufrichtigen und trauernden Gemeindemitglieder auszubeuten.

      Die Elks, bei denen Courtneys Eltern und Großeltern Mitglieder waren, pflanzten eine Blautanne zum Andenken des Mädchens auf dem Rasen ihres Kapitelhauses, und eine bronzene Gedenktafel, in die ihr Name und ein Zitat eines halbberühmten einheimischen Dichters eingraviert waren, wurde an der Mauer bei den Beichtstühlen von St. Nonnatus angebracht.

      Obwohl Courtney niemals einen Fuß in unsere Schule gesetzt hatte, stellte die Stanton School in einem Glasschaukasten im Hauptfoyer ein Schwarzes Brett zu ihrem Andenken aus, an dem zahlreiche Fotos des Mädchens hefteten, die größtenteils aus verschiedenen Zeitungen ausgeschnitten waren, sowie jene Artikel, die über ihren Tod berichteten. Die ganze Aufmachung war wirklich geschmacklos und die rosa-weiße Blumengirlande, die unter dem größten Foto hing, machte alles nur noch schlimmer und verpasste der Collage einen völlig unpassenden hawaiianischen Flair.

      Unsere Schule brachte jeden Monat unter der Regie von Miss McGruders Kurs im kreativen Schreiben einen Newsletter mit Gedichten und Kurzgeschichten heraus. In diesem Jahr wich die Halloween-Ausgabe von ihrer üblichen Sammlung an Spukgeschichten und Gedichten über abgetrennte Köpfe und knopfäugige, vom Grab zurückkehrende Zombies ab. Stattdessen trieften die Seiten vor übertriebener Sentimentalität über in eisiger Wintersluft welkende Blumen und Schmetterlinge, die in einer leuchtenden Farbexplosion schillernder Flügel aus ihren Kokons hervorbrechen.

      Natürlich zog die Tragödie auch eine ordentliche Portion Galgenhumor nach sich. Das Geschmackloseste, wenn auch Originellste, tauchte in Form eines Limericks an der Wand einer der Toilettenkabinen auf:

      Piper einst wurde ein Mann genannt,

      Der mit einem Mädchen davongerannt;

      Tot war das Mädel,

      Ein Loch tief im Schädel,

      Wie von einer Kugel hineingebrannt.

      Das wohl Verstörendste war jedoch der Umlauf eines vermeintlichen Liebesbriefes, den Courtney einem Jungen auf der Stanton gegeben hatte. Dem Datum nach, das der Verfasser oben an den Rand der ersten Seite gekritzelt hatte, war er etwa eine Woche vor ihrem Tod geschrieben worden. Ob dieser Brief nun echt war oder nicht, tat der unglaublichen Wirkung, ihn mit den eigenen Augen zu sehen, ihn in den eigenen Händen zu halten, keinen Abbruch.

      In der Naturwissenschaftsstunde tippte mir jemand auf die Schulter und reichte mir die gefalteten Blätter aus liniertem Notizbuchpapier nach vorne, als würde er mir die Schriftrollen vom Toten Meer präsentieren. Ich las mir die ersten paar Zeilen durch und mit wachsendem Unbehagen wurde mir klar, dass der Brief wirklich echt sein musste, weil er einfach zu unscheinbar, zu banal war, als dass es eine Fälschung hatte sein können. Wäre dem so gewesen, hätte der Schreiber irgendeine unterschwellige Andeutung von Courtneys Tod oder die Ironie einer aufrichtigen Liebeserklärung eingeflochten, nur wenige Tage, bevor ihr das Leben ausgelöscht werden sollte. Die Handschrift war typisch mädchenhaft mit runden, geschwungenen Buchstaben, der Ton einfach und aufrichtig. Ich konnte den Brief nicht zu Ende lesen und reichte ihn meinem pickelgesichtigen Banknachbarn Mark Browmer weiter, in der Hoffnung, irgendjemand würde mehr Mut aufbringen können und ihn wegwerfen, noch bevor der Tag zu Ende war.

      Auch das Harting Farms Police Department bekam die Auswirkungen zu spüren. Chief Barber erschien im Fernsehen und teilte mit, dass es keinerlei Beweise gebe, die belegten, dass Courtneys Ermordung in irgendeiner Weise etwas mit dem Verschwinden der anderen drei Jugendlichen zu tun hatte. Unzufrieden mit Barbers Stellungnahme, waren die Eltern der anderen Jugendlichen häufig in den Nachrichten, um ihre eigene Meinung kundzutun.

      Wie jeder andere Außenstehende bekam ich diese Anspannung weitestgehend nur aus der Ferne mit – doch sie kam schon bald zu mir nach Hause. An den Tagen, an denen es mein Vater rechtzeitig zum Abendessen nach Hause schaffte, saß er meist schweigend am Tisch und redete nur, wenn er angesprochen wurde. Doch selbst dann noch klang es wie eine fremdartige und kehlige, schwer verständliche Sprache. Abends setzte er sich dann auf die Veranda hinter dem Haus, manchmal mit einem Glas Wein oder einer Tasse Kaffee, und rauchte eine Zigarette nach der anderen.

      Mein Vater blieb bis spät in die Nacht auf und wanderte rastlos über die Holzdielen im oberen Flur, wie ein Geist, der verdammt war, auf ewig herumzuspuken. In diesen Nächten konnte ich nicht schlafen und ich hörte in regelmäßigen Abständen das knarzende Geräusch seiner Schritte, die vor meiner Zimmertür zum Stehen kamen. Ich blieb schweigend im Bett liegen, starrte an die Zimmerdecke und hielt die Luft an, während ich darauf wartete, dass er seinen Gang wieder fortsetzte.

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