Название: Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen
Автор: August Sperl
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788075831439
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»Die Zeiten sind für jeden Menschen schlecht, Meister,« sagte Hansjörg und zog sein Beutelein.
»Für jeden ehrlichen Menschen,« wiederholte der Alte und trat in die Thüre. »Und was sie doch heute so freundlich scheint, die Frau Sonne!« murmelte er und spähte straßauf und straßab.
Dann schloß er die Thüre und trat nahe an Portner: »Muß halt auch ein schön Schächtelein zuspendieren – nicht? – Ja, Herr Portner, so freundlich scheint heute die Frau Sonne, daß einem das Herz lachen möcht' im Leibe. Hab's wohl von meinem Vater selig angeerbt, die Freud' am Sonnenschein.«
»Die hat doch jeder Mensch,« meinte der Edelmann und zählte das Geld auf.
»Jawohl,« kam's zurück, »der eine so, der andre so. Wenn ich aber mit meinem seligen Vater über Land 'gangen bin, Herr Portner, und es ist die Sonne hinter den Bergen heraufkommen, so hat er immer den Hut abgenommen. Und oft hat er gesagt, aus ihr schaut ein Auge nieder auf die Erde, das alles durchdringt. Seh' noch seine silbernen Haar' blinken im Sonnenschein, und sind ja doch die meinigen auch schon über und über grau. – Und was für Erbärmlichkeiten mag wohl das goldige Sonnenauge sehen müssen, Herr, in den nächsten Tagen?« fragte er flüsternd. »Wißt Ihr denn nichts, Herr?«
»Die Zeiten sind schlecht, Meister,« sagte Hansjörg und steckte das Päcklein ins Wams.
»I was, für einen ehrlichen Menschen sind sie schlecht, für einen andern nicht. Morgen soll's ja losgehen. Wißt Ihr's nicht?«
»Morgen schon?« fragte der Junker.
»Ja, morgen. Und ist's nicht hart, Euer Gnaden? Heut abend noch geht der Trommelschlag, und morgen muß jeder Bürger und jede Bürgerin aufs Rathaus, und dann – entweder oder! Hart, Herr, hart! Ich bin ein alteingesessener Bürger; und alle meine Altvorderen sind Amberger Bürger gewesen, und auf dem Grund und Boden da sitzen wir seit Menschengedenken, und aus dem alten Holzhaus, das vordem da gewesen ist, hat mein Guckahn das neue Steinhaus gebaut – schaut Euch nur den schönen Erker an – und jetzt heißt's: fort!«
Hansjörg schwieg und nickte.
»Herr Portner, Ihr haltet doch auch den für einen Tropfen und lausigen Gartknecht, der seinen Glauben abschwört, als wär' dieser Glaube ein schwer Unrecht gewesen?« fragte der Alte.
»Das muß jeder mit seinem Gewissen abmachen,« meinte Hansjörg unsicher.
»Der eine thut sich schwer mit seinem Gewissen, weil das Gewissen sein Herr ist; der andre thut sich leicht mit ihm als mit einem unterthänigen Knechte,« sagte der Alte. »Aber wohin denn? Fort, ja, fort! Das ist leicht gesagt. Fort mit Weib und Kindern – und ist doch überall Krieg!«
Der Alte stemmte die Fäuste auf den Ladentisch und sagte grimmig: »Unsre Väter hätten sich das Unrecht nimmermehr lassen anthun. Wie war's denn Anno 1592 im Winter? Hat uns der Kurfürst calvinisch machen können? Nichts hat er ausgerichtet. Es ward ihm abgetrutzt. – Wir haben keine Waffen, heißt's allerorten, und wir können nichts gegen die Soldateska. Ja, wo sind denn unsre Waffen? Im Zeughaus, dächt' ich! Giebt's keine Brechstangen mehr in der Stadt Amberg? O, genug! Aber keine Mannsbilder giebt's mehr in der traurigen Zeit. – Da – hört Ihr's, Herr Portner?«
Die Thüre ging auf, und ein dicker Mann trat ein. »Hört ihr's? Nun kommen sie vom Marktplatz herauf! Guten Abend, Herr Portner, guten Abend auch, Gevatter!«
»Guten Abend,« sagte der Goldschmied mürrisch, und Portner nickte.
»Is das ein Getrommel!« flüsterte der andre.
»Und was braucht's das Getrommel?« brummte der Goldschmied. »Weiß ja doch jeder, was ihm bevorsteht – nicht, Gevatter Scharf?«
Viele hundert Kinderfüßlein patschten die Gasse herauf hinter den rasselnden Trommeln; aber man hörte nichts von dem Patschen, die Trommeln gingen allzulaut.
Vor der Werkstätte hielt der Haufe, die Fenster zitterten unter dem Gerassel, mit offenen Mäulern standen die Kinder dichtgedrängt und horchten und gafften.
Die Trommeln schwiegen.
»Martinsviertel – alle Bürger – Inwohner – im Feiertagsgewand – morgen früh sieben Uhr – Rathaus!«
Die Trommeln ertönten aufs neue, und der Haufe wälzte sich weiter. –
Langsam ritt Hansjörg Portner mit seinem Knecht aus der Stadt.
»Und was soll denn einer da morgen sagen?« begann Scharf, der Hufschmied, in der Werkstätte des Goldschmieds.
»Gar nix, zuschlagen!« rief der verkrüppelte Mann.
»Ei, Gevatter, nit so laut, wenn uns jemand hörte!«
»Jawohl, so heißt's immer und überall!« schrie der andre noch lauter. »Mannsbilder giebt's nimmer in Amberg. Das sag' ich jedem, der's hören will. Das hab' ich auch dem Junker gesagt vorhin.«
»So ein Junker!« meinte Scharf und strich durch seinen Bart. »Die haben's doch in allen Stücken leichter als unsereins, auch in der Religion. An die geht keiner zu nahe.«
Der Alte zuckte die Achseln: »Weil der Kurfürst vielleicht die Junker im Chamischen mit seidenen Handschuhen angepackt hat? Sorg dich nit, Gevatter, an die kommt's auch noch!«
»Wenn einer nur wüßt', was er morgen sagen soll,« wiederholte der Hufschmied.
Der Alte lachte verächtlich. »Das kann ich mir an den zehn Fingern abzählen, und ich seh' auch jedes einzelne Gesicht, ich sag' dir, jeden Mann und jedes Weib seh' ich leibhaftig vor mir! – Paß auf, Scharf, kannst dir eine Antwort heraussuchen!« fuhr er spöttisch fort. »In einer mächtig langen Reihe stehen wir alle auf dem Marktplatze drunten, und ringsum steht die Soldateska mit brennenden Lunten, und einzeln werden wir hinaufgeführt in den großen Saal, weißt, wo die Kurfürsten hängen und der Kaiser Karl. Und da kannst du sagen: will mich unterweisen lassen; berichtet man mich eines Besseren, so ist mir nit zuwider, katholisch zu werden. Kannst auch sagen: will der erste nit sein und will der letzte nit sein; wie andern geschieht, so geschehe auch mir. Oder: diese Religion gefällt mir gar wohl; wenn andre sich dazu begeben, will ich's desgleichen thun. Oder: ich begehre beim gemeinen Haufen zu bleiben. Oder: was die Obrigkeit haben will, das muß der Unterthan thun; Durchlaucht wird schon wissen, was recht ist. Oder –« nun trat der alte Mann ganz nahe vor den Dicken – »sag doch gleich mit aufgehobenen Händen: ich halte dafür, es ist eine Schickung Gottes; mein Gemüt führt mich selbst dazu; will gern katholisch werden. – Und wahrlich, wahrlich, ich sage dir, dann wirst du genug Rösser zu beschlagen kriegen bis an dein Ende!«
Der Hufschmied stand in tiefem Sinnen, der Alte wandte sich ab und kramte in seinem Handwerkszeug. Dann fuhr er mit gleichgültiger Stimme fort: »Kannst aber auch antworten – habe zurzeit noch keine Affektion zu dieser Religion. Oder: befinde solches zurzeit in meinem Herzen nit. Oder: kann so geschwind nit ja sagen, noch zurzeit von meiner evangelischen Religion abtreten. Oder: ist eine Gewissenssache; will mich beraten mit meinem Gewissen.«
Der Hufschmied sagte noch immer nichts, der Alte aber kam wieder ganz nahe an ihn heran und schloß mit ausgestreckter Hand, laut und langsam: »Oder kannst auch sagen – Kurfürstliche Durchlaucht hat Macht über mich bis hierher und nit weiter. Kurfürstliche Durchlaucht ist СКАЧАТЬ