Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen. August Sperl
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Читать онлайн книгу Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen - August Sperl страница 72

Название: Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen

Автор: August Sperl

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075831439

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СКАЧАТЬ das Geschäft war bald vollendet für diesen Tag. Es kamen nur noch etliche wenige, leise klangen die gedrückten, angstvollen Antworten, und flüchtig raschelten die Federn: ›Wie's Gott will; kann's in meinem Gewissen nicht befinden.‹ – ›Will der erste nicht sein und nicht der letzte, will mich bedenken.‹ – ›Wie einem andern geschieht, so geschehe mir auch.‹ –

      Zuletzt kam der Turmwächter von Sankt Martin vor den grünen Tisch.

      Ob er sich accommodieren wolle oder den Wanderstab ergreifen?

      Der Turmwächter besann sich, indessen sein Magen vernehmlich knurrte. Er sei schon alt, und die Beine thäten ihm elend wehe, den ganzen Tag hab' er auf dem Pflaster drunten stehen und warten müssen, sagte er mürrisch. Ihm sei's im übrigen gleich, er sei ein gereifter Mann, kenne alle Religionen bis hinein ins Türkische. Zudem sitz' er auf einem erhabenen Orte, schaue herunter, komme ihm oft vor, als sähe er Ameisen krabbeln unter ihm in den Gassen und auf den Plätzen; höre auch die Glocken unter seinem Sitze, was nicht jeder von sich behaupten könne.

      Solle sich kurz fassen!

      Wolle sich kurz fassen, sei bereit zu parieren. Aber eines möcht' er noch fragen: ob er's wohl frei herausreden dürfe?

      Soll's nur geschwind sagen!

      Ob's wahr sei, was er gehört, daß nämlich jeder, der sich accommodiere, etwas hinten hinaufgebrannt bekomme, etwa ein Handzeichen oder sonst etwas, wie die kurfürstlichen Rösser? Wär' das der Fall, dann müßt' er sich's doch noch überlegen; denn solches fiele ihm beschwerlich.

      Solle sich keine derartigen Gedanken machen, sei nicht wahr.

      Dann wollt' er sich bis Ostern accommodieren.

      Alle menschliche Erbärmlichkeit, aber auch alles, was groß ist im gottentstammten Menschen, war durch den Saal geflutet wie ein Strom.

      Im weißen Mondlichte schliefen Stadt und Land, und im Dämmerscheine lag der öde Saal.

      Was ist denn das? Es bewegt sich. Ohne Zweifel, es bewegt sich! Aber nein, das kann ja nicht sein. Da drüben steht ein Fenster offen, weil die Luft hinaus muß, die dumpfe Luft, und am offenen Fenster bewegt sich der schwere Vorhang, und sein Schatten gleitet über das Antlitz des großen Karl schräg gegenüber. Siehe, da wieder! – Und doch nicht, nein, es regt sich leibhaftig, sieh nur, die großen Augen suchen unter den Bildern an den Wänden und heften sich auf das düstere Bild des Kurfürsten über dem grünen Tische. Und jetzt, aber sieh nur, jetzt öffnet der Kaiser den Mund. – – Hast du's gehört? Ach, ganz laut und vernehmlich:

      »Kurfürst, da hast du ein halsstarriges Volk.«

      »Leider Gottes, Herr Kaiser.«

      »Aber mich dünkt, du machst allzuviel Umstände, mein Sohn.«

      Sieh nur, wie hart die blauen Augen des Kaisers aus seinem ehrwürdigen Gesichte schauen!

      »Umstände, Herr Kaiser? Ich denke, meine Amtleute verfahren summarisch!«

      Sieh nur, jetzt verzieht der große Karl den Mund zu einem Lächeln, sieh nur, wie grausig –!

      »Summarisch? Mein Sohn, summarisch bin ich mit meinen Sachsen verfahren. Du kennst doch die Geschichte?«

      Horch nur, jetzt ist es, als ob der Kurfürst seufzte in seiner Dunkelheit –

      »Wer kennete diese Geschichte nicht, Herr Kaiser? Einer von den Strahlen im Strahlenglanze Eures Ruhmes sind die Sachsen.«

      »Nun also! Hast du nicht auch Hartnäckige genug?«

      »Die Zeiten haben sich geändert, Herr Kaiser, seitdem die viertausend Köpfe auf die Erde gekollert sind zu Verden.«

      »Viertausendfünfhundert, mein Sohn!«

      »Vergebt, Herr Kaiser, viertausendfünfhundert.«

      »Fehlt es dir an Schwertern?«

      »Wir haben mehr als genug.«

      »An Blöcken?«

      »Auch Blöcke, Herr Kaiser.

      »Und da drunten dehnt sich doch ein großer Marktplatz mit guten Abflußrinnen?«

      »Die Zeiten haben sich geändert, Herr Kaiser.«

      »Ach was, die Zeit sind wir, mein Sohn.«

      »Doch nicht so ganz, Herr Kaiser.«

      »Mein Sohn, ihr Leute von heutzutage habt einen schwächlichen Willen.«

      Horch, was hat nun der Kurfürst gemurmelt, fast als schämte er sich, es laut zu sagen vor den Ohren des großen Karl?

      »Wahrhaftig, am Willen fehlt's nicht, Herr Kaiser; aber ich sag's ja, die Zeit, die Zeit.«

      »Die Zeit, mein Sohn, sind wir!« murmelt der Kaiser und schließt seine Augen.

      »Die Zeit sind wir,« murmelt der Kurfürst und starrt in den Saal.

      Auf dem Zant.

       Inhaltsverzeichnis

      Weitmächtig und unergründlich, tiefblau und wolkenlos wölbte sich der Himmel über dem hügeligen Lande.

      Die dunkelgrünen Fichten und Tannen hatten helle Spitzen angesteckt, und am Saume der schwarzen Wälder leuchteten die schlanken Birken. Auf allem Dorngesträuche lag der Blütenschnee, Bienen summten über den blumigen Wiesen. Die Vögel sangen in den Büschen, tirilierten in den flimmernden Lüften, lockten sehnsuchtsvoll in den Thälern und Schluchten. Unter weißschimmernden Bäumen verschwanden die grauen, geflickten Strohdächer des Dörfleins, und wie das märchenhafte Schloß im unbekannten Sagenlande thronte die Zantburg auf dem grünen Hügel und guckte mit ihren kleinen Bleifenstern hinaus in all die Frühlingspracht, als wollte sie sagen: Ich hab's vielhundertmal gesehen, und doch ist's immer wieder schön.

      Ja, es war schön! Wer glücklich war, dem schlug das Herz, dem glänzten seine Augen – wer traurig war, der mußte sich verkriechen an diesem wonnevollen, wundersamen Frühlingsnachmittag.

      Unter der grünen Linde im Burghofe saßen die Zantnerischen und ihre Gäste, der Kemnater und Hansjörg Portner von Theuern.

      »Dein Wein ist gut, Herr Nachbar,« sagte Wolf von Kemnat und hob das Glas; »ich bring's dir und den Deinen, von der Ahnfrau bis zum Kleinsten da!«

      Der Zantner nahm seinen Becher und trank Bescheid. »Das ist ein großer Mund voll,« lachte er, stellte den Becher auf den Steintisch und zählte an den Fingern.

      »Aber, Herr Vater,« sagte Ruth und hob das Kleinste auf den Schoß, »müßt Ihr da erst zählen? Das können unsre Hennen besser, die wissen's auswendig, wie viele Küchlein sie haben – sieben habt Ihr, Herr Vater, und die haben eine liebe Mutter und eine vielliebe Ahnfrau.«

      »Ist ja nicht wahr, Ruth,« lachte der Zantner; »sechse sind's, und die haben zwei Mütter und eine Ahnfrau.« Und dabei streichelte СКАЧАТЬ