Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen. August Sperl
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Название: Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen

Автор: August Sperl

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075831439

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СКАЧАТЬ ich eine Liga und Bündnis geschlossen, die will ich nicht brechen. Kurfürstliche Durchlaucht kann mir den Leib töten – wie Gott will. Ich habe mich resolviert und begehre, auf mein Bekenntnis zu leben und zu sterben. Amen.«

      Der andre schwieg und kaute an seinem Daumennagel. Dann sagte er nachdenklich, als hätte er den Urgrund aller menschlichen Dinge entdeckt: »'s ist halt eine neue, geschwinde Zeit, und mein Vater seliger hat's oft erzählt – damals hat sie angehoben, die neue Zeit, wie das Gebot ausgangen ist zu Amberg in der Stadt, daß keiner sich unterstehe, weder bei Tag noch bei Nacht ein Gefäß durchs Fenster auszuleeren. Und vordem war's doch erlaubt in der ganzen Stadt vom Hußausläuten bis an den Morgen. Und dann haben s' uns diese Freiheit beschnitten, und das ist der böse Anfang gewesen.«

      »Zu dumm!« knurrte der Goldschmied.

      »Das sag' ich auch,« bestätigte der Hufschmied.

      »Dein Geschwätz,« sagte der Alte.

      »Ja, 's ist aber doch so?« fragte der Hufschmied verwundert.

      »Die Sonne ist hinuntergegangen, Gevatter, ich muß die Werkstatt schließen,« mahnte der Goldschmied nach einer Weile.

      »Und was werdet Ihr dann morgen auf dem Rathaus antworten?« fragte der Dicke und schickte sich an, zu gehen.

      Der Alte lachte fast unhörbar.

      »Noch eins!« sagte der Hufschmied und wandte sich unter der offenen Thüre. »Gesetzt den Fall, wenn nun mein Weib sich akkemmediert und ich bleib' aber bei meinem Glauben?«

      »In Amberg sitzen vier lutherische Weiber aus dem Chamischen und essen das Brot der Armut mit Thränen, derweil ihre katholisch gewordenen Männer und Kinder dort im Lande geblieben sind. Giebt halt solch halsstarrig Volk, Gevatter.«

      »Aber da hebt ja die Obrigkeit gar selber den Ehestand auf?« sagte der Hufschmied und machte ein sehr verwundertes Gesicht.

      Der Alte nickte und lachte leise.

      »Die Obrigkeit – selber!« murmelte der Hufschmied und ging durch die Dämmerung nach seiner Behausung.

      Dann blieb er stehen und sann und fuhr fort: »Selber!« Es klang wie Zungenschnalzen. Dann hob er zu pfeifen an.

      »Lustig, Meister Scharf?« sagte einer im Vorbeigehen, griff an seinen Hut und bog um die Ecke.

      ›Immer lustig, der Meister Scharf, sogar heut noch lustig! Jetzt mir wär's Pfeifen, meiner Treu, längst vergangen, wenn ich zu allem andern in der bösen Zeit auch noch dem sein' Drachen hätt'.‹

      *

      Es war am nächsten Abend. Schrägher fielen die Strahlen der Sonne; in Gold getaucht erschien die uralte Stadt.

      Auf dem Marktplatze stand die Soldateska unter den Waffen, wie der Goldschmied gesagt hatte, und vom Morgen bis zum Abend hatte man die Leute aus dem Martinsviertel einzeln die vordere Stiege des Rathauses hinaufgeführt, einzeln in den Saal vor den Landrichter und die Kommissäre gerufen und sie hernach über die hintere Stiege ins Freie entlassen.

      »Gleich als die Schafe des geblendeten Riesen – wie hat er doch geheißen?« flüsterte ein Schreiber am grünen Tische seinem Nachbarn zu.

      »Polyphemos,« antwortete dieser. »Nur daß der Riese in unserm Falle nicht geblendet ist und also ganz genau sieht, wie viele Wölfe mit den Schafen zwischen seinen Beinen durchlaufen möchten.«

      »Sehr viele Wölfe,« meinte der andre nachdenklich.

      Es wäre noch ein Dutzend Personen draußen, ob die heut auch kommen sollten, fragte der Einspännig den vorsitzenden Landrichter.

      »Immer zu!« befahl dieser; »dann können wir morgen gleich das zweite Viertel vornehmen.«

      »Es ist eine wahre Stickluft in dem Saale,« flüsterte der erste Schreiber.

      »Kein Wunder. Schau dir nur die angstvollen Schächer an – der Schweiß bricht ihnen aus allen Poren, als wären s' auf dem Hochgericht, und läuft ihnen den Buckel hinunter!« kam die Antwort zurück.

      »Und wenn die wüßten, wie's uns oft selber angst ist unter ihnen, wenn wir durch die Gassen spazieren!« sagte der erste.

      Die Thüre ging auf, und der Einspännig führte ein altes, gebrechliches Männlein an den Tisch.

      »Der ist stockblind, Herr Landrichter,« erklärte er und zog sich in seine Ecke zurück.

      »Wie heißt du?«

      »Hans Wiesendt, Euer Gnaden,« sagte der Greis und richtete die erloschenen Augen starr auf den Landrichter.

      »Gewerbe?«

      »Schlosser. Nun aber blind und verlassen.«

      »Wie alt?«

      »An die fünfundsiebenzig Jahr.«

      »Keine Kinder, die für dich sorgen?«

      »Niemand, Euer Gnaden. Leb' in der Bürgerpfründ'.«

      »Willst du dich accomodieren?«

      »Kann nichts andres mehr lernen, Euer Gnaden, in meinem hohen Alter.«

      »Dann mußt du fort, aus der Stadt. Ueberleg dir's, ich rate dir gut.«

      »Kann nichts andres mehr lernen, kann nicht, Euer Gnaden.«

      »Du jammerst mich,« sagte der Landrichter, und seine Stimme klang gewaltig. »Drum, noch einmal, – überleg dir's!«

      »Kann nichts andres mehr lernen. Will leben und sterben bei meiner Religion. Mir geschehe, was sein muß.«

      »Schreiben!« befahl der Vorsitzende und strich den schwarzen Knebelbart. »Hans Wiesendt, Schlosser, blind und verlassen, erklärt, dennoch bei seiner Religion zu sterben, er könne nichts andres mehr verstehen.«

      »Lernen,« sagte der Blinde mit Nachdruck.

      »Du brauchst aber das andre gar nicht gleich auf einmal zu verstehen, armer Tropf. Kurfürstliche Durchlaucht hat schon Geduld mit dir,« erklärte der Landrichter.

      »Armer Tropf?« Der Blinde richtete sich gerade auf, stützte sich fest auf seinen Stab und starrte ins Leere. »Hat Euch der Herr Kurfürst aufgetragen: ›Wenn der blinde Wiesendt vor dich geführt wird, hernach thu ihm auch noch extra einen Schimpf an, Landrichter!‹ –?«

      »Ab!« sagte der Landrichter, stützte die Ellbogen auf das grüne Tuch und legte vornehm die Fingerspitzen aneinander, Daumen gegen Daumen, Zeigefinger gegen Zeigefinger – alle zehn. »Der nächste!«

      Der Einspännig führte den Blinden hinaus, der erste Schreiber am grünen Tische aber flüsterte: »Bei dem hab' ich, meiner Treu, keinen Angstschweiß gesehen.«

      »Das arme Hascherl kann halt nimmer schwitzen,« raunte der andre, lächelte selbstgefällig über seinen Witz und schnitt an seiner Feder.

      »Sabina Scharfin, Hufschmiedshausfrau!« rief der Einspännig, und eine lange Frauensperson СКАЧАТЬ