Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen. August Sperl
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Читать онлайн книгу Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen - August Sperl страница 39

Название: Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen

Автор: August Sperl

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075831439

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СКАЧАТЬ bleib, dann lassen sie mich meine Straf absitzen, und dagegen kann mir auch der Kurfürst von Sachsen nit helfen. Derweilen ist aber mein Enkelkind schutzlos und verlassen, und es ist denen Jesuitern gar leicht, wenn etwa ihr Stündlein kommt, das Kind mit ihnen fortzunehmen. Und wenn ich aber mit dem Maul nachgeben thät, könnt ich's dann nit erretten?«

      Alles dieses hab ich bei mir beweget, und wenn ich's heut recht bedenke, so hab ich auch an meine sauer erworbenen Güter gedacht und daß ich die meinem Enkelkind zusammenhalten müßt.

      Am andern Morgen steht vor meiner Lagerstatt ein Junker in schönen Kleidern, der legt ein beschrieben Blatt auf die Bank, langt eine zugeschnittene Feder aus seinem Wams, stellt auch ein Tintenhorn daneben und geht wieder fort.

      Ich hab das Blatt genommen und gelesen:

      Ich Jörg von Kerdern bekenne und thue kund allen denen, die diesen Brief lesen, daß ich mit gesunden Sinnen meinen lutherischen Ketzerglauben abgeschworen habe und den rechten, alleinseligmachenden katholischen Glauben angenommen habe. Deß zur Urkund hab ich meine eigenhändige Namensunterschrift hierhergesetzet und mein eigen Insigul dazu gedrucket.

      Nein, hab ich mir gedacht, hab das Blatt genommen, in ganz kleine Stuckeln zerrissen, das Fenster aufgemacht und in den Wind gestreuet.

      Jetzt ist's ruhiger worden in mir. Aber es hat nit lang gewähret, dann sind die alten Gedanken wieder kommen. Und sie sind stärker gewest als ehevor, und wie's Abend worden ist, hat's mich reuen wollen, daß ich nit unterschrieben hab, und wie am andern Morgen der Junker wieder kommen ist und wieder so ein Papier hingelegt hat, da hab ich die Feder tief eingetunkt und hab meinen guten Namen daruntergesetzt und mein Insiegel in spanisch Wachs daneben gedruckt.

      Hernach aber sind friedlose Tage kommen. Etzliche Wochen lang bin ich noch krank gelegen drunten im Jesuiterkloster. Und es war mir nach dem Unterschreiben viel ärger geworden. Und das Fieber hat mich gehabt Tag und Nacht, und böse Träum haben mich geängstiget, und wenn ich wach gewest bin, ist mir's noch viel schwerer im Herzen gewest, weil's dann kein Traum mehr war, sondern die Wahrheit.

      Wie ich wieder gesund bin worden, hat mich der durchlauchtige Herr Herzog in Gnaden entlassen, hat mir zu meinem Richteramt noch das Umgelderamt zugeleget, und ich bin heimgereiset.

      Es ist ein Samstag gewest, wo ich zur Nachtzeit im Städtl eingefahren bin, und war eine finstere Nacht. Die Lies hat mich mit Freudengeschreie empfangen, und der kleine Hans ist an mir hinaufgesprungen und hat gesagt: »Jetzt bleibst du aber auch ganz da, Großvater. Der Herr Pater hat's versprochen. Schau, was mir der Herr Pater geschenkt hat.« Und mit dem zieht er ein hölzern Muttergottesbildlein mit dem Kind aus seinem Wämslein, macht's Kreuz und küßt's dreimal.

      Ich hab nichts sagen können, hab ihn an der Hand genommen und bin in die Stuben hinein. Da hängt hinter der Thür, ganz tief drunten, ein Weihkessel, und der Hans tunkt sein Händlein hinein und macht wieder das Kreuz. »Großvater«, sagt er, »thust du dich nit auch besprengen, daß du in Himmel kommst? Die Lies thut's auch immer nit.« Jetzt hab ich eine Thränen verdruckt und bin mir gar elend und erbärmlich vorkommen. Die Lies aber hat zum reden angefangen und hat mir verzählt, wie daß der Kommissar seit vierzehn Tägen fort wäre, daß sie den Hans alle Tag zum Pater holen, ungeacht ihres Sträubens, und wie sie den Weihkessel mit harten Bedrohungen hereingehängt haben. »Ja, Herr, alle Wohlgesinnten warten mit Schmerzen auf Euch, zumalen der Superintendent Böheimb im Sterben liegt. Viele aber haben ihren Glauben abgeschworen, weil die Bedrängnis zu groß ist. Und auch von Euch, Herr, hat man ein Gered ausgesprengt, ich aber hab's gar nit geglaubt. Weil Ihr nur wieder da seid. Und der Wildauer ist auch nit lang Sekretarius gewest. Er hat dem Kommissarius viel Geld genommen und ist bei Nacht entwichen, und Euer Schwester ist hernach mit ihren Kindlein ins Elend gejagt worden, weiß niemand, wohin sie sich geflücht hat.« – –

      Ich hab an demselbigen Abend das Kind bald in sein Bettlein bringen heißen, und wie ich allein gewest bin, schau ich zum Fenster in die Nacht hinaus. Hör ich drunten zween Mannspersonen vorübergehen, von denen sagt der eine: »Ihm ist wohl, uns aber ist übel. Er ist ein frommer Priester gewest vor dem Herrn. Gottes Segen über ihn in der Ewigkeit.« – »Amen,« sagt der andere. »Und wohl thut's mir im Herzen, daß er das mit unserm Richter nimmer erlebt hat; das hätt ihm sein Sterbstündlein schwer gemacht. Da muß doch der Satan seine Händ mit im Spiel gehabt haben. Es kann nit anders sein. Auf den alten Jörg hätt ich Stein und Bein geschworen.« »Ja,« sagt der andere, »du weißt aber auch nit, wie sehr sie ihn etwan in Neuburg drangsalieret haben.« Damit sind sie um die Ecken gewest.

      Ich aber hab mich in meinen Stuhl gesetzt und lang darüber nachgedacht, wie das alles so kommen wär. Und da hab ich mir gewünscht, es möcht doch meine Hausfrauen selig noch leben. Hernach aber hab ich mir mein Bibelbuch hervorgeholt und hab das Lesen versucht. Hab lang gelesen, aber keinen Trost funden; es sind mir alle Wort wie Schwerter ins Herz gefahren.

      Am Sonntag in der Fruh ist der Pater Strobel in meine Stuben kommen, hat ein honigsüßes Gesicht gemacht und mir die Hand geben, hat gesagt, daß er und alle wohl Affektionierte eine große Freude hätten und daß einem so respektablen Manne gar viele nachfolgen werden (und so ist's auch kommen). Und dann hat er viel vom Hans geredet, wie der ein braver Bub wär und alle Tag zunähm. »Ihr werdet's heut im Hochamt sehen, was der brav ministrieren kann.«

      Ich hab dem Menschen gar wenig geantwortet und viel Pein gelitten.

      Wie's hernach Zeit geworden ist, bin ich in die Kirchen gangen. Auf der Gassen hab ich nit rechts und nit links geschaut und hab mich geschämt. Alle ansehnlichen Burger sind mir ausgewichen, allein schlecht Gesindlich hat mich mit viel Freud gegrüßt und haben sich nahe an mich heran gemacht. Und ich hab zu mir in meinem Herzen gesagt: hilft dir alles nichts, du gehörst jetzt zum argen Haufen, der seine Ehr und seinen Glauben um irdischer Respekt willen verkauft.

      In der Kirchen hab ich mich in meinen Stuhl gesetzt, wo gleich daneben meines Geschlechts Erbgruft ist. Und es hat mir gedünket, als schaute mich der Ahn gar wild an mit seinem Steingesicht. Da hab ich mich trösten wollen in meinem Herzen, daß der auch ein Katholischer gewest war; aber das ist nit gangen und hat mir keinen Trost bracht; denn ich hab mir sagen müssen, daß der um seines papistischen Glaubens willen seine Güter und sein Vaterland mit dem Rücken angeschauet hat, ich aber hab ja meinen Glauben verkauft wie ein alt Wams. Und ich hab in einem fort hinschauen müssen, und seine Augen haben mir ins Herz gefressen. Hernach ist das Hochamt gewest, und mein Bub hat dem Pater ministrieret. Ich aber hab nit weinen und hab nit beten können. Wie das Amt aus gewest ist, haben's einen Prozessionsgang in der Kirchen gemacht, das Rauchfaß geschwenket und der heiligen Jungfrau gedankt, daß wieder einer den Ketzerglauben abgeschworen hat. Und der Mensch war ich. – –

      Jetzt ist ein harter Winter kommen. Ich bin im Herzen lutherisch gewest, und mit dem Maul hab ich papistisch beten müssen. Ich hab es nit verhindern können, daß der Hans alle Tag zum Pater geloffen ist. Da hab ich es zuerst versucht und hab ihm am Abend immer wieder das ausgeredet, was er am Tag gehört gehabt hat. Aber gar bald hab ich gesehen, daß ich's so nit anstellen darf, wenn ich ihn nit verderben will. Da hab ich zuletzt geschwiegen und geseufzet. Ich mußt auch dem Pater von Amtswegen Beistand leisten, wenn sich etwan einiger Widersatz gegen ihn begabe. Und das war mir hart über die Maßen. Ist mein alleiniger Trost gewest, wann ich hab recht viel zu thun gehabt, wie dann das alt Sprüchwort wahr ist, wo's heißt:

      Arbeit und Fleiß das sind die Flügel,

       So tragen über Strom und Hügel.

      Ist wahr und ist doch auch nit wahr, maßen bei mir der Strom gar zu tief und der Hügel ein großer Berg gewest ist, über die ich nit hab hinüber kommen können, weilen sie mein schlecht Gewissen gewest sind.

      Weiß aber nit, was für ein End dieses alles genommen hätt, wenn mir nit unser Herr СКАЧАТЬ