Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen. August Sperl
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Название: Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen

Автор: August Sperl

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075831439

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СКАЧАТЬ Eck aufmachen solltet. Thut mich retten. Die nackte Not hat mich zu Euch hertrieben.«

      »Hans,« sag ich, »das mit der Amtskasse hab ich besser nit gehört. Was ist's. Zu was brauchst du die fünfzig Gulden? Da steckt etwas Böses dahinter.« Und ich tret näher an ihn heran und schau ihn scharf an. »Hast du die fünfzig Gulden notwendig, damit du was verdeckst?«

      Ich weiß selber nit, wie ich da drauf gekommen bin. Aber der Hans ist käsweiß geworden und hat gesagt:

      »Vetter, ich sag's nit, aber es wird Euch reuen. Ich bin nit herkommen, daß ich mir eine Predigt halten laß, sondern daß ich mich rette. Wollt Ihr mir das Geld geben oder nit? Denkt daran, daß ich immer noch Euer Schwestersohn bin.«

      Denk ich mir, daß ich ihn bei denen Worten packen könnt und sag: »Ja, du bist der leibliche Sohn von meiner Schwester, und weil du dasselbige Blut hast wie ich, so thut's mir leid, daß du so verkommst. Sag mir, zu was du das Geld brauchst. Du hast was auf deinem Gewissen. Sag mir's, ich will schauen, ob ich dir helfen kann, wenngleich ich keine zehn Gulden baar daliegen hab. Vielleicht kann ich gutstehen für dich. Aber wissen muß ich's, zu was du's brauchst.«

      »Vetter,« sagt er und schaut mich wild an, »da steh ich, und da hinten steht Euere Amtskasse. Gebt mir das Geld. In zwei Stunden muß ich's haben.«

      »Nein,« sag ich. »Ich hab's nit, und wenn du mir's nit sagen kannst, zu was du's brauchst, hernach ist's sicherlich eine große Schlechtigkeit.«

      Da stößt der Hans seine Jagdflinten auf den Fußboden und sagt langsam, indem daß er mich wild anschaut:

      »An die Stund werdet Ihr noch denken, Vetter.«

      Und damit ist er zur Thür hinausgangen.

      Ja, ich hab noch oft an die Stund gedacht. Der Hans hat recht gehabt. Aber mein Trost ist allzeit der gewesen, daß ich's nit anders gemacht hätt und nit anders hätt machen können, auch wenn ich alles voraus gewußt hätt.

      Jetzt hab ich genug gehabt und ist mir's zu eng geworden in der Stuben. Ich bin in den Schloßhof, hab mein Enkelkind an die Hand genommen und bin durch die kleine Schloßpforte hinten hinaus in die Felder gegangen.

      Da draußen war alles so schön, und die Felder sind so prächtig gestanden, als wär eitel Frieden auf der Erden und als wenn's keinen Neuburgischen Vizekanzler und keinen Religionshader und keine ungeratenen Menschen gäb.

      Wie wir eine Weile gehen und wie mir das Herz immer schwerer wird, währenddem mein kleiner Hans Blümelein sucht und Feifalter fängt, kommt gegen uns her der alt Superintendent Böheimb. Der hat den Kopf mit den weißen Haaren noch tiefer als sonsten getragen, und ich hab's ihm gleich angemerkt, daß er die böse Botschaft auch schon wüßt. Wir haben uns die Hände geben. Dann hat er gesagt: »Lieber Jörg! Jetzt wird sich's einmal weisen müssen, was einer für Nutz gethan hat. Vierzig Jahr hab ich jetzo Gottes Wort an dem einen Ort gelehrt und denk mir wohl, daß ich inner der nächsten Zeit in ein groß Examen geh. Solches hab ich nimmer erwartet in meinen alten Tagen. Ja, das letzte Examen, das hab ich wohl alleweil vor Augen gehabt und hab mir gar viel auf die Gnade des Heilands zu gut gehalten. Hab demütig vor unsern Herrgott hintreten wollen und bin, wenn ich's recht bedenk, wohl doch stolz gewest auf das, was ich inner der vierzig Jahren gethan hab: ist mir seltsam, wie viele Winkel das menschliche Herz hat, so einer selber nit kennt. Ich fürcht mich vor der Prüfung, so die Neuburgischen jetzo mit mir und meinem Werk anfangen werden. Zwar für mein eigene Person ist's mir nit leid; mich könnten sie meinethalben morgen ins Elend treiben, dieweil es allerorten auf Erden ganz gleich weit in den Himmel hinauf ist. Aber, Jörg, ich sag Euch, das wird wohl, soviel ich die Menschen kenne, einen schreckhaften Abfall geben, und darauf hab ich große Angst. Jetzt wird's bald heißen, wie anderer Orten auch, Ehr und Hab und Gut mit Unehr und mit dem Bettelstab eintauschen – oder papistisch werden. Und da werden gar viele, die bis jetzt gedacht haben, daß sie gut lutherisch sind, auf einmal die Sach von einer andern Seiten anschauen. Da kommen dann die irdischen Respekt auf Weib und Kind, und viele schwere Gedanken machen den geraden Weg dunkel. Anreizungen und Bedrängnisse werden zusammenhelfen, und bald wird's so sein, daß nur grad keiner anfangen mag, weil's ja der Nachbar auch noch nit than hat. Dann wird dann bloß einer das Exempel geben dürfen, damit die andern alle nachlaufen. Ja, Jörg, in dem Feuer werden nit viel bleiben. Nit als ob unsere Sach schwach wär; aber die Menschen sind schwach, allenthalben dieselbigen.

      Da ist mir's jetzt ein großer Trost gewesen, daß ich just Euch zuerst gesehen hab, wie mir das alles durch den Kopf gegangen ist.«

      Und dann hat er mir die Hand gedruckt und ist weiter gegangen. Ich hab nichts gesagt. Aber es ist mir auf einmal ein starker Muth ins Herz gezogen, ich hab mich höher aufgerichtet und hab mir mit leiser Stimm den Vers gesungen:

      »Und wenn die Welt voll Teufel wär

       Und wollt uns gar verschlingen,

       So fürchten wir uns nit so sehr,

       Es soll uns doch gelingen. – –

       Nehmen sie den Leib, Gut, Ehr, Kind und Weib,

       Laß fahren dahin. Sie habens kein Gewinn,

       Das Reich muß uns doch bleiben.«

      Der das zuerst gesungen hat, der hat gewußt, was um die Anfechtung ist, und hat sie bezwungen. Warum sollten wir sie nit auch bezwingen?

      So kriegt einer gar oft einen großen Mut, wenn ein anderer mit einem traurig gewest ist. Es ist grad, als ob's leichter zum tragen wär.

      Indem sind wir auf den Fleck kommen, wo meine eigenen Grundstück anheben, wo ein Acker am andern, eine Wiesen an der andern liegt bis weit hin zu dem Föhrenwald drüben, der auch mir zugehört, wohl an die dreihundert Tagwerk.

      An dem Fleck bin ich oft gestanden mit meiner seligen Hausfrauen, und da haben wir uns immer gefreut, wenn ein neues Äckerl ums andere hat hinzu gekauft werden können, und gar oft haben wir hinübergeschaut auf die böheimischen Berge, und ich hab meiner Katharina von den alten Geschichten erzählt und hab meine Freud gehabt, daß der Stamm jetzt im fremden Land so gute Wurzeln getrieben hat. Und wenn wir dann wieder heimwärts gangen sind, so hat von drüben her das Wildauer Schloß geschauet, und haben wir gewußt, daß da ein Weib im Glück sitzt, meine Schwester. Wie ich das jetzt alles denk, muß ich mich umschauen; da ist das Schloß am alten Fleck gestanden, aber ich bin alt geworden, und alles ist anders als ehevor. Meine Hausfrau ist tot, der alte Wildauer ist tot, und das Unglück hat sich zu seinem Weib an den Herd gesetzt; überall draußen ist Krieg und Totschlag, mein Jörg ist verschollen, und jetzt wollen sie uns auch noch unsern Glauben nehmen. Da ruf ich mein Enkelkind, das ist das einzige, was ich hab; das kommt herzu und fragt mich, ob wir heimgehen. »Ja, Kind«, sag ich, »wir wollen heimgehen,« und murmel zwischen den Zähnen:

      »Und wenn die Welt voll Teufel wär.«

      Ich wollt mein Enkelkind heimführen und hernach zu meiner Schwester nach Wildau gehen. Denn ich hab immer wieder an dem Hans sein Begehr denken müssen.

      Wie ich jetzt ins Städtl komm, seh ich vor dem Rathaus einen großen Haufen von denen Burgern, Weiber, und Kinder, und wie sie mir Platz machen, liegt da ein toter Mann mitten auf der Straßen auf einer Tannzweigbahren. Frag ich die Leut, was denn das wär; ich konnt's auch nit erkennen, ob der Mann aus dem Ort wär, weil sein Angesicht voll Blut und Geschmötz war. Antwortet der Burgermeister, das wär der Conntz Schwarz, den hätt die Wurzenliesel im roten Holz gefunden und der Hirt Andres hätt ihn auf der Bahre heraufgetragen, weil sie nit gewußt hätten, was Gerichtsbrauch wär. Er müßt erschossen worden sein.

      Währenddem СКАЧАТЬ