Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen. August Sperl
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Название: Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen

Автор: August Sperl

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075831439

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СКАЧАТЬ mögen abgeholt werden bei . . .« (Folgte der Name eines Buchbinders, der in der Hauptstraße seinen Laden hatte.)

      »Kind,« sagte der Vater und legte seine Hand auf die Locken des Knaben, »nenne deinen Namen! Ich spotte nicht, ich will deinen Vater morgen besuchen. Vielleicht kann ich etwas für ihn thun. Wo wohnt ihr?«

      Da schlug der Knabe die dunklen Augen auf und hauchte: »In der Schwaige Nummer 28 über fünf Treppen.«

      »Und wie heißest du?«

      »Hans Kerdern vom Walde.«

      Tief ergriffen gingen wir des andern Tages zur Abendzeit wieder durch die belebten Straßen in unser Gasthaus zurück.

      Wir waren zweimal draußen gewesen in dem fünfstöckigen Hause auf der Schwaige, vormittags und nachmittags. Der Vater hatte viel mit dem armen Manne gesprochen. Der hatte ihm seine traurige Geschichte erzählt bis zu dem Tage hin, an dem wir vor zwei Jahren seiner Kutsche begegnet waren. Dann hatte er uns von seinen Kämpfen ums Brot erzählt, von seinen Anstrengungen, sich einen Verdienst zu verschaffen, und von den bitteren Erfahrungen, die er dabei hatte machen müssen. Alles hatte er versucht; seine Frau und seine Kinder pappten für ein großes Geschäft um kärglichen Lohn Schachteln aus bunten Kartons, er schrieb für einen Rechtsanwalt, und zuletzt hatte er eine alte, halbvergessene Kunstfertigkeit hervorgeholt und sich auf die Wappenmalerei verlegt.

      Wir waren voll Hoffnung, daß durch unsere Verbindungen eine dauernde Besserung seiner Lage zu ermöglichen wäre. Den kleinen Hans aber wollten wir gleich am nächsten Tage mit uns nehmen. –

      Ganz zuletzt hatte ich mich an unsere Fahrt erinnert und den Vetter gefragt, ob er vielleicht noch alte Urkunden in seinem Besitze habe.

      Er hatte es verneint, dann aber hinzugesetzt: »Eine alte Schrift habe ich allerdings. Aber sie ist nicht auf Pergament oder Papier geschrieben.«

      Seine Frau reichte ihm eine verrostete Sturmhaube herab von der Wand, wo sie mitten unter ärmlichen Holzschnitten hing.

      Es war eine Haube, wie sie das Fußvolk im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert trug; sie hatte einen schweren Nackenschirm und zwei breite Backenschirme. Kerdern wandte sie um und schlug ihr altes Lederfutter heraus. »Hier!« sagte er und deutete auf ein paar Zeilen, die unbeholfen in ein Bleiblättchen geritzt waren. Wir lasen mühsam:

      »Wenn sie mir gleich die Eissenhawben

       vomm Haubte werffen vnndt mein

       stähelin Krebs in stuckh schlagen,

       vnndt wenn sie mir das schwerdt

       zerbrechen, hernach nehm ich dich, Herre

       Gott zum schildt vnndt kempf nackendt

       vnndt werdt obsiegen.

       Jörg Kerdern, Fehendrich.«

       * * *

      Schweigend nahmen wir unser Nachtessen ein. Dann gingen wir zur Ruhe. –

      Ich konnte den Schlaf lange nicht finden; ich war sehr aufgeregt. Erst gegen Morgen fiel ich in einen unruhigen Halbschlummer. Da kamen die Träume, und ich erlebte alles, was ich heute aus dem Munde des unglücklichen Mannes gehört hatte.

      Ich war draußen im Walde. Der Föhn fuhr tosend durch die Tannen. Der Schnee schmolz, kleine Bäche flossen thalabwärts. Der Tag brach an, schwerfällig und verdrossen, die Wolken flogen in Eile über die Waldberge und über das alte, feste Haus der Herren vom Walde. Ich sah den großen, schwarzen Falken auf dem Steinschild über dem Thore, und wiederum war mir's, als ob der Knabe vor mir säße im Weinhause auf dem blauen Sammetsessel und sagte: »Wappen, meine Herren, Wappen von allen Adelsfamilien und von allen bürgerlichen Geschlechtern!« Und knarrend öffnete sich die Thüre des Weinhauses, und draußen stand die Mutter des Kindes und wartete – – ach nein! jetzt sah ich richtiger! Ich war ja draußen im Walde. Das große Hofthor öffnete sich knarrend, sechs Holzschlitten fuhren in den Morgen hinein, bergan. Ich hörte die Peitschen knallen, die Knechte schreien. Und ich sah auch den Herrn, wie er neben den Pferden des letzten Schlittens einherschritt. Er knallte nicht mit der Peitsche, er schrie auch nicht.

      Der Föhn wehte in kurzen Stößen, die Tannen rauschten drohend, das fahle Licht des Tages schien herab auf den schmutzigen Schnee.

      Ich schlief und träumte. Die Schlitten waren droben auf der Höhe. Hei, wie weit sieht man von dieser Höhe hinaus ins Land!

      Die Rosse stehen still und atmen heftig. Der graue Dampf dringt aus ihren Nüstern hervor, der Wind weht ihn fort mit sich.

      Rings umher liegen mächtige Eichenstämme, entästet. Die Schlitten werden auseinandergeschoben, die schweren hundertjährigen Stämme werden langsam emporgewunden, die Knechte schreien, der Föhn braust.

      Ich liege zwischen Schlafen und Wachen, und es entwickeln sich die Bilder weiter und weiter.

      Vor allen andern arbeitet der Herr mit fieberhafter Hast. Er spricht kein Wort, aber seine Brust keucht. Wie ist mir denn in meinem Halbschlummer? Hat er nicht die Sturmhaube auf dem Kopfe? Nein, ich habe mich getäuscht! Sein Hut liegt auf dem Schnee, und seine dunkeln Haare flattern im Winde.

      Der Wald da droben war ehedem sein schönster gewesen. Er hatte ihn geschont gleich einem heiligen Haine. Auch seine Vorfahren hatten ihn immer geschont. Jetzt hat er fallen müssen; denn sein Holz ist schön und gesund bis ins Mark. Er will seine Schulden damit bezahlen. Er will sich retten. Das Messer sitzt ihm an der Kehle. Da hat er neulich von der großen, gewinnbringenden Holzlieferung gelesen. Er hat die Falle nicht gemerkt, die ihm die Helfershelfer seiner Feinde stellten. Der Wald soll ihn retten, und gerade er wird ihn verderben.

      Ich wache auf und denke darüber nach, wie er so thöricht hatte handeln können. Wie durfte er hoffen, das Holz in so kurzer Zeit von den Bergen herabzubringen? Es ist ja eine Lieferung mit festgesteckter Frist. Wenn er sie nicht einhält, dann muß er eine hohe Strafe bezahlen.

      Ach, er ist am Ertrinken und greift nach dem Strohhalm.

      Weiter träume ich und stehe auf der Bergkuppe und schaue hinunter ins Thal.

      Ei, wie stattlich das alte, große Haus daliegt mit seinem behäbigen Dach und mit den grünen Fensterläden! Der Föhn braust, der Frühling wird ins Land kommen. Jawohl, er wird kommen. Aber sieh' hin! Auf dem Dache da drunten sitzt ein graues Weib, siehst du, wie ihre Haare flattern? Siehst du ihre Züge, ihre gramvollen Züge? Es ist Frau Sorge.

      Auch der Herr hält einen Augenblick inne und schaut hinab auf sein Haus. Er sieht das Weib, wie ich es sehe. Seine Knechte sehen nur den grauen Rauch, der aus dem Schlot steigt, und denken an die Morgensuppe. Der tosende Wind zerreißt den Rauch und treibt seine Fetzen gegen den Berg.

      Vor der Seele des Herrn steht der entsetzliche Termin. Die Stämme müssen ins Thal. Noch hat er drei Tage Zeit. Es sind viele, viele Stämme, aber es kann gelingen. Es muß gelingen. Er ist ja selbst heraufgekommen. Es muß gelingen.

      Der Schweiß rinnt ihm von der Stirne. Hoh, hoh – hub! Hoh, hoh – hub! tönt's über den Platz, und die Winden rasseln, die Rosse stampfen.

      Langsam geht der Zug thalwärts. Es ist eine böse Fahrt. Tief ausgehöhlt und steil und eng ist der Weg. Die Pferde legen sich mit ihrem ganzen Gewichte zurück, die Knechte schreien und fluchen.

      Neben СКАЧАТЬ