Название: Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme
Автор: Jodocus Temme
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027238149
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An einzelnen besonderen Tagen des Jahres hat man noch folgende merkwürdige Gebräuche:
Am Neujahrstage wird vor Sonnenaufgang im Garten geschossen, damit die Obstbäume in dem Jahre reichlich tragen.
Von Neujahr bis Heiligen drei Königstag darf kein Dünger ausgefahren werden; denn um diese Zeit sind die Wölfe gerade am schlimmsten, und sie würden durch den Geruch frischen Düngers herbeigelockt werden.
Auf Lichtmessen, wie überhaupt an jedem Marientage, darf kein altes Zeug geflickt werden, weil sonst die Hühner Windeier legen.
Wenn auf Lichtmessentag die Sonne auch nur einen Augenblick hell am Himmel scheint, so gedeihen das Jahr die Bienen gut. Scheint sie aber gar nicht, so ist das für die Bienenzüchter ein schlimmes Zeichen.
Die Bauern haben für Lichtmeß folgenden Vers:
Lichtmessen hell und klar,
Giebt ein gutes Kornjahr,
Lichtmessen dunkel,
Macht den Bauern zum Junker!
(d.h. er hat dann nichts zu thun, zu dreschen.)
Auf Fastnacht darf nicht gesponnen werden; das an diesem Tage gesponnene Garn würde doch nur wieder verschwinden.
Am Charfreitag muß der Hofhund ein Butterbrod bekommen, worin ein Kreuz geschnitten ist. (Eine Bedeutung dieses Gebrauchs ist nicht zu ermitteln gewesen.)
Wenn an den drei hohen Festtagen, Ostern, Pfingsten und Weihnachten, Jemand in der Nacht aufwacht, so nimmt er ein Gesangbuch, schlägt es auf, und legt es offen wieder fort. Am anderen Morgen sieht er nach, was für einen Gesang er aufgeschlagen hat, um daraus sein künftiges Schicksal zu ersehen. Ist der Gesang ein Sterbelied, so muß man noch in demselben Jahre sterben; ist es ein Tauflied, so läßt man noch in demselben Jahre taufen oder steht Gevatter. Ist der Gesang von anderem Inhalte, so sucht man danach das Schicksal des Jahres zu bestimmen.
Am Ostermorgen muß man früh aufstehen und einen Eimer mit Wasser auf den Hof setzen. Wenn man in diesen hineinblickt, bis die Sonne aufgegangen ist, so kann man darin das Osterlamm erblicken. Man sieht sogar seine Bewegungen in dem Wasser.
Am Walpurgisabend werden alle Thüren an Häusern und Ställen bekreuzt, um das Vieh vor den vorüberziehenden Hexen zu bewahren.
Wenn man in der Walpurgisnacht die abziehenden Hexen sehen will, so muß man sich unter eine Hechel oder Egge setzen, deren Stacheln und Zacken aber rückwärts stehen.
Wenn am ersten Maitage die Kühe ausgetrieben werden, so legen einige Leute Ketten und Stricke vor die Schwelle des Stalles, andere aber ein frisches Ei mit einem Beile, welches beides mit einem frischen Rasenstücke bedeckt wird. Wenn nun das Vieh über diese Sachen hinwegschreitet, so wird es sich gut halten und es kann ihm nichts angethan werden.
Am Abend vor Pfingsten werden junge Birkensträuche, Maien genannt, geholt, womit die Stuben und besonders die große Diele (Tenne) ausgeschmückt werden. Später werden diese Maien sorgfältig aufbewahrt und beim Röthen auf den Flachs gelegt, wodurch dieser fester wird.
Zum Theil mündlich, zum Theil aus den Acten des Altmärkischen Vereins für Geschichte und Industrie.
Besondere Gebräuche bei Entbindungen und Kindtaufen in der Gegend von Lagendorf (einem Theile des Hans Jochen-Winkels.)
Sobald das Kind dem Mutterschooße entwachsen ist, wird es von der Hebamme in ein Laken gewickelt. In eine Schürze oder in ein Tuch darf man es nicht legen, weil es sonst, wenn es ein Knabe ist, in späteren Jahren zuviel hinter den Frauensleuten herlaufen, wenn es aber ein Mädchen ist, sich ebenfalls zuviel mit den Mannspersonen abgeben würde.
Wenn das Kind nun so gewickelt ist, so wird es von der Hebamme stillschweigends unter den Tisch auf die bloße Erde gelegt, wo es so lange liegen bleibt, bis die Wöchnerin zu Bette gebracht ist; dadurch wird es ruhiger und frommer, und es wird nicht soviel schreien.
Ist die Mutter ins Bett gebracht, so wird das neugeborne Kind gebadet und dann ordentlich gewickelt. Bei diesem ersten Wickeln und Anziehen darf aber keine neue Mütze und kein neues Hemdchen gebraucht werden, weil sonst das Kind später zuviel Zeug zerreißen würde. Zum zweiten Anziehen kann man ohne Schaden neues Zeug gebrauchen.
In der ganzen Zeit bis zur Taufe muß das Kind sorgfältig vor Verwechselung durch die Unterirdischen gehütet werden; deshalb wird das sogenannte »Wort Gottes«, d.i. ein Blatt aus der Bibel oder aus dem Gesangbuche, entweder mit in die Windeln gewickelt, oder in die Wiege gelegt.
Damit nun aber auch dann, wenn die Mutter das Kind zu sich ins Bette nimmt, die Unterirdischen nicht Gewalt über dasselbe bekommen, muß in der ganzen Zeit bis zur Taufe unter dem Kopfkissen der Wöchnerin ein Gesangbuch liegen.
Wenn Nachbarinnen oder Anverwandte die Wöchnerin besuchen, so müssen sie zuerst zu der Wiege gehen, dem Kinde das Gesicht aufdecken und zu ihm sprechen: Gott segne es! Erst dann dürfen sie zu dem Bette der Mutter gehen und mit dieser sprechen.
Wenn bei einem solchen Besuche eine Nachbarin zufällig ihre Regel haben sollte, so muß sie es ja gleich der Wöchnerin sagen; denn wenn diese über den Platz der Nachbarin schreiten würde, so würde sie sicher gefährlich krank werden.
Wenn die Mutter während der Taufe des Kindes recht fleißig in der Bibel und im Gesangbuche lieset, so wird auch künftig das Kind leicht lesen lernen.
Eben dasselbe wird auch der Fall sein, wenn es dem ältesten Taufpathen, während er das Kind über die Taufe hält, gelingt, einige Worte aus der Agende des Predigers über den Kopf zu lesen.
Werden zwei Kinder zugleich in der Kirche getauft, so darf dies mit demselben Taufwasser nur dann geschehen, wenn beide von gleichem Geschlechte sind. Sind sie dies nicht, und es wird nicht jedes mit seinem besonderen Taufwasser getauft, so würde der Knabe künftig den Frauensleuten nachlaufen, das Mädchen aber einen Bart bekommen.
Wenn das Kind während der Taufe und so lange es in der Kirche ist, sich ganz ruhig verhält und kein einziges Mal schreit, so ist das ein schlimmes Zeichen, und das Kind wird bald sterben.
Nach der Taufe, wenn die Hebamme und die Gevattern mit dem Kinde nach Hause zurückkehren, nimmt es an der Hausthüre der jüngste Gevatter, und läuft damit, so schnell er kann, über die große Diele nach der Stube der Wöchnerin; dadurch wird das Kind tüchtig flink werden.
Gleich nach der Taufe dürfen die Gevattern ihre Nothdurft nicht verrichten, sonst wird das Kind unrein liegen.
Die Mutter darf bis zu ihrem Kirchgange nicht spinnen; denn da sie dabei die Finger mit ihrem Speichel nässen müßte, so würde dies zur Folge haben, daß das Kind aus dem Munde geifert.
In dem Hause, in welchem ein Kind geboren ist, darf ein ganzes Jahr lang kein junger Hund und keine junge Katze aufgezogen werden; denn es kann nur Eins gedeihen, entweder das Kind oder das Vieh. Kälber, Ferkel und Lämmer schaden aber nicht.
Acten des Altmärkischen Vereins für Geschichte und Industrie.