Название: Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme
Автор: Jodocus Temme
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027238149
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Der Kellner kannte ihn.
»Bernhard!«
»Herr Becker!« sagte der Bursche.
Er durfte es sagen.
»Herr Becker, was macht die Kranke?«
Es war auch die erste Frage des Burschen.
Der Kellner teilte ihm mit, dass es nicht gut um die Kranke stehe.
Bernhard machte ein bedenkliches Gesicht zu der Nachricht.
»Der Herr Mahlberg will zu ihr. Er will sich nicht mehr zurückhalten lassen. Und der Herr von Schilden ist auf dem Wege hierher.«
»Und wo ist der Herr Mahlberg?« fragte der Kellner.
»Drüben im Berge mit dem Herrn Baron. Ich habe sie in einer Schlucht verborgen.«
»Und wo ist der Herr von Schilden?«
»Er muss bald hier sein. Ich war die Nacht im Gebirge, um mich nach ihm umzusehen. Er hatte seine Leute nach allen Richtungen ausgesandt, um die Spur des Domherrn und der Kranken zu suchen. Gegen Morgen hatten sie sie gefunden; ein Wagen mit zwei Herren und seiner kranken Frau war zwischen Karlshafen und hier über die Diemel gesetzt und dann in der Richtung nach Hofgeismar oder hierher weiter gefahren. Ein Gendarm jagte mit der Nachricht sofort nach Karlshafen, wo der Herr von Schilden darauf wartete. Vor zwei Stunden kann er sie erhalten haben. Ist er dann sogleich abgereist, so kann er in einer halben Stunde hier sein.«
»Weiß der Herr Mahlberg das alles?« fragte der Kellner.
»Ich musste es ihm mitteilen.«
»Und er will dennoch hierher? Er wird auf der Stelle wieder gefangen genommen werden.«
»Das sagte ihm auch der Herr Baron. Aber er erwiderte ihm, er habe sein Ehrenwort gegeben, seine Frau nicht zu verlassen; umso mehr müsse er bei ihr sein, wenn der Herr von Schilden komme.«
»Und wenn er nun erst wüsste, wie der Zustand der Kranken sich verschlimmert hat!«
»Hören Sie, Herr Becker, stirbt die Frau, so nimmt er sich das Leben. Es sei sein Tod, das hat er mehrmals zu dem Herrn Baron gesagt. Wenn ich ihm die Nachricht bringe —«
»Sprich mit dem Domherrn«, sagte der Kellner zu dem Burschen.
Bernhard ging in das Haus.
Von Hofgeismar her hörte man den Trab mehrerer Pferde näher kommen. Wenige Augenblicke darauf sprengte ein einzelner Reiter in die Schlucht; drei andere folgten ihm.
Alle vier waren Offiziere.
Der erste stieg am Hause ab, warf einem Hausknecht die Zügel seines. Pferdes zu, erblickte den Kellner.
»Louis!« rief er.
»Herr Lieutenant?«
»Louis, ich bin der Graf Thalhausen.«
»Aber der Herr Graf tragen die Lieutenantsuniform.«
»Was verstehst Du davon?«
Der Graf Thalhausen hatte ganz die kräftige Figur eines derben Kürassieroffiziers; sein Wesen war etwas mehr als derb. Es gibt Kavallerieoffiziere, die ihre Erziehung im Pferdestalle erhalten zu haben scheinen. Gegen den Kellner schien er geflissentlich übermütig zu sein.
In dem Gesichte des Kellners konnte man schon bei dem ersten Anblick des Grafen eine gewisse Verstimmung lesen. Er antwortete dann dem Grafen zwar mit vollkommener äußerer Höflichkeit, aber man sah deutlich, wie er sich Zwang dabei antun musste.
Die beiden mussten entweder schon früher etwas miteinander gehabt haben, oder sie hatten von ihrem ersten Begegnen an instinktmäßig eine Abneigung gegeneinander gefühlt.
»Was befehlen der Herr Graf?« fragte der Kellner mit jener Höflichkeit.
»Schokolade.«
»Sogleich.«
»Louis!«
»Herr Graf!«
»War der Graf Westernitz schon hier?«
»Nein, Herr Graf.«
Der Graf Thalhausen ging auf die Laube zu, in der die beiden fremden Herren sich befanden.
Der Kellner Louis ging zu dem Hause, um die Schokolade zu besorgen.
Als der Graf in die Nähe der Laube kam, blieb er stehen; er sah, dass sie schon besetzt war.
»Louis!« rief er wieder.
Auf den Ruf stand auch der Kellner.
»Herr Graf?«
»Wer ist in der Laube?«
»Zwei Herren.«
»Wer sind sie?«
»Ich weiß es nicht, Herr Graf.«
»Louis, sage den Herren, dass sie Platz machen. Die Laube gehört uns.«
»Ihnen, Herr Graf?«
»Schlingel!« fuhr der Graf auf.
Die Frage des Kellners hatte ihn allerdings verletzt.
Der Kellner wurde blass, als das Schimpfwort sein Ohr erreichte. Es zuckte in ihm auf.
»Schokolade!« riefen ihm in demselben Augenblicke die drei andern Offiziere zu, die gleichfalls am Hause abgestiegen waren und ihre Pferde dem Hausknecht übergeben hatten.
Und in der Sekunde darauf sah der Kellner eine freundliche Märchengestalt vorn Berge in das Tal niedersteigen.
Er eilte in das Haus, die Schokolade für die Offiziere zu bestellen.
Die drei zuletzt angekommenen Offiziere begaben sich zu dem ersten.
»Was hattest Du mit dem Menschen, Thalhausen?«
»Ei, der freche Bursche!« rief noch zornig der Graf Thalhausen. »Gibt er mir noch einmal eine solche Antwort, so wird er meine Klinge fühlen.«
»Hm, Thalhausen, gegen uns ist er immer höflich! Nur Ihr beiden seid keine Freunde.«
Der Graf Thalhausen fuhr von neuem auf.
»Spare Deine Worte, Freund Homberg. Ich bin nie der Freund eines Kellners, der mir aufwartet.«
»Was hattest Du mit ihm? Erzähle.«
»In unserer Laube sitzen Fremde. Ich verlangte von ihm, er solle sie hinausweisen. Da meinte er, ob die Laube uns gehöre.«
»Das war impertinent.«
»Und СКАЧАТЬ