Название: Gesammelte Werke
Автор: George Sand
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962816148
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Gewiss ist wenigstens, dass die Clorinda, welche bloß äußeres Mitglied des Konservatoriums war, große Toilette für diesen Tag gemacht hatte, und darauf rechnete, ihren Platz zur Rechten des Grafen einzunehmen. Als sie nun aber diese »bettelhafte« Consuelo in ihrem schwarzen Kleidchen und mit ihrer ruhigen Miene, dieses »garstige Ding«, welches nun doch hinfort für die erste Sängerin und für die ausgemachte Schönheit der Schule galt, sich zwischen den Grafen und Marcello setzen sah, da wurde sie hässlich vor Ärger, hässlich, wie Consuelo es niemals war, und wie unter dem Einfluss einer schlechten und gemeinen Regung, Venus selbst es werden würde.
Anzoleto betrachtete sie aufmerksam, und im Übermute seiner Siegesfreude setzte er sich zu ihr und überhäufte sie mit Fadheiten, deren spöttische Meinung sie zu begreifen nicht Verstand genug besaß, und durch welche sie sich wirklich bald getröstet fand. Sie glaubte sich an ihrer Nebenbuhlerin dadurch zu rächen, dass sie deren Bräutigam fesselte und sparte nichts, um diesen mit ihren Reizen zu berauschen. Sie war aber zu beschränkt, und Consuelo’s Freund zu pfiffig, als dass sie nicht bei einem so ungleichen Kampf hätte lächerlich werden müssen.
Inzwischen unterhielt sich Graf Zustiniani mit Consuelo und fand zu seiner Verwunderung, dass sie im Gespräche eben so viel feines Gefühl, Verstand und Anmut als in der Kirche Talent und Macht entwickelte. Sie war gänzlich frei von jeder Coquetterie, aber sie hatte in ihrem Wesen ein Etwas von fröhlicher Offenheit und gutmütiger Vertraulichkeit, wodurch sie die Herzen augenblicklich und ohne Widerstand gewann. Nach dem Mahle lud der Graf sie ein, der Abendkühle in seiner Gondel mit ihm und seinen Freunden zu genießen. Marcello wurde seiner schwachen Gesundheit wegen von der Spazierfahrt entbunden. Aber Porpora, Graf Barberigo und mehrere andere Patrizier fanden sich zur Teilnahme bereit. Anzoleto wurde zugelassen.
Da sich Consuelo ein wenig beklommen fühlte, mit so vielen Männern allein zu sein, bat sie ganz leise den Grafen, auch die Clorinda mit einzuladen, und dem Grafen, der Anzoleto’s Spiel mit dem armen Mädchen nicht durchschaute, war es gar nicht unlieb, diesen um eine andere als seine Braut beschäftigt zu sehen. Als ein leichtfertiger Charakter und ein schöner Mann, bei seinem Reichtum, seinem Theater und überdies bei den lockeren Sitten des Landes und der Zeit, ermangelte der edele Graf nicht einer guten Dosis von Geckenhaftigkeit. Der griechische Wein und der Kunstenthusiasmus hatten ihn befeuert, die Ungeduld sich an seiner »ungetreuen« Corilla zu rächen, war groß: nichts natürlicher, als dass er Consuelo den Hof zu machen gedachte. Er setzte sich in der Gondel neben sie, nachdem er alles dergestalt geordnet hatte, dass das andere Pärchen am entgegengesetzten Ende zu sitzen kam, und begann seine neue Beute auf eine sehr bedeutungsvolle Weise anzublicken.
Die gute Consuelo verstand indessen von dem allen nichts. Ihre Unschuld und Ehrlichkeit würden sich gegen die Vermutung empört haben, dass der Beschützer ihres »Freundes« so schlechte Absichten hegen könnte, aber ihre gewohnte Bescheidenheit, welche von dem glänzenden Triumphe des Tages nicht den kleinsten Wandel erfahren hatte, ließ sie dergleichen Absichten nicht einmal für möglich halten. In ihrem Herzen war und blieb nur Ehrfurcht vor dem vornehmen Herrn, welcher sie zugleich mit Anzoleto unter seine Obhut genommen hatte, und unbefangene Freude an einer Lustbarkeit, unter welcher sie keine Tücke verborgen glaubte.
Diese Ruhe, dieses Vertrauen setzten den Grafen in ein solches Erstaunen, dass er nicht wusste, ob er darin die bereitwillige Hingebung einer widerstandlosen Seele oder die Dummheit der vollkommenen Unschuld erkennen sollte. Ob aber eine Italienerin von achtzehn Jahren nicht Bescheid weiß, wusste, will ich sagen, zumal vor hundert Jahren und mit einem »Freunde« wie Anzoleto? Alle Wahrscheinlichkeit war in der Tat für die Hoffnungen des Grafen. Und dennoch konnte er die Hand seines Schützlinges nicht ergreifen, konnte seinen Arm nicht ausstrecken um ihren Leib zu umspannen, ohne dass ihn eine unerklärliche Furcht augenblicklich zurückhielt: er hatte ein Gefühl von Unsicherheit, fast Ehrfurcht, welches er sich nicht zu deuten vermochte.
Auch Barberigo fand die Consuelo sehr verführerisch in ihrer Einfalt, und er hätte sich gern bei ihr dasselbe wie der Graf herausgenommen, wenn er es nicht für eine Pflicht der Delicatesse gehalten hätte, die Absichten seines Freundes nicht zu kreuzen. Jedem das seine, dachte er, als er Zustiniani’s Augen in seinem Glanze wollüstiger Berauschung schwimmen sah; die Reihe wird auch an mich kommen. Der junge Barberigo hatte es indessen gar nicht in der Art, die Sterne anzugaffen, wenn er sich in Frauengesellschaft befand; er fragte sich, wie doch dieser kleine Schlingel von Anzoleto dazu komme, die blonde Clorinda in Beschlag zu nehmen, und er trat zu ihr, um dem jungen Tenor wo möglich begreiflich zu machen, dass es für ihn sich besser schicken würde, zum Ruder zu greifen, als mit dem Dämchen schön zu tun.
Anzoleto hatte nicht Erziehung genug, um, ungeachtet seiner scharfen Fassungskraft, sogleich beim ersten Worte den jungen Grafen zu verstehen. Überdies war sein Stolz nicht kleiner als der Hochmut der Patrizier. Er verachtete diese von Herzen, und wenn er äußerlich sich ihnen geschmeidig zeigte, so war dies nur eine Schlauheit, hinter welcher sich seine innere Geringschätzung verbarg. Da Barberigo sah, dass Anzoleto sich ein Vergnügen daraus machte, ihm hinderlich zu sein, so ersann er eine grausame Rache.
– Alle Wetter, sagte er laut zur Clorinda, sehen Sie nur, was für ein Glück Ihre Freundin СКАЧАТЬ