Название: Gesammelte Werke
Автор: George Sand
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962816148
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– Lieber Meister, entgegnete Consuelo, ich habe Ihnen bloß den Streich nachgetan, den Sie dem Kaiser Carl gespielt haben. Erzählten Sie mir nicht die Geschichte? Wie Se. Kaiserliche Majestät die Triller nicht leiden mochte, und Ihnen verboten hatte, einen einzigen in Ihrem Oratorium anzubringen, und wie Sie dem Verbote bis an das Finale gewissenhaft nachgekommen und dann in der Schlussfuge ihm ein Divertissement im neuesten Geschmack lieferten, vier aufsteigende Triller im Thema, die sich hieraus durch alle Stimmen bis ins stretto endlos wiederholten. Sie haben heute Abend gegen den Missbrauch der Verzierungen geeifert, und hinterher mich welche machen lassen. Nun machte ich ihrer zu viele, um Ihnen zu zeigen, dass auch ich wohl eine Verkehrtheit übertreiben kann, wofür ich mich willig schelten lasse.
– Ich sage dir, du bist der Teufel, erwiderte Porpora. Jetzt sing’ uns etwas Menschliches, und singe wie du willst; denn ich sehe schon, mit meiner Lehrerschaft bin ich bei dir zu Ende.
– Sie werden stets mein Lehrer sein, den ich ehre und liebe, rief sie und warf sich um seinen Hals und drückte ihn zum Ersticken; Ihnen verdank’ ich seit zehn Jahren mein Brot und meinen Unterricht. O, lieber Lehrer! Sie haben, wie man mir gesagt hat, viele Undankbare gemacht; mir aber möge Gott seine Liebe und meine Stimme im Augenblick entziehen, wenn ich das Gift des Hochmuts und der Undankbarkeit in meinem Herzen berge!
Porpora wurde bleich, stammelte ein Paar Worte und drückte einen väterlichen Kuss auf die Stirn seiner Schülerin: eine Träne ließ er dort zurück, und Consuelo, welche sie nicht abzuwischen wagte, fühlte die kalte, schmerzliche Träne des verlassenen Alters, des unglücklichen Genies auf ihrer Stirne langsam trocknen. Sie wurde tief davon bewegt, und es war als empfände sie einen frommen Schauder, welcher alle ihre Fröhlichkeit erstickte und ihre Begeisterung für den Rest des Abends auslöschte.
Eine Stunde lang erschöpfte sich alles umher in Ausdrücken der Bewunderung, des Staunens und Entzückens, ohne dass es gelang, ihre Schwermut zu zerstreuen und zuletzt bat man sie um eine Probe ihres dramatischen Talents. Sie sang eine große Arie aus Jomelli’s »Verlassener Dido«. Nie hatte sie das Bedürfnis stärker empfunden, ihrer Traurigkeit Luft zu machen; ihr Vortrag war erhaben, voll Pathos, einfach und groß, und ihr Anblick war noch schöner als in der Kirche. Ihre Wangen hatten einen Anflug von fieberhaftem Rot, ihre Augen schossen düstere Blitze: jetzt war sie nicht mehr eine Heilige: sie war Besseres – ein von Liebe verzehrtes Weib. Der Graf, sein Freund Barberigo, Anzoleto, alle Zuhörer und, ich glaube, der alte Porpora selbst, waren nahe daran, den Verstand zu verlieren. Die Clorinda erstickte vor Verzweiflung.
Consuelo, der der Graf ankündigte, dass morgenden Tages ihr Engagement ausgefertigt und unterzeichnet werden sollte, bat ihn, ihr noch eine zweite Gunst zu bewilligen, und ihr sein Wort nach Art der alten Ritter zu verpfänden, ohne zu wissen, um was es sich handle. Er tat es und man trennte sich, in einer Aufregung und freudigen Erschütterung, wie große Erscheinungen sie hervorbringen, überlegene Geister sie erzwingen.
13.
Während der Triumphe, welche Consuelo feierte, hatte Anzoleto so ganz nur in ihr gelebt, dass er sich selbst vergaß. Erst als der Graf beim Abschiede auf das Engagement seiner Braut hindeutete, ohne ihm über das seinige ein Wort zu sagen, fiel ihm die Kälte auf, mit welcher sein Gönner ihn den ganzen Abend behandelt hatte, und die Besorgnis, es mit diesem unabänderlich verscherzt zu haben, goss ihm Gift in seine Freude. Es kam ihm der Gedanke, Consuelo auf der Treppe an Porpora’s Arme zu lassen und zurückeilend sich seinem Beschützer zu Füßen zu werfen; er fühlte aber in diesem Augenblicke, dass er ihn hasste, und es muss hier zu seinem Lobe gesagt werden, dass er der Versuchung, sich vor ihm zu demütigen, widerstand. Er hatte eben von Porpora Abschied genommen und schickte sich an, mit Consuelo an den Kanal hinab zu gehen, als des Grafen Gondolier ihn anhielt und ihm sagte, dass auf Befehl seines Herrn die Gondel bereit läge, um die Signora Consuelo nach Hause zu bringen. Ein kalter Schweiß trat ihm vor die Stirn.
– Die Signora ist gewohnt, zu Fuße zu gehen, gab er heftig zur Antwort. Sie ist dem Grafen sehr verbunden für seine Aufmerksamkeiten.
– Wer gibt Ihnen das Recht, in ihrem Namen zu danken? fragte der Graf, der dicht auf seinen Fersen war.
Anzoleto sah sich um und erblickte ihn, nicht unbedeckt, wie einen Mann, der nur seinen Gästen das Geleite gibt, sondern den Mantel umgeschlagen, den Degen in der einen, den Hut in der anderen Hand, wie einen Mann, der auf nächtliche Abenteuer ausgeht. Anzoleto spürte in sich einen solchen Wutanfall, dass er schon daran dachte, ihm das kleine, scharfe Messer, das ein Venetianer aus dem Volke allezeit in irgend einer Tasche seines Anzugs versteckt trägt, zwischen die Rippen zu stoßen.
– Ich hoffe, Madame, sagte der Graf mit festem Tone zu Consuelo, Sie werden mir nicht die Beleidigung zufügen, meine Gondel zu Ihrer Heimfahrt auszuschlagen; und mich nicht so betrüben, sich beim Einsteigen nicht auf meinen Arm zu stützen.
Consuelo, die in ihrer stäten Unbefangenheit nichts von dem ahnte, was neben ihr vorging, nahm dankend an, und sprang, ihren hübschen runden Ellbogen in der Hand des Grafen, ohne Umstände in die Gondel.
Gleich darauf fand eine stumme, aber nachdrückliche Verständigung zwischen dem Grafen und Anzoleto statt. Der Graf stand mit dem einen Fuße auf dem Ufer, mit dem anderen auf der Gondel und maß Anzoleto mit den Augen; Anzoleto stand auf der letzten Stufe der Treppe, ebenso den Grafen messend, aber mit einem wilden Blick, die Hand in der Brusttasche und an den Griff seines Messers gelegt. Eine kleine Bewegung gegen die Barke hin und der Graf war kalt. Was am meisten venetianisch bei diesem raschen, stummen Auftritte war, ist dies, dass die beiden Nebenbuhler sich fest im Auge behielten, ohne von einer oder der anderen Seite die Catastrophe, welche bevorstehen mochte, zu beschleunigen.
Der Graf wollte nichts, als seinen Nebenbuhler durch einen Schein von Unschlüssigkeit martern, und er führte diese Rolle gemächlich durch, obwohl er Anzoleto’s Griff an seinen Dolch sehr gut sah und noch besser verstand. Anzoleto СКАЧАТЬ