Название: Gesammelte Werke
Автор: George Sand
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962816148
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Er trat zurück, um Anzoleto in die Barke zu lassen; dann befahl er den Gondolieren nach der Corte-Minelli zu rudern.. Er blieb auf dem Ufer stehn, unbeweglich wie eine Bildsäule. Er schien entschlossen festen Fußes zu erwarten, ob sein gedemütigter Nebenbuhler einen neuen Mordgedanken fassen würde.
– Woher weiß denn der Graf deine Wohnung? war Anzoleto’s erstes Wort an seine Freundin, sobald sie den Pallast Zustiniani aus dein Gesichte verloren hatten.
– Ich habe sie ihm gesagt, erwiderte Consuelo.
– Warum tatest du das?
– Weil er mich danach fragte.
– Du hast also nicht gemerkt, weshalb er sie wissen wollte?
– Vermutlich, um mich nach Hause bringen zu lassen.
– Du denkst, das sei alles? Du denkst, er werde dich nicht besuchen?
– Mich besuchen? Welch ein Einfall! In einer solchen elenden Hütte? Das wäre ein Übermaß von Höflichkeit, und es wäre mir gar nicht lieb.
– Es darf dir auch nicht lieb sein, Consuelo, denn ein Übermaß von Schande könnte für dich aus diesem Übermaß von Ehre entstehen.
– Schande? Weshalb Schande für mich? Du führst heut Abend wunderliche Reden, lieber Anzoleto. Es ist seltsam, dass du mir Dinge vorsprichst, die ich nicht verstehen kann, anstatt mir zu sagen, wie du dich über den unverhofften und unglaublichen Erfolg unseres Tages gefreut hast.
– Den unverhofften, ja, einen sehr unverhofften! sagte Anzoleto bitter.
– Bei der Vesper und heut Abend bei all dem Beifall warst du, wie mir schien, mehr berauscht als ich. Du sahest mich mit so entzückten Augen an, und ich fand mein Glück so süß, da ich es aus deinen Mienen abgespiegelt sah! Aber seit einigen Augenblicken bist du finster und launisch, wie manchmal, wenn wir kein Brot haben, oder wenn unsere Zukunft ungewiss und böse scheint.
– Und jetzt soll ich mit Freuden an die Zukunft denken? Ungewiss, nun ungewiss ist sie vielleicht nicht mehr, aber Freudiges für mich sehe ich wahrhaftig nicht darin!
– Was verlangst du denn mehr? Es sind kaum acht Tage, dass du beim Grafen debütiert hast, und mit einem Beifall, einem Erfolg …
– Meinen Erfolg beim Grafen hat der deinige sehr verdunkelt, meine Liebe, wie du recht gut weißt.
– Ich hoffe, nicht. Übrigens, wenn das auch wäre, so können doch wir nicht eifersüchtig auf einander sein.
Diese offenherzige Rede, mit dem Ausdrucke der Zärtlichkeit und unwiderstehlicher Wahrheit gesprochen, brachte wieder Ruhe in Anzoleto’s Seele.
– Oh, wie recht hast du, rief er, und presste die Braut in seine Arme, wir können nicht eifersüchtig auf einander sein, denn wir können einander nicht betrügen.
Bei diesen letzten Worten erinnerte er sich plötzlich, zu seiner Pein, des Abenteuers, welches er mit der Corilla angeknüpft hatte. Er dachte, dass wohl, um ihn vollends dafür büßen zu lassen, der Graf den Vorfall eines Tages an Consuelo verraten könnte, wenn diese vielleicht seine Hoffnungen irgend ein wenig aufzumuntern schiene. Er versank nun wieder in ein finsteres Brüten und auch Consuelo wurde nachdenklich.
– Weshalb, begann sie nach einem kurzen Schweigen, erwähnst du das, dass wir einander nicht betrügen können? Gewiss, es ist sehr, sehr wahr. Allein wie kommst du darauf?
– Still, lass uns in dieser Gondel nicht weiter reden, sagte Anzoleto leise; ich fürchte, dass man uns behorcht und unsere Worte dem Grafen hinterbringt. Diese Decke von Seide und Sammet ist sehr dünn, und die Barcarolen aus den Pallästen haben viermal so große und weite Ohren als unsere Barcarolen von der Piazza. – Nimm mich mit in dein Zimmer, sagte er, als sie am Eingange der Corte-Minelli ausgestiegen waren.
– Du weißt, dass dies gegen die Abrede und gegen unsere Gewohnheit ist, antwortete sie.
– O, schlage mir’s nicht ab, schrie Anzoleto, du würdest mich in Wut und Verzweiflung stürzen.
Von seinem Ton und von seinen Worten erschreckt wagte Consuelo es ihm nicht abzuschlagen. Sie zündete ihre Lampe an und zog ihre Vorhänge zu. Und da sie ihn nun düster und wie verloren in Gedanken sah, umschlang sie ihn mit ihren Armen.
– Wie unglücklich und sorgenvoll siehst du heut Abend aus! sagte sie traurig. Was geht denn in dir vor?
– Weißt du es nicht, Consuelo? Kannst du es nicht vermuten?
– Nein, bei meiner Seligkeit!
– Schwöre mir, dass du nichts ahnst, schwöre mir bei der Seele deiner Mutter, bei deinem Jesus, zu dem du alle Morgen und alle Abende betest.
– O, ich schwöre dir’s bei Jesus und bei meiner Mutter Seele.
– Und bei unserer Liebe?
– Bei unserer Liebe und bei unserem ewigen Heil!
– Ich glaube dir, Consuelo, denn es wäre das erste mal, dass du gelogen hättest.
– Und wirst du mir jetzt erklären? …
– Nichts werde ich dir erklären. Vielleicht wird es bald nötig sein, dass ich mich begreiflich mache … Ha! kommt dieser Augenblick, dann wirst du nur zu gut schon von selbst begriffen haben. Weh, weh uns beiden, wenn der Tag kommt, wo du weißt was ich jetzt leide!
– Mein Gott, was für ein schreckliches Unglück steht uns denn bevor? O wehe! Mussten wir also doch unter Gott weiß welchem Fluche meine arme Stube wieder betreten, wo wir bis dahin noch kein Geheimnis vor einander hatten. O, ich wusst’ es vorher, heute Morgen, als ich sie verließ; ich wusst’ es vorher, dass ich zurückkommen würde den Tod im Herzen. Was tat ich nur, dass ich mich eines solchen Tages nicht freuen darf, der doch so schön zu sein schien? Hab’ ich nicht inbrünstig und aus Herzens Grund gebetet? Hab’ ich nicht jeden Gedanken von Hochmut aus meiner Seele gerissen? Hab’ ich nicht gesungen so gut als ich nur СКАЧАТЬ