Название: Gesammelte Werke
Автор: George Sand
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962816148
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Anzoleto hielt diese Spöttereien nicht lange aus. Tausend Schlangen hatten sich schon in seine Brust geschlichen. Bis diesen Augenblick hatte er um dergleichen weder Argwohn noch Sorge gehegt: er hatte sich blindlings der Freude über den Triumph seiner Freundin hingegeben, und nur, um teils seinem Jubel einen bestimmten Anhalt, teils seiner Eitelkeit einen raffinierten Genuss zu verschaffen, hatte er sich seit zwei Stunden daran ergötzt, das Opfer dieses berauschenden Tages aufzuziehen. Nach einigen schalen Witzen, welche er mit Barberigo wechselte, tat er, als ob die Unterhaltung über musikalische Gegenstände, welche Porpora in der Mitte der Gondel mit der übrigen Gesellschaft führte, seine Aufmerksamkeit erregt hätte: er entfernte sich allmählich von einem Platze, welchen er nicht länger Lust hatte, seinem Gegner streitig zu machen und stahl sich im Dunkel an das Vorderteil der Barke. Sogleich bei dem ersten Versuche, das Tête-à-Tête des Grafen und seiner Braut zu unterbrechen, bemerkte er, dass Zustiniani an dieser Dazwischenkunft wenig Gefallen fand, denn der Graf antwortete ihm kalt und fertigte ihn sogar kurz ab. Nachdem Anzoleto mit verschiedenen müßigen Fragen übel angekommen war, erhielt er zuletzt den guten Rat, doch lieber die tiefen und gelehrten Sachen mit anzuhören, welche der große Porpora über den Kontrapunkt vernehmen ließe.
– Der große Porpora ist nicht mein Lehrer, antwortete Anzoleto, seine innere Wut so gut als möglich unter einem scherzenden Tone verbergend; er ist aber Consuelo’s Lehrer, und wenn es meinem teuern und geliebten gnädigen Herrn gefiele; fügte er, zu dem Grafen niedergebeugt, ganz leise und mit einschmeichelndem Tone hinzu, meine arme Consuelo keinen anderen Unterricht als den ihres alten Lehrers genießen zu lassen …
– Mein teurer und geliebter Zoto, antwortete der Graf, denselben schmeichelnden Ton in der boshaftesten Weise nachahmend, ich habe Ihnen ein Wort ins Ohr zu sagen; und sich zu ihm hinüberbeugend setzte er hinzu: Dero Braut wird doch von Ihnen wohl einen Tugendunterricht empfangen haben, welcher sie unverletzlich macht. Wenn ich es mir aber anmaßen wollte, ihr einen anderen zu geben, so dürfte ich allerdings zu dem Versuche wenigstens für einen Abend berechtigt sein.
Anzoleto fühlte, dass es ihn wie Eis überlief.
– Will mein allergewogenster gnädiger Herr nicht geruhen, sich näher zu erklären? fragte er mit erstickter Stimme.
– Sehr gern, mein allergewogenster Freund, entgegnete der Graf mit heller Stimme: Gondel für Gondel.
Anzoleto stand versteint, als er wahrnahm, dass der Graf sein Tête-à-Tête mit der Corilla entdeckt hatte. Dieses rücksichtslose Mädchen hatte sich dessen gegen Zustiniani bei einem heftigen Streit, der noch zuletzt zwischen ihnen vorgefallen war, gerühmt. Im Gefühle seiner Schuld versuchte Anzoleto umsonst, Erstaunen zu heucheln.
– Gehen Sie und hören Sie, was Porpora über die Grundsätze der neapolitanischen Schule sagt, fuhr der Graf fort. Sie sollen es mir später wieder erzählen, es liegt mir viel daran.
– Das merke ich, Excellenz, entgegnete Anzoleto wütend und auf dem Sprunge, alles zu verderben.
– Nun, gehst du nicht? sagte Consuelo in ihrer Unschuld, ohne sein Zaudern zu begreifen. So will ich hingehen, Herr Graf! Sie sollen sehen, dass ich Ihre Dienerin bin.
Und ehe der Graf sie halten konnte, war sie mit einem leichten Sprunge über das Bänkchen hinüber, das sie von ihrem alten Lehrer trennte, und setzte sich dicht neben ihn.
Der Graf sah wohl, dass er bei ihr nicht eben große Fortschritte gemacht hatte und glaubte daher, sich verstellen zu müssen.
– Anzoleto, sagte er lächelnd und zog seinen Schützling ein wenig derb am Ohre, weiter will ich meine Rache nicht treiben. Sie ist um vieles hinter deinem Frevel zurückgeblieben. Aber ich will auch keine Vergleichungen anstellen zwischen dem Vergnügen, mich in Gegenwart von zehn Personen mit deiner Geliebten eine Viertelstunde ehrbar zu unterhalten, und jenem, welches du mit der meinigen allein in einer wohlverschlossenen Gondel genossen hast.
– Herr Graf, rief Anzoleto in heftiger Aufregung, ich schwöre bei meiner Ehre …
– Wo sitzt dir deine Ehre? entgegnete der Graf, vielleicht da in dem linken Ohre? Hierbei bedrohte er auch dieses unglückliche Ohr mit einer gleichen Lektion, wie das andere sie eben erhalten hatte.
– Halten Sie denn Ihren Schützling für so unklug, sagte Anzoleto, welcher seine Geistesgegenwart wieder gewann, nicht zu wissen, dass er einen so dummen Streich nicht begehen durfte?
– Begangen oder nicht, erwiderte der Graf, kurz, es ist mir in diesem Augenblicke die gleichgültigste Sache der Welt.
Er ging und setzte sich an Consuelo’s Seite.
12.
Gegen Mitternacht kehrte die Gesellschaft in den Salon des Pallastes Zustiniani zurück, um Chocolade und Sorbetts einzunehmen. Die Unterhaltung über Musik dauerte noch fort. Man war von dem Technischen der Kunst auf den Styl, auf die Ideen, auf die Formen der Älteren und Neueren, endlich auf den Vortrag zu reden gekommen, und verweilte nun bei den ausübenden Künstlern und bei deren verschiedenartiger Auffassungs- und Ausdrucksweise. Porpora sprach mit Bewunderung von seinem Lehrer Scarlatti, welcher es zuerst gewagt hatte, dem Kirchenstyl einen pathetischen Charakter zu geben. Mehr aber, fuhr er fort, mehr tat er nicht; er wollte nicht, dass die heilige Musik sich durch Anwendung von Verzierungen, Koloraturen und Läufern in das Gebiet der weltlichen verirrte.
– Verwerfen Sie demnach, verehrter Herr! sprach Anzoleto jene schwierigen Läufer und Manieren, denen Ihr berühmter Schüler Farinelli sein Glück und seinen Namen verdankt?
– Ich verwerfe sie nur in der Kirche, antwortete der Meister. Für das Theater billige ich sie. Ich will sie da, wohin sie gehören; vorzüglich aber tadele ich ihren Missbrauch. Sie setzen ein reines СКАЧАТЬ