Название: Gesammelte Werke
Автор: George Sand
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962816148
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Künstlichen Spekulationen ist hier ein ungemessenes Feld geöffnet, wie denn auch eine Menge von gnostischen Systemen entstanden, denen zufolge die Welt aus einer Mischung von geistigen, göttlichen und trüben, aus dem Chaos oder der toten Materie entnommen Elementen durch die Tat eines auf niederer Stufe des aus Gott in vielen Abstufungen ausgeströmten Geisterreiches stehenden Dämons gebildet ist, bald mit dem Willen des unnahbaren Gottes, der einen Läuterungsprozess zur Überwindung der trägen Materie beabsichtigt, bald gegen den Willen Gottes, der aber nun nach vollbrachtem Werk sich des kranken, verpfuschten Gemächtes rettend annimmt, um seine Herrlichkeit allmählich wieder herzustellen.
In diesen Systemen wird aller künstlichen Abstufung geistiger Mächte und aller Einschaltung von Zwischengliedern ungeachtet das nicht erreicht, was beabsichtigt ist. Gott bleibt doch immer, wenn auch nicht unmittelbar, die letzte Ursache der Erscheinungswelt und also auch des Übels in ihr. Manche Gnostiker haben daher auch das Übel nicht als Übel, d. h. nicht als etwas, das Gott nicht gewollt hat, sondern als ein von Gott selbst Eingesetztes und dazu dass es überwunden werde oder zur Förderung der göttlichen Absichten und zur vollkommnen Herstellung des göttlichen Wesens Notwendiges erkannt; ihnen ist dann der verführende Geist, die alte Schlange nicht das böse Prinzip, sondern das Gärungsmittel, welches Gott in seine Schöpfung gelegt hat, der Geist der Klugheit und des Selbstbewusstseins, der Lichtbringer (Lucifer).
Die Vorstellungen, welche sich die Grübler jener Zeit von dem Prozesse der Weltbildung machten, mussten verschieden ausfallen, je nachdem sie sich die Entstehung des Bösen im Menschen dachten. Man hat sich dieses immer auf verschiedene Art gedacht. Man nahm entweder an, dass der einzelne Mensch von Natur gut sei oder von Natur böse, oder endlich mit einem doppelten Willen ausgestattet, von denen der eine gut, der andere böse ist.
Wenn man den Menschen für ein zwiegeschaffnes Bild hielt, weil man sonst nicht wusste wie beides zugleich in ihm sein konnte, Gutes und Böses, so war man genötigt, such einen doppelten göttlichen Ursprung dieser beiden Willensmächte anzunehmen, wie die alten Naturreligionen, von denen oben die Rede war, auch die Gnostiker taten. Ja, eine Partei der letzteren ging so weit, an zwei Urmenschenpaare zu glauben.
Wenn man dagegen annahm, der Mensch wäre ursprünglich gut geschaffen, so konnte man sich das Böse nur als einen Abfall von Gott denken. Dieser unbegreifliche Abfall musste irgend einmal eingetreten und dann nicht wieder gut zu machen gewesen sein: man dachte sich einen Fall Adams des ersten Menschen, und die Vererbung seiner dadurch verkehrten Natur auf seine Nachkommen. Seit dem Falle also ist der einzelne Mensch von Geburt an böse, vermöge der Erbsünde, d. h. der Fortpflanzung eines durch Adam’s Fall zerrütteten Wesens.
Um sich den ersten Sündenfall zu erklären, nahm man wie gesagt, die verführende Einwirkung eines gefallenen Engels an und verlegte somit den Fall eigentlich schon in die vorweltliche Zeit. Satan wurde nun als derjenige Geist betrachtet, in dessen Gewalt seit seinem ersten Siege jeder Mensch von Geburt an ist, sodass man das neugeborne Kind vor seiner Aufnahme in die Gemeinschaft der Erlösten durch Teufelsbannung, Exorcismus erst von der Gewalt des bösen Geistes frei machen müsste.
Man dachte sich ferner, dass durch den ersten Fall die ganze Natur, die ursprünglich gut geschaffen war, verkehrt und in Mangelhaftigkeit, Elend und Vergänglichkeit gestürzt worden war. Daher, wie Paulus sagt, »alle Kreatur sich mit uns sehnet und ängstiget immerdar« (Röm. 8, 22). Die so verschlechterte, verkehrte Natur musste natürlich dem wiedergeborenen Menschen, d. h. dem, welcher von der ursprünglichen Herrlichkeit wusste und sich nach ihr zurücksehnte, hassenswert erscheinen. Er musste begehren, ihrer los zu werden, wie denn auch Paulus sagt: »ich habe Lust abzuscheiden und bei Christus zu sein« (Philipp. 1, 23).
Aus dieser Sehnsucht entsprang dann die Neigung, das Fleisch, wie man es nannte, abzutöten durch allerlei Entbehrung und Kasteiung. Man zog sich aus der Gesellschaft der Menschen in die Einöde, aus dem Genuss der irdischen Güter in die Enthaltsamkeit, aus der Welt des wirklichen Lebens, die man als das Eigentum des Satan ansah, in die Welt der Beschauung Gottes und seiner himmlischen Herrlichkeit zurück. Immer schrecklicher gestaltete sich vor der erhitzten Einbildungskraft des durch Ascetik ausgemergelten und in den Schauern der Einöde geänstigten Büßers das Bild des höllischen Fürsten.
Der herrschsüchtigen Geistlichkeit war sodann die Angst der eingeschüchterten Gläubigen vor den Schrecken des ewigen Feuers ein zu bequemes Mittel, alles in dumpfem Gehorsam und zaghafter Abhängigkeit zu erhalten, da der Priester sich die Macht beilegte das Unheil zu beschwören, um nicht diese Angst immer mehr zu nähren und zu steigern.
Und als endlich die Menschen allmählich vor ihrer eigenen Knechtschaft zu schaudern und ihre Vernunft wieder zu gebrauchen anfingen, als sie die Anmaßung der Priester durchschauten und die Ketten zerreißen wollten, als sie auf das Urchristentum sich berufend, die einen Freiheit des Geistes, die anderen Gleichheit aller Menschen und Manche beides zu ihrer Losung machten, da verwarfen sie auch die Furcht vor der Hölle und die Vorstellung vom Widersacher Gottes.
Ja, da sie selbst in Auflehnung gegen das Bestehende waren, so lag nichts ihrem Geiste näher, als den Geist der Auflehnung selbst für nichts Böses, sondern für etwas Gutes und von Gott Gewolltes, für das Ferment der Weltgeschichte, den Teufel für den Geist des Fortschrittes, der Selbsterkenntnis, der Befreiung zu halten.
Diese Sekten sind verschollen und die Welt ist von dem Teufel noch nicht losgekommen; so wenig, dass in diesen unsern Tagen ein neuer Gnostiker in unserer eigenen Mitte wieder aufgetreten ist und mit Gunst der Mächtigen dieser Welt und mit Beifall Vieler, die sich weise heißen lassen, unter großem Zulauf von Hörbegierigen sein gnostisches System öffentlich vortrug in einer Stadt, die gern für den Mittelpunkt der Intelligenz gelten möchte.
Nach seiner fantastischen Auffassung ist aber der Mensch selbst, d. h. der Urmensch, der Typus des Menschen, der noch vor der Welterschaffung СКАЧАТЬ