Название: Gesammelte Werke
Автор: George Sand
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962816148
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Wir können miteinander beten, ohne zu streiten, Sie, die Sie alles wissen, ohne je etwas gelernt zu haben, und ich, der ich sehr wenig weiß, nachdem ich viel geforscht habe. In welchem Tempel Sie auch die Stimme erheben mögen, immer wird der Begriff des wahren Gottes in Ihrem Herzen sein und die Empfindung des wahren Glaubens Ihre Seele erfüllen. Nicht um Sie zu bekehren, sondern damit die Offenbarung von Ihnen auf mich übergehe, habe ich unsere Stimmen und unsere Geister zu vereinigen gewünscht vor diesem Altare, den ich aus den Gebeinen meiner Väter mir errichtet habe.
– Ich betrog mich also nicht, indem ich dachte, dass diese edlen Reste, wie Sie sie nannten, die Gebeine der Hussiten sind, die im blutigen Wüten des Bürgerkriegs in die Cisterne des Schreckenstein hinabgestürzt wurden, zur Zeit Ihres Ahnen Johann Ziska, der dafür, wie ich hörte, schreckliche Rache nahm. Man hat mir auch erzählt, dass er den Brunnen vermauern ließ, nachdem er das Dorf verbrannt hatte. Ich glaube in der Dunkelheit dieser Höhle gerade über meinem Kopfe einen Kreis von gehauenen Steinen zu sehen; dies lässt mich vermuten, dass wir uns genau unter der Stelle befinden, wo ich mich mehrmals niedergesetzt habe, wenn ich von langem Suchen nach Ihnen müde war. Sagen Sie, Graf Albert, ist das der Ort, den Sie, wie man mir sagte, den Sühnestein getauft haben?
– Ja, es ist der Ort, antwortete Albert, wo Martern und wilde Gewalttaten mir die Stätte meines Gebetes und das Heiligtum meines Schmerzes eingeweiht haben. Sie sehen große Steinblöcke über unseren Köpfen schweben und andere am Rande der Quelle umhergestreut. Die gerechte Hand der Taboriten hat sie dahin geschleudert, auf Befehl Jenes, den sie den furchtbaren Blinden nannten; aber sie haben nur dazu gedient, das Wasser zu den unterirdischen Betten zurückzudrängen, welche es sich zu graben trachtete. Die Konstruktion des Brunnens wurde zerstört und die Trümmer habe ich unter den Cypressen verborgen, die ich dort gepflanzt habe; man hätte hier ein ganzes Gebirge hineinstürzen müssen, um diese Höhle auszufüllen. Die Steinblöcke, welche sich in der Mündung der Cisterne stopften, sind dort durch eine Wendeltreppe, gleich jener, in die Sie in meinem Gartenbrunnen auf Riesenburg so mutig hinabstiegen, aufgehalten worden. Seitdem hat das Sinken der Gebirgsmasse sie immer fester zusammengekeilt. Wenn dann und wann ein Stück sich loslöst, so ist doch das nur während der heftigen Winterfröste der Fall: Sie haben also jetzt nicht mehr zu fürchten, dass etwas von diesem Gesteine herabrolle.
– Es ist nicht das, was meine Gedanken beschäftigt, Albert! antwortete Consuelo, wieder nach dem düstern Altar hin blickend, auf welchen er seine Stradivari gelegt hatte. Ich frage mich, warum Sie dem Gedächtnis und den Überresten dieser Opfer ausschließlich einen Dienst weihen, als ob es nicht auf der anderen Seite ebenfalls Märtyrer gegeben hätte und als ob die Verbrechen der einen verzeihlicher wären als die der anderen.
Consuelo sagte das mit einem strengen Tone und indem sie Albert misstrauisch ansah. Sie dachte wieder an Zdenko und alle ihre Fragen nahmen in ihren Gedanken die Richtung auf eine Art hochnotpeinlichen Verhörs hin, dem sie ihn gern unterworfen haben würde, wenn sie es gewagt hätte.
Die schmerzliche Aufregung, welche sich plötzlich des Grafen bemächtigte, schien ihr ein reuiges Geständnis zu sein. Er fuhr mit den Händen über seine Stirn und presste sie dann gegen seine Brust, als ob er fühlte, dass ihm die zerspringen wollte. Seine Gesichtsfarbe wechselte schrecklich und Consuelo fürchtete, dass sie ihn nur zu gut begriffen hätte.
– Sie wissen nicht, was Sie mir für eine Pein erregen! rief er endlich, sich auf den Knochenhaufen stützend und sein Gesicht zu diesen vertrockneten Schädeln niederbeugend, die ihn aus ihren leeren Augenhöhlen anzustarren schienen. Nein! Sie können es nicht wissen, Consuelo! Ihre frostigen Bemerkungen erwecken in mir die Erinnerung der bösen Tage, welche ich durchlebt habe. Sie wissen nicht, dass Sie mit einem Menschen reden, der Jahrhunderte in Leiden hingebracht hat, und der, nachdem er in Gottes Hand das blinde Werkzeug der unwandelbaren Gerechtigkeit gewesen, dann seinen Lohn empfangen und seine Strafe gelitten hat. Ich habe so sehr gelitten und mein blutiges Loos so sehr beweint und so streng gebüßt, habe die Greuel, in welche mich mein Schicksal dahinriss, so eifrig gesühnt, dass ich mir endlich schmeichelte, sie vergessen zu können.
Vergessen! Das war es, wonach mein Herz so heiß sich sehnte! Das war mein Beten und mein Sehnen in jedem Augenblick; das war das Zeichen meiner Vereinigung mit den Menschen und meiner Versöhnung mit Gott, das ich hier seit Jahren erflehte, mich auf diesen Gebeinen vor ihm niederwerfend.
Consuelo, als sich Sie zum ersten Male sah, fing ich zu hoffen an. Und als Sie mir Mitleid bewiesen hatten, fing ich zu glauben an, dass ich gerettet wäre. Hier! sehen Sie diesen Kranz verwelkter Blumen, die schon fast in Staub zerfallen, mit denen ich den Schädel krönte, welcher obenan dem Altare steht; Sie erkennen sie nicht; ich aber, ach! ich habe sie mit vielen bitteren, süßen Tränen benetzt: Sie hatten – sie gepflückt, Sie hatten sie für mich dem Gefährten meines Elends, dem treuen Hüter meines Grabes gegeben.
Wohlan, mit Tränen und mit Küssen sie bedeckend, fragte ich mich mit Herzensangst, ob Sie wohl je eine wahre, tiefe Liebe fühlen könnten für einen Verbrecher wie mich, für einen erbarmungslosen Fanatiker, für einen Wüterich ohne Herz …
– Was für Verbrechen sind es, deren Sie sich anklagen? sprach Consuelo mit Kraft, von tausend streitenden Gefühlen hin und her geworfen und kühn gemacht durch Albert’s tiefe Niedergeschlagenheit. Wenn Sie ein Bekenntnis abzulegen haben, so tun Sie es, tun Sie es gleich, vor mir, damit ich wisse, ob ich sie freisprechen und Sie lieben kann.
– Mich freisprechen, ja! das können Sie; denn der, den Sie kennen, Albert von Rudolstadt, hat ein so reines Leben geführt wie ein unschuldiges Kind. СКАЧАТЬ