Название: Gesammelte Werke
Автор: George Sand
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962816148
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Sie wartete, bis Albert in sein mystisches Bethaus gegangen war, das er ihr zeigen wollte und zu ihrem Empfange in Stand setzte, nahm dann ein Licht und ging behutsam wieder in Zdenko’s Gemach, nicht ohne ein wenig bei dem Gedanken zu zittern, dass er selbst darin sein könnte. Aber sie fand auch keine Spur von seinem Dasein. Das Bett von Laub und Kalbshäuten war hinweggenommen. Der rohe Sitz, das Werkzeug, die Filzsohlen, alles war verschwunden, und man hätte denken sollen, wenn man die Feuchtigkeit sah, die im Kerzenlichte von den Wänden blitzte, dass dieses Gewölbe nie eines Schlafenden Obdach gewesen wäre.
Ein Gefühl von Wehmut und Grausen bemächtigte sich ihrer bei dieser Entdeckung. Ein schauriges Geheimnis umgab das Schicksal dieses Ärmsten, und Consuelo sagte sich mit Entsetzen, dass sie vielleicht die Ursache eines schmerzlichen Ereignisses geworden wäre. Es gab in Albert einen doppelten Menschen, den einen sinnig und den anderen toll, den einen menschenfreundlich, sanft und zärtlich, den anderen gewalttätig und unerbittlich. Die seltsame Vermischung seiner Person mit der des blutdürstigen, schwärmerischen Ziska, die er sich früher vorgespiegelt hatte, seine Neigung, stets an den Hussiten zurückzudenken, die stumme und leidende, aber entschiedene und tiefe Leidenschaft, die er für Consuelo in seinem Busen nährte, alles das stellte sich in Eile dem Geiste des jungen Mädchens dar und schien ihr den entsetzlichen Verdacht bestätigen zu müssen. Sie stand bewegungslos und starr vor Schreck und wagte kaum den kahlen, kalten Boden der Grotte anzusehen, als ob sie gefürchtet hätte, blutige Spuren darauf zu entdecken.
Sie war noch vertieft in diese trübseligen Betrachtungen, als sie Albert seine Geige stimmen hörte, und bald sang das Instrument ihr den alten Psalm vor, den sie zum zweiten Male zu hören so inständig gewünscht hatte. Die Melodie war so eigentümlich und Albert trug sie mit so reinem, richtig gefühltem Ausdruck vor, dass sie die ganze Angst vergaß, sich sacht dem Orte näherte, wo er stand, gelockt und wie beschworen von magnetischer Gewalt.
12.
Die Tür der Kirche war offen geblieben: Consuelo blieb auf der Schwelle stehen, um den begeisterten Künstler und das seltsame Heiligtum zu betrachten.
Diese angebliche Kirche war nichts weiter als eine ungeheuere Höhle, welche von den Händen der Natur unregelmäßig in den Fels gebrochen und zum großen Teil durch die unterirdische Arbeit des Wassers ausgespült war. Einige Fackeln, hier und da auf gewaltigen Steinblöcken ausgestellt, streuten seltsame Lichter über die grünen Felswände und flirrten an finsteren Tiefen hin, in denen die unbestimmten Formen langgestreckter Tropfsteingebilde gaukelten, wie Gespenster, welche die Helle abwechselnd suchen und fliehen.
Die mächtigen Niederschläge, welche das Wasser ehemals an den Seiten der Höhle abgesetzt hatte, stellten tausend grillenhafte Figuren dar, bald ringelten sie sich wie riesige Schlangen, die sich gegeneinander bäumen und einander verschlingen, bald erhoben sie sich von dem Boden und stiegen in furchtbaren Nadeln empor gegen die Decke, bei deren Berührung sie wie ungeheuere zackige Zähne erschienen in klaffenden Rachen, die die schwarzen Felsspalten bildeten. An anderen Stellen glaubte man unförmliche Leiber, kolossale Bilder von barbarischen Gottheiten des Altertums zu sehen.
Der Pflanzenwuchs, der das Gestein überzog, große runzlichte Flechten wie Drachenschuppen, Bündel von den breiten, schweren Blättern der Hirschzunge,3 Gruppen junger Cypressen, neuerlich in der Mitte der Grotte auf gräberartig zusammengescharrten Erdhügeln gepflanzt, alles das gab diesem Orte ein düsteres, großartiges, schauerliches Ansehen, welches die junge Künstlerin mächtig ergriff. Zuerst war es ein Gefühl des Schreckens, bald aber der Bewunderung.
Sie trat näher und sah Albert aufrecht stehen an dem Rande der Quelle, die mitten in der Höhle entsprang. Das Wasser, welches reichlich genug emporgetrieben wurde, war doch in ein so tiefes Becken eingeschlossen, dass auf seiner Oberfläche kein Sprudeln zu spüren war. Diese war glatt und glänzend wie ein dunkler Saphir, und die schönen Wassergewächse, womit Albert und Zdenko den Rand der Quelle umgeben hatten, regten sich auch nicht leise. Die Quelle war an ihrem Ausgangspunkte warm und der laue Dunst, den sie in der Grotte verbreitete, unterhielt darin eine milde, feuchte Luft, die dem Pflanzenleben günstig war. Sie trat aus ihrem Becken in mehrere Gerinne, von denen einige sich mit dumpfem Murmeln unter dem Gestein verloren, andere still in blinkenden Furchen das Innere der Höhle durchzogen und sich in dem dunkeln Geklüft verliefen, in welchem die Begrenzung derselben unbestimmt verschwamm.
Als Graf Albert, der bis jetzt nur seine Geige versucht hatte, Consuelo näher treten sah, ging er ihr entgegen und half ihr über die schlängelnden Gerinne hinüber, die er an tiefen Stellen mit Baumstämmen überbrückt hatte. An anderen Stellen boten Steine, einzeln aus dem Wasser hervorragend, dem geübten Tritte einen leichten Übergang. Er reichte ihr die Hand, um ihr zu helfen, und hob sie manchmal hinüber; aber diesesmal hatte Consuelo Furcht nicht vor der Wasserströmung, welche geräuschlos und düster unter ihren Füßen dahinfloh, sondern vor ihrem geheimnisvollen Führer, zu dem ein unwiderstehlicher Drang sie hinzog, während eine unerklärliche Abneigung sie zugleich von ihm entfernte.
Als sie den Rand der Quelle erreichte, sah sie auf einem großen Steine, der dieselbe um einige Fuß überragte, einen Gegenstand, der wenig geeignet war, sie zu beruhigen. Es war eine Art viereckigen Monuments, aus menschlichen Knochen und Schädeln künstlich zusammengestellt, wie man es in den Katakomben sieht.
– Lassen Sie sich nicht bangen! sagte Albert zu ihr, da er ihr Zittern fühlte. Diese edlen Reste gehörten den Märtyrern meiner Religion an, und aus ihnen ist der Altar geformt, vor welchem ich mich in Betrachtung zu verlieren und zu beten liebe.
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