Название: Gesammelte Werke
Автор: George Sand
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962816148
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Man beschloss, Albert nicht zu wecken. Man rief den Freiherrn, den Kaplan und die ganze Dienerschaft, und alles wohnte der Dankmesse in der Schlosskapelle andächtig bei. Amalie erfuhr die Wiederkehr ihres Cousins mit unverstellter Freude; aber sie fand es sehr unbillig, dass man sie, um dieses glückliche Ereignis fromm zu begehen, um fünf Uhr morgens aus dem Bette holte, und ihr eine Messe hinunterzuwürgen gab, bei welcher sie vor Gähnen umkommen musste.
– Warum hat sich Ihre Freundin, die gute Porporina, nicht mit uns vereinigt, um der Vorsehung zu danken? fragte Graf Christian seine Nichte, als die Messe beendet war.
– Ich habe sie wecken wollen, antwortete Amalie. Ich habe sie angerufen, geschüttelt und auf alle Weise zu ermuntern gesucht, aber ich konnte sie durchaus nicht dazu bringen, mich zu hören oder auch nur die Augen zu öffnen. Wenn sie nicht glühend heiß und rot wie Feuer gewesen wäre, so hätte ich sie für tot gehalten. Sie muss die Nacht schlecht geschlafen haben und im Fieber liegen.
– So ist sie krank, die würdige Person, hob der alte Graf wieder an. Meine liebe Schwester Wenceslawa, du solltest wohl einmal nach ihr sehen und ihr die Hilfe leisten, die ihr Zustand erfordert. Gott behüte uns, dass ein so schöner Tag uns durch das Übelbefinden dieses edlen Mädchens getrübt würde!
– Ich werde gleich sehen, Bruder! versetzte das Stiftsfräulein, das nichts was Consuelo betraf mehr sagte oder tat, ohne zuvor den Blick des Kaplans zu befragen. Aber mache dir keine Unruhe, Christian! es wird nichts zu bedeuten haben. Die Signora Nina hat sehr reizbare Nerven. Sie wird bald wieder hergestellt sein.
– Ist es aber nicht doch sonderbar, sagte sie gleich darauf zu dem Kaplan, als sie ihn bei Seite nehmen konnte, dass dieses Mädchen Albert’s Wiederkunft so zuversichtlich und richtig vorhergesagt hat? Herr Kaplan, wir haben uns doch vielleicht in Betreff ihrer geirrt. Sie ist vielleicht eine Heilige, die Offenbarungen hat.
– Eine Heilige wäre doch wohl gekommen, die Messe zu hören, anstatt in einem solchen Augenblicke das Fieber zu kriegen, wendete der Kaplan mit bedeutungsvoller Miene ein.
Dieses triftige Argument entriss dem Stiftsfräulein einen Seufzer. Sie ging nichts desto weniger nach Consuelo zu sehen, die sie im glühendsten Fieber und von einer unbegreiflichen Schlafsucht befallen fand. Der Kaplan wurde gerufen und erklärte, dass es bedenklich wäre, wenn dieses Fieber anhielte. Er fragte die junge Baronin, ob ihre Nachbarin während der Nacht sehr unruhig gewesen wäre.
– Nichts weniger! antwortete Amalie, ich habe nicht gehört, dass sie sich gerührt hätte. Ich hatte mich darauf gefasst gemacht, nach allen den Weissagungen und schönen Geschichten, die sie uns in den letzten Tagen aufgetischt hatte, dass es in ihrem Zimmer einen Hexensabbat geben würde. Aber der Teufel muss sie weit hinweg getragen haben, oder sie hat mit sehr gut abgerichteten Kobolden zu tun, denn sie hat sich meines Wissens nicht geregt und mein Schlaf ist keinen Augenblick gestört worden.
Diese Späße däuchten dem Kaplan sehr unschmackhaft, und das Stiftsfräulein, bei der das gute Herz die Verkehrtheiten des Verstandes überwog, fand sie am Kopfkissen einer schwer erkrankten Freundin übel angebracht. Sie ließ es sich indessen nicht merken, indem sie die Gereiztheit ihrer Nichte einer nur zu gegründeten Eifersucht beimaß, und fragte den Kaplan, was für Arzneien man der Porporina geben sollte.
Er verordnete ein niederschlagendes Pulver, das man ihr aber nicht beibringen konnte. Ihre Zähne waren zusammengeklemmt und ihre blauen Lippen wiesen alles Flüssige zurück. Der Kaplan erklärte dies für ein schlimmes Zeichen. Aber mit jener Schläfrigkeit, welche leider in diesem ganzen Hause nur zu herrschend war, verschob er seinen Ausspruch über den Zustand der Kranken bis auf weitere Untersuchung. »Es wird sich zeigen; man muss es abwarten; es lässt sich noch nichts sagen;« das waren so die Lieblingsantworten des beschorenen Äskulap.
– Wenn es so fortgeht, sagte er, während er Consuelo’s Zimmer verließ, so wird man daran denken müssen, einen Arzt zu rufen; denn ich will es nicht auf mich nehmen, einen so absonderlichen Fall von Gemütskrankheit zu behandeln. Ich will für die Demoiselle beten und es könnte an dem sein, dass wir, in Betracht der Seelenverfassung, worin dieselbige sich in dieser letzteren Zeit befunden hat, von Gott allein wirksamere Hilfe zu gewärtigen hätten, denn von der Heilkunst.
Man ließ eine Magd bei Consuelo und schickte sich zum Frühstück an. Das Stiftsfräulein knetete den vortrefflichsten Kuchen, der je aus ihren kundigen Händen hervorgegangen war. Sie schmeichelte sich, dass Albert nach langem Fasten seine Lieblingsspeise mit Freuden genießen würde. Die schöne Amalie machte eine reizende Toilette, denn sie sagte sich, es möchte doch vielleicht ihrem Vetter ein Bischen leid tun, sie gekränkt und erzürnt zu haben, wenn er sie beim Wiedersehen so verführerisch fände. Jedes dachte darauf, dem jungen Grafen eine angenehme Überraschung zu bereiten, und das einzige Wesen, mit dem man sich hätte beschäftigen müssen, vergaß man, die arme Consuelo, der man seine Rückkehr verdankte und die zu finden Albert voller Ungeduld sein musste.
Albert erwachte bald, und statt unnützer Anstrengungen, um sich die Ereignisse der Nacht zurückzurufen, wie er sie nach den Anwandlungen von Irrsinn, die ihn in seine unterirdische Wohnung trieben, sonst immer machen musste, fand er diesesmal die Erinnerung seiner Liebe und des Glückes, das ihm Consuelo geschenkt hatte, augenblicklich wieder. Er stand schnell auf, kleidete sich an, parfümierte sich und eilte, sich in die Arme seines Vaters und seiner Tante zu werfen.
Die Freude dieser guten Leute stieg auf den höchsten Gipfel, als sie sahen, dass Albert bei voller Vernunft war, dass er von seiner langen Abwesenheit wusste und sie angelegentlich und zärtlich um Verzeihung bat, indem er versprach, ihnen nicht wieder diesen Kummer und diese Unruhe zu bereiten.
Er sah, wie seine Rückkehr zum wirklichen Bewusstsein sie entzückte. Aber er merkte auch, wie hartnäckig man sich befliß, ihn zu schonen, ihm seinen Zustand zu verbergen, und er fühlte sich ein wenig gedemütigt, dass man ihn wie ein Kind behandelte, da er sich wieder Mann geworden fühlte. Er unterwarf sich dieser, für das Unrecht, welches er getan, zu leichten Strafe, indem er sich sagte, dass es eine heilsame Erinnerung wäre und dass es СКАЧАТЬ