Gesammelte Werke. George Sand
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Название: Gesammelte Werke

Автор: George Sand

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962816148

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СКАЧАТЬ Sie sich fes­ter auf mich, wäh­rend ich Ih­nen er­zäh­le, lie­be Schwes­ter!

      Ich war un­ge­fähr fünf­zehn Jah­re alt, als ich ei­nes Abends al­lein auf ei­nem der Fuß­stei­ge, wel­che sich am Schre­cken­stein hin über das Gehü­gel nach dem Schlos­se schlän­geln, heim­wärts ging. Da sah ich vor mir eine große, ma­ge­re und zer­lump­te Frau, wel­che eine Last auf dem Rücken trug und bei je­dem Stei­ne an­hielt, um sich nie­der­zu­set­zen und aus­zu­ru­hen. Ich ge­sell­te mich zu ihr. Sie war schön, ob­gleich von der Son­ne ver­brannt und von Sor­gen und Elend ab­ge­zehrt. Un­ter ih­ren Lum­pen her­vor leuch­te­te eine Art schmerz­li­chen Stol­zes, und als sie mir die Hand hin­hielt, schi­en sie mein Mit­leid mehr zu for­dern als zu er­bit­ten. Ich hat­te nichts mehr in mei­ner Bör­se, und ich bat sie, mit mir nach dem Schlos­se zu kom­men, wo ich ihr Bei­stand, Spei­se und Nacht­la­ger schaf­fen könn­te.

      – Das ist mir noch lie­ber, ant­wor­te­te sie mit frem­dem Ak­zent, den ich für zi­geu­ne­risch hielt, denn ich ver­stand da­mals noch nicht die Spra­chen, wel­che ich seit­dem auf mei­nen Rei­sen ge­lernt habe; und sie setz­te hin­zu: Ich kann Ih­nen die gast­li­che Auf­nah­me, die Sie mir spen­den, mit Volks­lie­dern aus man­chen Län­dern, die ich durch­wan­der­te, be­zah­len. Ich bit­te sel­ten um Al­mo­sen, nur wenn mich die äu­ßers­te Not dazu zwingt.

      – Arme Frau! sag­te ich, ihr tragt eine sehr schwe­re Last, eure ar­men, fast nack­ten Füße sind wund. Gebt mir die­ses Pack, ich will es bis nach Hau­se tra­gen, so wer­det ihr be­que­mer ge­hen.

      – Die­se Last, ant­wor­te­te sie mit ei­nem schwer­mü­ti­gen Lä­cheln, wel­ches sie noch schö­ner mach­te, wird von Tage zu Tage schwe­rer, aber es ist mir nicht leid. Ich tra­ge sie schon man­ches Jahr und habe mit ihr Hun­der­te von Mei­len ge­macht, ohne mich die Mühe reu­en zu las­sen. Ich ver­traue sie kei­nem Men­schen an, aber Sie ha­ben so eine gute Mie­ne, lie­bes Kind, dass ich sie Ih­nen schon bis da­hin ge­ben will.

      Bei die­sen Wor­ten nes­tel­te sie den Man­tel auf, der sie ganz ein­hüll­te und nur den Hals ih­rer Gui­tar­re her­vor­se­hen ließ. Ich ge­wahr­te nun ein Kind von fünf oder sechs Jah­ren, bleich und ver­brannt wie die Mut­ter, aber von so stil­ler, sanf­ter Mie­ne, dass es mir das Herz rühr­te. Es war ein klei­nes, ganz zer­lump­tes Mäd­chen, ma­ger aber kräf­tig ge­baut und schlief in eng­li­scher Ruhe auf die­sem ge­bro­che­nen Rücken der am­bu­lan­ten Sän­ge­rin. Ich nahm es in mei­ne Arme und hat­te viel Not es zu hal­ten, denn da es auf­wach­te und sich an ei­nem frem­den Bu­sen fand, sträub­te es sich und wein­te. Aber sei­ne Mut­ter re­de­te ihm in ih­rer Spra­che zu und mach­te es still. Mei­ne Lieb­ko­sun­gen und Be­mü­hun­gen be­sänf­tig­ten es vollends, und wir wa­ren die bes­ten Freun­de von der Welt, als wir auf dem Schlos­se an­ka­men.

      Nach­dem die arme Frau ge­ges­sen hat­te, leg­te sie ihr Klei­nes in ein Bett, das ich ihr hat­te zu­recht ma­chen las­sen, mach­te eine Art aben­teu­er­li­cher Toi­let­te, die noch kläg­li­cher aus­sah als ihre Lum­pen, und kam in den Saal, wo wir aßen; da sang sie uns spa­ni­sche, fran­zö­si­sche und deut­sche Lie­der vor mit ei­ner schö­nen Stim­me, ei­ner rei­nen Auss­pra­che und so frei und aus­drucks­voll im Vor­trag, dass wir ganz ent­zückt da­von wa­ren. Mei­ne gute Tan­te be­wies ihr tau­send Auf­merk­sam­kei­ten und Freund­lich­kei­ten. Sie schi­en da­von ge­rührt, ver­leug­ne­te aber ih­ren Stolz nicht und gab uns auf un­se­re Fra­gen nur aus­wei­chen­de Ant­wor­ten.

      Ihr Kind zog mich noch mehr an als sie selbst. Ich hät­te es gern wie­der­se­hen, mit ihm spie­len, es auch nur be­trach­ten mö­gen. Ich weiß nicht, wie es kam, dass mir die­ses arme klei­ne Ge­schöpf, das auf Er­den un­stät und elend war, eine sol­che zärt­li­che Teil­nah­me ab­ge­wann. Ich träum­te die gan­ze Nacht von ihm, und mit dem frü­he­s­ten Mor­gen lief ich hin, um es zu se­hen. Aber die Zi­geu­ne­rin war schon fort, und ich such­te sie ver­geb­lich auf den Ber­gen. Sie war vor Tage auf­ge­stan­den und gen Sü­den ge­zo­gen mit ih­rem Kin­de und mit mei­ner Gui­tar­re, die ich ihr ge­schenkt hat­te, da die ih­ri­ge zu ih­rem großen Lei­de zer­bro­chen war.

      – Al­bert! Al­bert! rief Con­sue­lo in großer Be­we­gung. Die­se Gui­tar­re ist in Ve­ne­dig bei mei­nem Leh­rer Por­po­ra, der sie mir auf­hebt, und von dem ich sie mir wie­der­for­dern wer­de, um mich nie wie­der von ihr zu tren­nen. Sie ist von Eben­holz, mit ei­ner Chif­fre in Sil­ber aus­ge­legt, de­ren ich mich sehr gut er­in­ne­re. Es ist ein »A. R.« Mei­ne Mut­ter, die kein gu­tes Ge­dächt­nis hat­te, weil ihr so viel be­geg­net war, konn­te sich nie auf Ihren oder des Schlos­ses oder auch nur des Lan­des Na­men be­sin­nen, wo sie sie er­hal­ten hät­te. Aber sie hat mir oft von der gast­freund­li­chen Auf­nah­me er­zählt, die ihr der Be­sit­zer die­ser Gui­tar­re er­wie­sen, und von der rüh­ren­den Men­sch­lich­keit ei­nes jun­gen, schö­nen Herrn, der mich eine hal­be Stun­de weit auf dem Arme ge­tra­gen und mit mir ge­spro­chen hät­te wie mit sei­nes Glei­chen.

      O mein lie­ber Al­bert! ich er­in­ne­re mich al­les des­sen auch noch selbst. Bei je­dem Wor­te Ih­rer Er­zäh­lung wach­ten die­se Bil­der ei­nes nach dem an­de­ren auf, die lan­ge in mei­ner See­le schlie­fen, und nun weiß ich, warum mir hier die Ber­ge nicht ganz fremd und neu schie­nen, und warum ich mich doch ver­ge­bens an­streng­te, den dun­keln Erin­ne­run­gen, die die­se Land­schaft in mir weck­te, auf den Grund zu kom­men, und be­son­ders warum ich, da ich Sie zum ers­ten Male sah, mein Herz hüp­fen fühl­te und mei­ne Stirn sich ehr­er­bie­tig nei­gen, als ob ich einen lang ver­miss­ten und be­klag­ten Freund und Be­schüt­zer wie­der­ge­fun­den hät­te.

      – Meinst du denn, Con­sue­lo, sag­te Al­bert, sie an sein Herz drückend, ich hät­te dich nicht auf den ers­ten Blick wie­der er­kannt? Was tat es, dass du groß ge­wor­den, dass die Jah­re dich ver­wan­delt und ver­schönt ha­ben? Ich habe ein Ge­dächt­nis – o wun­der­ba­re, ob­wohl oft un­heil­vol­le Gabe! – das nicht Bli­cke, nicht Wor­te braucht, um sich durch Jahr­hun­der­te, wie durch Tage hin­durch zu be­wäh­ren. Ich wuss­te nicht, dass du mei­ne ge­lieb­te Zin­ga­rel­la wä­rest, aber ich wuss­te, dass ich dich schon ge­kannt, schon ge­liebt, schon an mein Herz ge­drückt, das sich von Au­gen­blick an, ohne dass ich’s wuss­te und auf ewig mit dem dei­ni­gen ver­knüpft und ver­eint hat­te.

      3.

      So re­dend er­reich­ten sie die Verzwei­gung der bei­den Wege, wo Con­sue­lo mit Zden­ko zu­sam­men­ge­trof­fen war, und sie sa­hen schon von fern den Schim­mer sei­ner La­ter­ne, die er ne­ben sich auf den Bo­den ge­stellt hat­te. Con­sue­lo, die jetzt die ge­fähr­li­chen Lau­nen und die Rie­sen­stär­ke des »Un­schul­di­gen« aus Er­fah­rung kann­te, dräng­te sich un­will­kür­lich an Al­bert, in­dem sie ihm dies An­zei­chen von Zden­ko’s Nähe be­merk­lich mach­te.

      – Wa­rum fürch­ten Sie sich vor die­sem sanft­mü­ti­gen, lieb­rei­chen Ge­schöp­fe, frag­te der jun­ge Graf, den ihre Furcht über­rasch­te und zu­gleich be­glück­te. Zden­ko hat Sie lieb, ob­gleich ihn seit letz­ter Nacht ein bö­ser Traum, den er hat­te, wi­der­späns­tig ge­gen mei­ne Wün­sche ge­macht und ein we­nig ge­gen Ihr edel­mü­ti­ges Vor­ha­ben, mich zu su­chen, auf­ge­bracht hat: er ist aber un­ter­wür­fig wie ein Kind, wenn ich et­was mit Ent­schie­den­heit von ihm СКАЧАТЬ