Stanislaw Przybyszewski: Romane, Erzählungen & Essays. Stanislaw Przybyszewski
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Stanislaw Przybyszewski: Romane, Erzählungen & Essays - Stanislaw Przybyszewski страница 68

Название: Stanislaw Przybyszewski: Romane, Erzählungen & Essays

Автор: Stanislaw Przybyszewski

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027205639

isbn:

СКАЧАТЬ

      – Ja, da saß Falk. Nun sagte er ...

      Verheiratet! klangs ihr stahlhart in den Ohren.

      – Ja wirklich: verheiratet mit Fräulein Perier.

      Sie ging ans Fenster und schaute hinaus.

      – Wie der Tag lang dauert. Ja! bis zum 21. Juni werden die Tage immer länger.

      Sie sah auf die Uhr. Es war fünf Uhr nachmittags.

      Nun wird der Bruder gleich vom Turnen kommen: sie mußte ihm Kaffee besorgen.

      Ein Wagen rollte in den Hof...

      – Du, Marit, Falk ist furchtbar krank ...

      Der Bruder erzählte hastig, sich überstürzend ... Als Hans ihn nach Hause gebracht hat, mußte er aus dem Wagen gehoben werden; er konnte keinen Menschen erkennen. Seine Mutter weinte furchtbar, und dann kam der Kreisphysikus ...

      – So, Falk ist krank ...

      Marit wollte dem Bruder erzählen, daß Falk verheiratet sei, aber sie bezwang sich.

      Nun wird seine Frau kommen, und wird den armen, Nikotin-vergifteten Mann pflegen, und seine Launen wie ein Engel ertragen ... ja ...

      Sie ging in ihr Zimmer hinauf.

      Man solle sie nicht stören; sie werde sich ein bißchen schlafen legen ...

      Falk ist furchtbar krank ... er mußte getragen werden ... seine Mutter weinte ...

      Marit lief unruhig hin und her ... Ich muß zu ihm gehen ... sofort ... er wird sterben.

      Ihr Kopf war zum Bersten; sie griff mit beiden Händen hoch.

      Verheiratet! Verheiratet! dröhnte es fortwährend.

      – Ich werde dich so glücklich machen, so glücklich, und werde dich niemals verlassen!

      Eine weinende Wut stieg ihr würgend in die Kehle: Gott! Gott! Wie er gelogen hatte!

      Und eine Scham und schäumende Empörung.

      Herrgott: wars denn wirklich geschehen? Ja ... o ja ... Glück.

      Sie fühlte, wie er leise ihren Körper wiegte; hin und her. Sie fühlte seine heißen, gierigen Lippen; auf ihrem ganzen Körper. Sie sah sich entkleidet; er umfing sie ... Und aus allen Ecken tauchten gräßliche Gespenster, wilde, lachende, verzerrte Maskengesichter, die sie angrinsten und anspien.

      Sie kroch in sich zusammen; sie warf sich auf das Bett, vergrub sich in die Kissen.

      Mit eignen Nägeln sich ein Grab aufscharren! O Schande ... Schande ...

      Auf den Jammer des Menschenkindes glotzte die Madonna mit blödem Lächeln ...

      Es dämmerte ...

      Jenseits des Sees verschwand die Sonne hinter den Gipfeln des Waldes und goß blutrote Lichter über die Spitzen der Bäume.

      Marit horchte.

      Sie hörte das Klappern des Storches und das Lachen der Mägde, die unten vor dem Hause Kartoffeln zum Abendbrot schälten.

      Dann hörte sie singen.

      Es war ihr Bruder.

      Dann schlief sie ein ...

      Als sie aufwachte, war es Nacht.

      Sie setzte sich auf den Bettrand; dachte nach. Aber die Gedanken zerstreuten sich fortwährend. Sie stierte gedankenlos in das Zimmer hinein.

      Sie war verdammt; von Gott verstoßen. Nun war alles gleichgültig. Alles.

      Sie dachte nach, was wohl nicht gleichgültig wäre?

      Nein, es war nichts da.

      – Falk ist krank; aber Falk hat sie betrogen. Er versprach ihr Glück, endloses Glück, und er war verheiratet. Jetzt kommt seine Frau und wird ihn pflegen; seine Marit ist verdammt. Wenn sie zu ihm geht, wird sie weggejagt. Und dann wird sie draußen wie ein Hund im Regen stehen, vor der Tür zusammengekauert. Nein, sie hatte kein Recht auf ihn – nichts, gar nichts auf der Welt.

      Nun ist alles weg. Vater weg, Mutter weg; Gott gibt es nicht. Ja, das hat Falk gesagt. Falk hat Recht. Sonst würde Gott sein Kind nicht so entsetzlich quälen können. Alles weg ...

      Endlich stand sie auf. Sie machte Licht; sie wollte ihr Haar ordnen. Sie trat vor den Spiegel.

      O Gott, wie sie aussah ... Nein, wie mager; wie mager ... o, es ist ja gleichgültig ...

      Das ganze Haus schlief.

      – Das Glück ... das endlose Glück ... Ja: er hat es mir gegeben ... Sie nahm Hut und Mantel und ging an den See.

      Sie setzte sich auf den Stein: »Kap der guten Hoffnung« hatte sie ihn genannt, als sie hier Tag aus, Tag ein auf Erik wartete.

      Im Walde gegenüber stand das kleine Fischerhäuschen. Ein Licht, ein winziges Pünktchen, kroch aus dem Fenster heraus und versank seltsam zerfetzt in den zitternden Wellen des Sees ... zerfetzt...

      Sie starrte auf das Licht und auf das schwarze Wasser ...

      Wie es zog ... wie das Wasser an ihr zog ...

      Alles, alles ist gleichgültig.

      Sie war allein; kein Mensch ihr eigen. Sie war im Wind und Wetter wie ein Hund vor die Tür gejagt ...

      Ja, nun kommt die Frau; sie nimmt ihn weg; und ich bleibe allein! Allmächtiger, barmherziger Gott: allein ... Nein, nein, nein! – Genug! Zu Ende!

      Er fährt weg. Kein Vater. Keine Mutter. Kein Gott ...

      Ihre Angst wuchs und wuchs. Sie nestelte fiebernd am Kleide.

      Plötzlich stieg ein furchtbarer Gedanke in ihr auf:

      Die Welt geht zu Grunde! Alles, alles wird zu Grunde gehn! Die Sündflut!

      Sie sprang jäh auf:

      Da war ein Strudel ... da ist es tief ... ein Knecht ist da im vorigen Jahr ertrunken ... mit beiden Pferden.

      Sie lief da hin. In ihrem Kopfe dröhnte es und brauste. Sie sah nichts; sie hörte nichts.

      Etwas war in ihr, das sie trieb. Sie brauchte nur zu rennen. Sie rannte.

      – Ja, hier!

      – Nein, noch die kleine Biegung da ... da!

      Sie schrie gell auf im Wasser ... wild ... sie rang.

      Leben! – Der Strudel ... Seligkeit ...

      XIII.

       СКАЧАТЬ