Название: Stanislaw Przybyszewski: Romane, Erzählungen & Essays
Автор: Stanislaw Przybyszewski
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027205639
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Wieder ein Blitz und Donner, und dann ein Platzregen wie ein Wolkenbruch.
Im Nu fühlte Falk Wasserströme über seinen Körper schießen. Es war aber kein sonderlich unangenehmes Gefühl.
Plötzlich sah er eine ungeheure Feuergarbe aus dem Wolkenhaufen spritzen; er sah sie sich in sieben Blitze spalten und im selben Augenblick eine Weide lichterloh in Flammen stehen. Sie war von oben bis unten zerfetzt und fiel auseinander.
– Leben und Zerstörung!
Der Schreck hatte seine Logik aufgerüttelt; er mußte auch das Angstgefühl beschwichtigen, das schon wieder in ihm hoch wollte.
– Ja, freilich, hm: Zerstörung muß es geben.
Marit ... Ja ... zerstört ...
Falk hatte plötzlich dieses deutliche, blitzhelle, visionäre Bewußtsein, daß er Marit zerstört habe.
– Warum auch nicht? Ich bin Natur und zerstöre und gebe Leben. Ich schreite über tausend Leichen: weil ich muß! Und ich zeuge Leben über Leben: weil ich muß!
Ich bin nicht Ich. Ich bin Du – Gott, Welt, Natur – oder was du bist, du ewiger Blödsinn, ewiger Hohn.
Ich bin kein Mensch. Ich bin der Übermensch: gewissenlos, grausam, herrlich und gütig. Ich bin Natur: ich habe kein Gewissen, sie hat es nicht ... ich habe keine Barmherzigkeit, sie hat keine ...
– Ja: der Übermensch bin ich.
Falk schrie die Worte.
Und er sah sich als die tödliche Feuergarbe, die da aus dem schwarzen Gewölk gespritzt war: in sieben Blitze hatte er sich gespalten und ein Täubchen am Wege zerfetzt. In tausend Blitze müsse er sich noch spalten und noch tausend Täubchen, tausend Kaninchen zerreißen, und so werde er ewig gehen und zeugen und töten.
Weil es nötig ist.
Weil ich muß.
Weil meine Instinkte es wollen.
Weil ich ein Nicht-Ich bin, ein Übermensch.
Braucht man sich darum zu quälen?
Lächerlich!
Weiß der Blitz, warum er tötet? – Und hat er Verstand, kann er seine Brunst lenken?
Nein! Nur konstatieren, daß er dort und dort eingeschlagen hat.
Ja: konstatieren, protokollieren – wie Sie wollen, Herr X.
Und ich konstatiere und protokolliere, daß ich heute ein Täubchen getötet habe ...
Die Atmosphäre war so mit Elektrizität überladen, daß um ihn her ein Meer von Feuer zu schwanken schien.
Und er ging, eingehüllt in den wilden Sturm; er ging und grübelte.
Und mitten in diesem Zorn des Himmels ging er selbst als eine zürnende, unheimliche Macht einher, ein Satan, auf die Erde geschickt mit einer Hölle von Qualen, neue schaffende Zerstörung über sie auszusäen.
Plötzlich blieb er vor der Schlucht stehen.
Sie war ganz mit Wasser gefüllt. Ein Gießbach schien entsprungen zu sein und strömte reißend dem See zu.
Umgehen konnte er ihn nicht; da würde er auf die verfluchte Landstraße kommen.
Übrigens ist es ja gleichgültig: bißchen mehr Wasser, bißchen mehr Schüttelfrost und Fieber: nein, das tut nichts.
Das tut alles nichts. Alles ist gleichgültig; ganz, ganz gleichgültig.
Und er watete durch den Gießbach.
Das Wasser reichte ihm bis über die Knie.
Als Falk nach Hause kam und sich zu Bette legte, fiel er in ein heftiges Delirium; die ganze Nacht lag er und warf sich hin und her in den wüstesten Fieberphantasien.
XII.
Falk wachte gegen Mittag auf. Er konnte seinen Kopf nicht aus den Kissen heben; er war schwer wie eine Bleikugel, und sprühende Funken tanzten vor seinen Augen.
Mühsam schob er die Kissen zurecht, setzte sich schließlich hoch, und versuchte einen Gegenstand ins Auge zu fassen.
Es gelang ihm.
Aber eine furchtbare Zwangsidee legte sich auf seinen Organismus. Er war wie hypnotisiert: er mußte Marit etwas sagen.
Was?
Er wußte es nicht.
Aber es war etwas; er mußte um jeden Preis hin zu ihr, er mußte ihr etwas sagen.
Mit übermenschlicher Anstrengung kroch er aus dem Bett.
Ja, er mußte etwas sagen.
Er kontrollierte sich.
Das war gewiß eine Zwangsidee. Ja. Aber trotzdem: er mußte hin zu Marit.
Er stand auf, mußte sich aber wieder setzen.
Die Sohlen berührten die Diele. Eine wohltuende, beinahe schmerzhafte Kälte prickelte durch seinen Körper.
Oh, wie gut das war!
Ein wenig Luft mußte er noch haben, ein wenig Morgenluft. Ja, wie spät war es eigentlich?
– So spät, so spät; aber es wird wohl kühl sein draußen. War wirklich ein Gewitter gewesen? oder hat er es nur geträumt?
Seine Kleider lagen in einer Wasserlache auf dem Boden.
Eine große Angst ergriff ihn.
– Nein, nein: die Mutter kann es nicht gesehen haben, sonst lägen die Sachen nicht hier.
Er fühlte sich kräftiger, ging an den Kleiderschrank und tauschte den Anzug.
Gott, Gott, wie der Kopf ihm schmerzte.
Mühsam zog er sich an.
Wie ein Dieb schlich er sich an die Tür des Zimmers, das die Mutter bewohnte.
Sie war nicht da!
Falk atmete auf. Es tat ihm weh.
– Nur das eine sagen ... Marit sagen ... dann werd ich wieder ins Bett kriechen ... dann kann ich krank sein. Aber nur sagen.
Er ging hinaus.
Als Marit ihn sah, sprang sie bestürzt auf.
Falk СКАЧАТЬ