Stanislaw Przybyszewski: Romane, Erzählungen & Essays. Stanislaw Przybyszewski
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Название: Stanislaw Przybyszewski: Romane, Erzählungen & Essays

Автор: Stanislaw Przybyszewski

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027205639

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      – Ob sie nicht einen Lampenschirm habe? Er könne das brutale Licht nicht vertragen.

      Marit brachte den Schirm.

      Das Gespräch stockte fortwährend.

      – Du darfst mir nicht übel nehmen, Marit, wenn ich heute länger bei dir bleibe. Ich kann ja doch nicht schlafen; und dann, weißt du, wenn ich so allein bin ... hm ... Ich störe dich doch nicht?

      Marits Gesicht färbte sich mit hektischer Röte. Sie konnte nicht sprechen; sie nickte ihm nur zu.

      Sie saßen eine Weile schweigend. Das ganze Dorf schlief. Das große Haus war wie ausgestorben. Das Gesinde hatte sich schon zur Ruhe gelegt. Die Schwüle war fast unerträglich. Eine stickige Ruhe lastete auf beiden, die dumpfe Luft draußen drückte bis ins Zimmer, und das regelmäßige Ticken der Uhr verursachte beinah einen körperlichen Schmerz.

      – Es ist merkwürdig, wie man hier einsam ist; es ist unheimlich. Hast du nicht manchmal Angst, wenn du so ganz allein in diesem großen Hause bist?

      – O ja, ich empfinde es furchtbar stark. Manchmal fühle ich mich hier so einsam und so verlassen, als wär ich ganz allein auf der Welt. Dann bekomme ich eine so gräßliche Angst, daß ich mich in die Erde vergraben möchte.

      – Aber heute fühlst du dich nicht verlassen?

      – Nein!

      Wieder trat eine Pause ein; eine lange, schweratmige Pause.

      – Hör mal, Marit, hast du noch die Gedichte, die ich dir im vorigen Frühling geschrieben habe? Ich möchte sie so gerne wieder lesen.

      – Ja, ich habe sie auf meinem Zimmer; ich werde sie sofort herunterholen.

      – Nein, Marit; ich werde mit hinaufgehen. Es ist viel gemütlicher in deinem Zimmer; so wunderbar gemütlich. Hier ist es so unheimlich, und ich, siehst du, bin sehr, sehr nervös.

      – Ja, aber, es könnte jemand hören, daß du mit gehst; das würde mir schrecklich sein.

      – O, er werde ganz still, ganz leise gehen; kein Mensch solle ihn hören. Übrigens schlafe das ganze Haus.

      Sie sträubte sich noch.

      – Süßes Täubchen, du brauchst wirklich keine Angst zu haben. Ich werde dir nichts tun – nichts, gar nichts. Ich werde still neben dir sitzen und die Gedichte lesen.

      Es donnerte.

      – Ja, ganz still; und wenn das Gewitter vorbei ist, werd ich ruhig nach Hause gehen ...

      Sie traten in Marits Zimmer; sie fühlten sich wie festgewurzelt. Es war zwischen ihnen eine Atmosphäre, die zu leben schien.

      Plötzlich fühlte sich Marit von ihm umschlungen. Vor ihren Augen quirlten feurige Blasen, wieder sah sie das heiße Jauchzen über dem Abgrund tanzen, sie flocht ihre Arme um ihn und stürzte sich kopfüber in das grausige Glück.

      Auf einmal schrak sie hoch.

      – Nein, Erik! nur das nicht ... Erik, nein! Nein!

      Sie keuchte.

      Falk ließ sie los.

      Er bewältigte sich mühsam.

      Eine lange Pause.

      – Hör mal Marit – seine Stimme klang rauh und hart – nun müssen wir uns trennen. Siehst du, du bist feig. Du bist ein Täubchen, ein Kaninchen; und ich bin ein guter Mensch. Ich bin der gute, liebe Erik. Nun, Marit, du hast nicht den Mut, mir zu sagen: Geh, laß mir mein reines Gewissen, laß mir die blödsinnige Jungfräulichkeit. Diesen Mut hast du nicht. Nun bin ich aber ein Mann; und so geh ich; mag kommen, was will.

      Ja, ich gehe. Ich lasse dir deine Moral, ich lasse dir dein religiöses Gewissen, ich lasse dir deine Jungfräulichkeit, und erspare dir die sogenannte Sünde. Nun sei glücklich; sehr, sehr glücklich ...

      Das Gewitter wurde lauter; im Fenster sah man grüne Furchen von Blitzen.

      Falk wandte sich zur Tür.

      – Erik, Erik, wie kannst du so grausam, so tierisch grausam sein?!

      Der ganze mühsam unterdrückte Jammer ihrer Seele brach empor. Sie krümmte sich vor Schmerz.

      – Erik! Erik! wimmerte sie.

      Falk kriegte eine wahnsinnige Angst.

      Er lief zu ihr, nahm den zuckenden Mädchenkörper in die Arme.

      – Nein, Marit, nein; es ist ja Wahnsinn. Ich bleibe bei dir. Ich werde dich niemals verlassen. Ich kann ja nicht weg von dir. Siehst du, ich glaubte, ich könnte. Aber ich kann nicht. Ich muß bei dir sein; ich muß. Ich werde dich niemals verlassen. Nein, Marit; du mein einziges Glück.

      Der Donner wälzte sich immer näher.

      – Ich bleibe immer bei dir. Immer. Ewig. Du bist mein Weib, meine Braut, alles, alles.

      Eine wüste Inbrunst fing in seinem Kopf zu wirbeln an.

      Und er wiegte sie in seinen Armen hin und her und sprach unaufhörlich von dem großen Glück, und vergaß alles.

      – Ja, ich werde dich glücklich machen ... so glücklich ... so glücklich ...

      Eine Sturzregenwelle klatschte gegen die Fensterscheiben.

      Nun waren sie wirklich allein in der Welt. Der Regen, die Blitze umgitterten sie.

      Marit umschlang ihn.

      – Erik, wie gut, wie gut du bist! Ja: nicht weg! Wir bleiben immer zusammen. Wir werden so glücklich sein.

      – Wir bleiben immer zusammen! wiederholte Falk, wie abwesend.

      Plötzlich kam er zur Besinnung. Wieder fühlte er das Harte, Grausame in sich, den Stein, der in Abgründe stürzt.

      Er preßte sie fester und fester.

      Sie hörten nicht das Donnern, sie sahen nicht das Feuer des Himmels. Alles drehte sich, alles verschmolz zu einer großen, tanzenden Feuerkugel.

      Falk nahm sie ...

      Das Gewitter schien sich verziehen zu wollen. Es war drei Uhr morgens.

      – Nun mußt du gehen!

      – Ja.

      – Aber nicht auf der Landstraße. Du mußt am See entlang gehn und dann über den Klosterzaun klettern. Man könnte dich sonst sehen, und morgen würde die ganze Stadt davon reden.

      Als Falk an den See kam, zog ein neues Gewitter herauf.

      Er sollte sich eigentlich irgendwo unterstellen. Aber er hatte keine Energie dazu. Es war ja übrigens auch gleichgültig, ob er ein bißchen naß würde.

      Der Himmel bedeckte sich mit dickem Gewölk; die Wolken ballten sich zusehends СКАЧАТЬ