Stanislaw Przybyszewski: Romane, Erzählungen & Essays. Stanislaw Przybyszewski
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Название: Stanislaw Przybyszewski: Romane, Erzählungen & Essays

Автор: Stanislaw Przybyszewski

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027205639

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СКАЧАТЬ Tage. Sie schrieben die Apologie die ganze Nacht hindurch, legten sich am frühen Morgen schlafen und schickten zum Fränkel ein Entschuldigungsschreiben.

      Falk konnte es noch nicht verstehen, wie so etwas durchgehen konnte.

      Diese famose Entschuldigung: Es sei selbstverständlich, daß man in die Schule nicht kommen könne, wenn man die ganze Nacht hindurch an der Apologie gearbeitet habe.

      Zwanzig Seiten lang ...

      Nun mußte er aber arbeiten.

      Er setzte sich wieder hin, aber die Arbeitsstimmung war vorbei. Er suchte sich zu zwingen, fischte ordentlich nach den Gedanken, kaute an dem Federhalter, schrieb auch ein paar Zeilen, die vollkommen banal waren: nein, es ging nicht.

      Ein andres Mal hätte er sicherlich eine jener bekannten Grabesstimmungen bekommen, die er im Alkohol ersäufen mußte. Diesmal war er froh.

      Er lehnte sich in den Stuhl zurück.

      Deutlich sah er die furchtbare Mansarde, in der sie beide das letzte Jahr im Gymnasium gewohnt hatten. In der einen Wand drei Fenster, die nie geöffnet werden durften, weil sonst die Gefahr vorlag, daß die Scheiben rausfliegen könnten. Alle Wände mit Schimmelpilzen über und über bedeckt. Und kalt, daß sich Gott erbarme.

      Wie sie einmal am frühen Morgen erwachten und sich erstaunt in dem Zimmer umsahen:

      – Merkwürdig frische Luft hier, sagte Mikita.

      – Ja, merkwürdig.

      Und es war ein Staunen ohne Grenzen über dies seltsame Phänomen.

      Ja, nachher wurde es klar. Es war eine Kälte, daß die Vögel erstarrt aus der Luft fielen.

      Falk stand auf. Ja, das waren doch seine schönsten Erinnerungen.

      Und der lange Kerl, der ihnen immer alle Bücher ausführte, wie hieß er doch nur?

      Er konnte sich lange nicht auf den Namen besinnen. Ja endlich: Longinus.

      Sonderbarer Mensch.

      Falk dachte nach, wie Mikita sich heimlich zu der stets verschlossenen Bude des Longinus Zugang verschafft und ihm ein Buch weggenommen hatte, das er ihm nicht leihen wollte.

      Plötzlich an einem Sonntag – ja, es war wohl wieder frische Luft im Zimmer ... Er wachte auf. Seltsame Szenerie: Mikita im Hemde, den Türschlüssel in der Hand, Longinus aufs Höchste empört, zitternd vor Wut.

      – Mach die Tür auf! zischte Longinus mit theatralischem Pathos.

      – Leg das Buch wieder hin, dann werd ich Dir aufmachen.

      Longinus in Heldenpose mit großen Kothurnenschritten hin und her, hin und her.

      – Mach die Tür auf! brüllte er heiser.

      – Leg das Buch zurück.

      Longinus schäumte. Plötzlich kam er an Falk heran.

      – Du bist ein feiner, gebildeter Mann. Du kannst doch nicht leiden, daß ich in meinem Rechte nach irgend welcher Richtung hin beeinträchtigt werde.

      Ja, Longinus pflegte immer in sehr gewählter und wohlgesetzter Rede zu sprechen.

      – Ja, bedaure, Mikita hat den Schlüssel.

      Nun schritt Longinus feierlich an Mikitas Bett heran:

      – Ich spreche Dir jede Art Bildung ab.

      Das war das größte Schimpfwort, das er je ausgesprochen hatte.

      – Mach die Tür auf. Ich bin vergewaltigt und überlasse Dir das Buch.

      Gott! wie sie gelacht haben. Und es war Sonntag. Sie sollten eigentlich in der Kirche sein. Die Kirche hatten sie immer geschwänzt. Sie waren doch gar zu überzeugungstreue Atheisten.

      Aber gefährlich war es. Der fanatische Religionslehrer spionierte in der Kirche herum ...

      Ha, ha, ha.

      Falk dachte, wie er einmal in der Kirche seiner »Flamme« gegenübersaß – ja, er saß auf dem Katafalke, wollte recht graziös und interessant erscheinen und verharrte die ganze endlose Messe hindurch in einer recht unbequemen Stellung, in der er einmal Byron auf dem Grabe Shelleys abgebildet gesehen hatte.

      Gab das einen Skandal!

      Nun wollte er sich wieder zur Arbeit aufraffen, aber er konnte die Gedanken nicht sammeln. Das flog und schwirrte alles in seinem Gehirne herum um diese herrliche Zeit.

      Er kaute gedankenlos an dem Federhalter und wiederholte: War das eine herrliche Zeit!

      Wie sie plötzlich Ibsen entdeckt hatten, wie ihnen »Brand« den Kopf verdrehte.

      Alles geben oder Nichts! Ja, nun wurde das ihre Parole.

      Und sie suchten die Spelunken der Armen auf und scharten die Proletarierkinder um sich herum.

      Wieder sah sich Falk in der Mansarde.

      Fünf Uhr Morgens. Ein Gepolter von Holzschuhen auf den Treppen, als ob man eine Kanone nach oben schleppte.

      Dann wurde die Türe aufgemacht und nun im Gänsemarsch: ein Junge, ein Mädchen – zwei Jungen – zwei Mädchen, die ganze Stube voll.

      Alles am Ofen um den großen Eichentisch herum.

      – Mikita, steh auf! Ich bin wahnsinnig müde.

      Mikita fluchte.

      Er könne nicht aufstehen. Er habe die ganze Nacht an dem lateinischen Aufsatz gearbeitet.

      Mit einem Ruck waren sie beide auf, ganz wütend und haßerfüllt gegen einander.

      Das Zähneklappern in dieser Kälte!

      Und nun: er am Ofen, prustend und fluchend, weil das Holz kein Feuer fangen wollte, Mikita an dem großen Milchkessel, den er mit Spiritus erwärmte.

      Allmählich wurden sie weicher gestimmt.

      Die Kinder wie junge Raubtiere über die Milch und das Brot her – Mikita, von der Seite, strahlend, glücklich.

      Und dann: Kinder hinaus!

      Jetzt sahen sie sich regelmäßig freundlich an.

      Falk wurde es ganz warm ums Herz.

      Er hatte das längst vergessen. Es stak, weiß Gott, ein großer, schöner Inhalt da drin.

      Dann, gewöhnlich Scham, weil sie sich auf Sentimentalität – nein, Ästhetik nannten sie es – ertappen ließen, und schließlich Zank.

      – Nibelungenlied ist doch eigentlich ein leeres, dummes Gewäsch. Mikita kannte Falks schwache Seiten sehr gut.

      Das wollte er selbstverständlich nicht zugeben. Er disputierte mit unglaublichem Eifer und СКАЧАТЬ