Stanislaw Przybyszewski: Romane, Erzählungen & Essays. Stanislaw Przybyszewski
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Название: Stanislaw Przybyszewski: Romane, Erzählungen & Essays

Автор: Stanislaw Przybyszewski

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027205639

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СКАЧАТЬ also der große Mann nimmt ein Mikroskop, träufelt darauf einen Tropfen Quecksilber und schaut auf den Mond. Ja, nun das Merkwürdige: Der Mond erscheint ihm selbstverständlich in sonderbarer, verschwommener Gestalt. Aber Herr Gott, sagt sich der große Mann plötzlich: der Fleck da, ist das nicht Europa? und dort, dieses viereckige Ding, das ist ja das leibhaftige Australien.

      Gott, wie Sie wunderbar lachen! Wissen Sie, Sie bekommen dabei eine so wunderbare, zarte Vertiefung um die Augen ...

      Nein, Sie haben recht: ich will zu Ende erzählen. Der große Mann zieht also mit der ihm eigentümlichen Genialität aus seinem Befunde folgende Konsequenz: Der Mond hat keine Krater ... Sie wissen doch, daß der Mond Vulkane haben soll? Nun, der große Mann sagt, es sind keine Krater, keine Vulkane: der Mond ist einfach mit einer glatten Kiesschicht überdeckt und unsere Erde spiegelt sich in ihm wieder.

      Marit lachte wie ein Kind.

      – Nein, wie lustig Sie nur über die großen Menschen sprechen; haben Sie denn gar keinen Respekt vor großen Menschen?

      – Das habe er wahrhaftig nicht. Er habe sie alle gesehen, im Frack und im intimsten Negligée, sie seien immer so unendlich lächerlich. Sie nehmen sich so furchtbar ernst und feierlich und stolzieren in der steifen Grandezza einer gotischen Architektur einher. Ich muß dann immer an die lächerlichen Affenmenschen denken, die der Gott des Herrn Professors Nietzsche sich geschaffen hat, um an ihrem Ernste seinen Spaß zu haben.

      Falk sann nach ... Einmal nur habe er doch einen großen Menschen gesehen: einen, vor dem er sich beuge.

      – O, das müssen Sie mir absolut erzählen; das ist doch ungemein merkwürdig, daß Ihnen, Herrn Erik Falk, ein Mensch imponiert hat.

      – Ja, ja, das ist wirklich merkwürdig. Ich habe tatsächlich keinen Größenwahnsinn – noch nicht; aber ich habe noch keinen Menschen getroffen, der sich mit mir messen könnte. Aber der Mann war groß. Ich habe ihn in Kristiania getroffen. Der Mann sah klein aus; er hatte eine ungeheuer stille, befangene, linkische Manier und Augen, große, sonderbare Augen. Sie hatten nicht das obligatorisch Forschende, Spionierende von den Augen sonstiger großer Menschen. Es stak in ihnen etwas von den gebrochenen Flügeln eines Vogels, eines großen königlichen Vogels. Er hatte eine Geige, und wir gingen zusammen zu einem Bekannten. Dort tranken wir Pjolter, sehr viel Pjolter, wie wir, ja, wir guten Europäer überhaupt zu trinken pflegen. Und dann fing er zu spielen an, ganz im Dunkeln; er hatte die große Verschämtheit des überfeinen Empfindens. Niemals habe ich eine so nackte Musik gehört. Es war, als ob ich ein zitterndes Taubenherz vor mir hätte, das warm, aus der Brust herausgeschnitten ist. Es war da in der Musik etwas von einem unerhörten Jammer, der die Lungen zerrt und die Kehle würgt. Marit, süße, gute Marit: und da stiegst Du vor mir auf; aus diesem Jammer der Töne: Du, Du warst dies Taubenherz, dieser eine vibrierende Ton, der nach Glück schrie und in Qual erstarb ...

      Nein, erlauben Sie, Sie müssen mich jetzt ausreden lassen, ich muß davon sprechen ...

      – Nein, das wolle sie um keinen Preis; sie könne solche Szenen wie gestern nicht ertragen. Er solle vernünftig sein, er sei so nervös.

      Falk schwieg, Marit würgte ihre Tränen herunter. So gingen sie eine Weile schweigend.

      – Sie haben mich gestern um Freundschaft gebeten, also habe ich als Freundin gewisse Rechte.

      – Ja, das haben Sie, selbstverständlich.

      – Ob er denn wirklich verheiratet sei?

      – Nein, das bin ich nicht. Ich habe nur ein Kind, das ich über alle Maßen liebe; und zu ihm will ich nun zurück und will mit ihm leben, irgendwo in Ober-Italien – ja, das ist wirklich mein Plan. Ich liebe das Kind so unendlich; ich wüßte nichts, was ich so liebte.

      Marit wurde nervös und schwieg.

      – Das Kind nämlich sei wirklich ganz wunderbar ...

      Und nun fing Falk an von dem Kinde zu reden mit einer ganz ungewohnten Wärme und Innigkeit, und dabei richtete er seine Augen scharf auf Marit.

      Marit litt sichtlich.

      – Übrigens, das wisse sie wohl nicht: er sei in Paris sehr krank gewesen, er habe sich an Nikotin vergiftet, ja, an Nikotin. Er wäre wahrscheinlich zu Grunde gegangen, wenn er nicht eine ganz ausgezeichnete Pflege gehabt hätte.

      – Wer hat Sie denn gepflegt?

      – Ja, das ist eine sehr merkwürdige Dame. Sie ist sehr intelligent und spielt ganz wunderbar Klavier. Oh ja, sie hat den Verstand von einem Manne.

      – Ist das die Mutter von dem Kinde?

      – O nein, mit der Mutter habe ich nichts zu schaffen.

      Marit sah erstaunt zu ihm auf.

      – Aber Sie haben doch gestern gesagt, daß sie die Dame nicht los werden können? Sie sagten, sie habe sich wie eine Klette an Sie gehängt.

      Falk wurde verwirrt.

      – Hab ich das wirklich gesagt?

      – Ja, das haben Sie gesagt; sie sagten sogar, daß wir nur deshalb nicht glücklich werden können.

      Falk dachte nach.

      – Dann muß ich wirklich betrunken gewesen sein. Nein, ich verstehe nicht ...

      Er stellte sich, als sei er maßlos über sich verwundert. Marit mußte ihm haarklein das Gespräch von gestern wiederholen.

      – Ja, ja; ich war wirklich betrunken. Nein, Sie dürfen nichts, durchaus nichts darauf geben, was ich in solchem Zustand sage; dann pflege ich nämlich zu komponieren.

      Marit sah ihn mißtrauisch an.

      – Sie müssen mir glauben; ich pflege nämlich, wenn ich betrunken bin, die merkwürdigsten Geschichten zu erzählen. Nein: die Mutter ist verschwunden. Ich glaube, sie ist jetzt Modell, oder so was ähnliches, und wohnt mit einem Bildhauer zusammen.

      Marit wurde sehr froh; sie lächelte.

      – Also war die ganze Geschichte von gestern eine Komödie?

      – Ja, ja, beeilte sich Falk zu antworten, aber das war eine Komödie, die ich im besten Glauben aufgeführt habe; ich habe nämlich an alles geglaubt, was ich sagte.

      Marit konnte es noch nicht verstehen, aber sie schwieg. Falk wurde unruhig.

      – Nein, nein, mit der Mutter habe ich schon lange nichts mehr zu schaffen. Die Dame, die mich gepflegt hat, ist eine ganz andere; sie heißt Fräulein ... Perier. Zwei Wochen hat sie an meinem Bette gesessen, meine furchtbaren Launen mit der Geduld eines Engels ertragen und mir die wunderbarsten Geschichten vorgespielt; Tag und Nacht saß sie bei mir.

      – Wohnte sie denn bei Ihnen?

      Falk machte ein erstauntes Gesicht.

      – Ja, was ist denn dabei? In Europa – er unterstrich das Wort – existiert eine große Freiheit im Verkehr zwischen Frauen und Männern. Da gibt es nicht die blödsinnigen Vorurteile wie hier. Hier kann eine Dame mit einem Menschen offiziell vor aller Welt verlobt sein, und hinter dem Paar müssen doch die Mutter und zwei Tanten herlaufen. Nein, in Europa gibt es keine religiösen noch konventionellen Vorschriften СКАЧАТЬ