Stanislaw Przybyszewski: Romane, Erzählungen & Essays. Stanislaw Przybyszewski
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Название: Stanislaw Przybyszewski: Romane, Erzählungen & Essays

Автор: Stanislaw Przybyszewski

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027205639

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СКАЧАТЬ Ruhe gehabt: er mußte zu ihr gehen, mußte sie sehen ...

      Der Frühlingstag war zu Ende. Es fing an zu dämmern. Sie standen beide am Fenster. Sie sahen auf den Fluß und jenseits die bewaldeten Höhen hinan. Von dem Flusse stiegen Nebel auf und breiteten sich über die Anhöhen und krochen in den Wald hinein, und es sah aus, als wäre der Fluß aus den Ufern getreten und wollte nun mit seiner Flut die ganze Welt überströmen. Nach und nach verschwanden die Anhöhen und der Wald, und die weite, glänzende Nebelfläche floß mit dem Himmelshorizont zusammen.

      Von Herrn Kauer kam die Nachricht, daß das Stündchen noch ein Stündchen dauern würde und daß Falk um jeden Preis so lange bleiben müsse.

      Sie blieben allein. Falk trank unaufhörlich. Nur hin und wieder sprach er irgend ein gleichgültiges Wort.

      – Sie dürfe ihm nicht übel nehmen, daß er so viel trinke; es sei für ihn jetzt wirklich notwendig. Er sei sehr heruntergekommen; ein Delirium indessen sei noch nicht zu befürchten. Übrigens sei das alles furchtbar gleichgültig. Oh, sie dürfe nicht glauben, daß er sentimental geworden sei; nein. Aber man könne doch ganz objektiv konstatieren, ganz einfach, als eine feststehende Tatsache konstatieren, daß man nicht glücklich sei. Sie solle es nicht auf ihn beziehen; oder – vielleicht doch. Aber all das sei so dumm und so gleichgültig; sie brauche kein Gewicht darauf zu legen.

      Marit trat plötzlich an ihn heran.

      – Wissen Sie, Herr Falk, spielen wir keine Komödie! Nein, ganz offen wollen wir sprechen. Als Sie hier vor einem Jahre waren, ja erinnern Sie sich noch: damals, als wir uns kennen lernten? Damals haben Sie mir gesagt, daß Sie mich lieben. Sie haben es mir auch geschrieben. Ich habe alle Ihre Briefe; sie sind mein großer Schatz. Nun, Sie wissen, wie ich zu Ihnen bin; ja. Sie wissen es ganz genau. Sie müssen gut sein. Ich habe Ihnen vertraut. Ich habe mich dem Gefühl der Liebe zu Ihnen ganz hingegeben. Ich wollte diese Liebe anfangs unterdrücken. Ich wußte, daß sie ziellos sei. Sie haben mir so oft gesagt, daß Sie selbst nur um der Liebe willen lieben. Sie haben mir ganz offen gesagt, daß Sie mir nichts versprechen können, daß unsere Liebe keine Zukunft habe. Ich wollte auch keine Versprechungen. Ich habe nichts von Ihnen erwartet. Ich liebte Sie, weil ich sie lieben mußte –

      Marit verwirrte sich immer mehr. Sie wollte ihm so viel sagen, aber nun preßte sich alles zusammen, staute sich und drängte sich vorwärts, ungeregelt, zusammenhanglos.

      – Ja, Herr Gott, nein! Nicht das wollte ich Ihnen sagen. Ich will nur, daß Sie offen zu mir sprechen, daß Sie mir die ganze Wahrheit sagen. Ich habe mich so unaussprechlich gequält, ich habe so viel gelitten ...

      Falk sah sie verwundert an. Was sie denn eigentlich wissen wolle?

      – O Sie wissen doch schon; es wird jetzt so viel in der ganzen Gegend von Ihnen gesprochen, und alle diese Reden müssen einen Grund haben. Ja: sagen Sie mir: ist das alles wahr? das – das mit der Französin – und – nein – das ist doch unmöglich ...

      – Was denn?

      – Ich meine ... das Kind.

      – Kind? Hm ...

      Falk ging mit großen Schritten auf und ab. Es trat ein quälendes Schweigen ein. Vom Hof her hörte man die Stimme eines Knechtes. Plötzlich blieb Falk vor ihr stehen.

      – Nun, ich will Ihnen die ganze brutale Wahrheit sagen; alles, alles will ich Ihnen sagen; ganz offen. Ja, ich werde ganz offen sein, selbst auf die Gefahr hin, daß Sie mich nicht hören wollen und mir die Tür weisen. Freilich habe ich ein Kind; das Kind lebte schon, bevor ich Sie kennen lernte. Ja, das Kind ist eine herrliche Sache; es hat mich gerettet, dieses Kind. Es war wie ein festes Rückenmark, das mich wieder synthetisiert hat. Ich ging ganz auseinander, ich verlumpte schon. Ich war schlimmer wie der Schlimmste. Nein, Sie müssen mich ruhig anhören. Ich war ein Mann, ein Männchen, und als solches hatte ich das Recht Kinder zu zeugen ...

      Nun, wenn Sie Ihre dumme Prüderie nicht ablegen können, müssen Sie keine Geständnisse provozieren.

      Marit hatte Tränen in den Augen.

      – Verzeihen Sie, mein Fräulein, aber ich bin sehr nervös.

      Die Tränen flossen ihr herab.

      – Gute, teure Marit! Sei gut, Marit! Höre mich an, wie nur eine kluge Schwester anhören kann. Wenn Du auch nicht die Hälfte verstehst, höre mich an ...

      Herrgott, wolle sie denn weiter Blindekuh spielen und im Finstern tappen? Das könne er nicht dulden, dazu sei sie ihm zu fein und intelligent.

      Freilich hab ich einen Sohn, und liebe ihn. Seine Mutter, nein, die liebe ich nicht. Ich war, als sie mir damals in den Weg lief, in vollständiger Zerrüttung; sie war gut zu mir, wir lebten zusammen, und so haben wir einen Sohn gezeugt.

      – Mein Gott, mein Gott, wie ist das möglich?

      – Ja, es ist vieles möglich.

      Falk sprach mit müder Stimme und trank wieder. Er ging ein paar mal auf und ab, dann nahm er ihre Hand ...

      – Marit! jetzt werde ich es Dir ganz offen sagen. Marit: Du darfst mich nicht lieben. Ich war ein Elender. Ja, ich habe Deine Liebe verlangt, ich bat und flehte Dich um Deine Liebe, aber damals glaubte ich, daß ich Dich glücklich machen könnte. Ich glaubte daran, ich wollte Dich zu meiner Frau machen, und Du hättest meinen Sohn geliebt. Aber das Weib hängte sich wie eine Klette an mich an. Hundertmal versuchte ich sie abzuschütteln, aber ich konnte nicht, und werds wohl auch nicht können.

      Falk schien sehr erregt zu sein; Marit wollte ihn unterbrechen.

      – Nein, nein, sie solle ihn ausreden lassen. Ja, er habe dran geglaubt, daß er sie glücklich machen werde. Deshalb, nur deshalb habe er ihre Liebe großgenährt; sie dürfe nicht glauben, daß er ein Schurke sei. Aber jetzt, jetzt sei alles vorbei. Jetzt dürfe er diese Liebe nicht mehr verlangen; nein, es sei unmöglich. Nicht eine Unze Glück könne er ihr geben; das sei völlig ausgeschlossen. Nur das Eine: eine Freundin, eine Schwester solle sie ihm werden.

      Marit saß wie ohnmächtig.

      Falk kniete vor sie hin und griff nach ihren Händen.

      – Du, sei gut, sei meine Freundin. Geliebte kannst Du mir nicht sein. Nein, auch Freundin nicht – nein; ich gehe, ich gehe jetzt. Antworte mir; Du darfst mich nicht mehr sehen, nicht mehr. Also Du: leb wohl, ich gehe.

      Falk erhob sich taumelnd.

      Aber in dem Augenblick sprang Marit wie verzweifelt auf.

      – Nein, bleiben Sie! bleiben Sie! Tun Sie, was Sie wollen; aber ich muß Sie sehen; ich werde sonst krank. O Gott, Gott, ist das furchtbar!

      Falk fiel plötzlich über sie her.

      – Nein, um Himmelswillen, nein! Sie stieß ihn weg und lief aus dem Zimmer.

      Falk setzte sich an den Tisch, trank die Flasche leer und starrte vor sich hin. Die Dunkelheit tat ihm wohl.

      Auf einmal fuhr er auf.

      – Das ist doch merkwürdig, wie man vor einer Lampe erschrecken kann. Ich bin doch sehr nervös.

      Marit lächelte müde; sie stellte die Lampe auf den Tisch.

      – Papa muß sofort kommen; СКАЧАТЬ