Stanislaw Przybyszewski: Romane, Erzählungen & Essays. Stanislaw Przybyszewski
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Название: Stanislaw Przybyszewski: Romane, Erzählungen & Essays

Автор: Stanislaw Przybyszewski

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027205639

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СКАЧАТЬ ein guter Mensch. Ich bin ein Gentleman. Ich darf Sie nicht Papas Vermutungen exponieren.

      II.

       Inhaltsverzeichnis

      Am andern Tage kam Falk wieder nach Elbsfeld.

      Er war freundlich, tat, als ob er sehr froh wäre, konnte jedoch nur ungenügend eine nervöse Gereiztheit verhehlen.

      – Nicht wahr? Es ist doch nichts vorgefallen? Sie haben alles vergessen, ganz gewiß vergessen. Ich erinnere mich an gar nichts.

      Marit schlug die Augen zu Boden.

      – Ja, es gehe ihm zu Zeiten so, daß er auf ganze Stunden das Bewußtsein, nein nur das Erinnerungsvermögen verliere, ohne eigentlich betrunken zu sein. Freilich habe er gestern viel getrunken; aber er habe doch nicht den Anschein der Betrunkenheit erweckt? Oder doch? – Nun, dann habe er sich nur so angestellt, um alles ungestraft sagen zu können. Das tue er nämlich oft.

      Falk sprach übertrieben viel und schnell; er war sehr lustig.

      Marit sah ihn erstaunt an.

      – Was ihm denn eigentlich so frohes passiert sei?

      – O, er habe sehr gute Nachrichten aus dem Ausland bekommen; sein Buch sei ins französische übersetzt und ungemein günstig aufgenommen worden. Und er freue sich aufrichtig darüber. Er bewundere durchaus nicht die Franzosen, aber Paris sei doch die einzige Kulturstätte in Europa und das oberste Tribunal in Sachen des Geschmackes ...

      Ja, und dann, das können die sich nicht denken, wie das unglaublich komisch war; das muß ich Ihnen erzählen.

      Marit sah ihn wieder an; ihr Erstaunen wuchs. Was war ihm nur eigentlich?

      – Wissen Sie, daß Papa mich gestern mit seiner Equipage hat nach Hause fahren lassen? Selbstverständlich wissen Sies. Wir fahren also, und fahren sehr schnell.

      Auf einmal bleiben die Pferde stehen, sie schlagen aus, bäumen und wiehern wie die Hengste im Märchen, die plötzlich menschliche Stimmen bekommen. Der Kutscher schlägt auf sie los, aber es wird nur noch schlimmer. Nun steigt er vom Bock, ich krieche aus der Kutsche, wir fassen die Pferde am Zaum und versuchen sie vorwärts zu bringen. Es geht nicht; die Pferde werden wild, und der Kutscher konstatiert zum Überfluß, daß sie nicht gehen wollen. Was ist denn um Himmelswillen geschehen? Es war so dunkel, daß man hätte Ohrfeigen austeilen können, ohne gesehen zu werden. Na, ich fasse Mut, tappe mit Händen und Füßen vorsichtig auf dem Wege herum, und – glauben Sie mir, ich habe genug persönlichen Mut, die merkwürdigsten Skandale anzustellen, aber diesmal blieb mir einfach das Herz stehen. Ich stolperte nämlich über einen Sarg und fiel mit den Knien auf einen Kadaver.

      Marit fuhr zusammen.

      – Nein, das ist nicht möglich.

      – Ja, wahrhaftig. In meiner Angst schrei ich nach dem Kutscher, im selben Nu natürlich schäm ich mich meiner menschlichen Unwillkürlichkeit, da bekomme ich aufs Neue einen furchtbaren Ruck: ich höre deutlich ein qualvolles Stöhnen. Ich erinnere mich nicht, jemals einen so tierisch unreflektierten jähen Schreck empfunden zu haben.

      Aber mein Gott, Sie werden ja ganz blaß. Nein, beruhigen Sie sich; das ist ja das unglaublich Komische an der ganzen Geschichte, daß es kein Kadaver war, sondern ein wirklicher lebendiger Mensch, der betrunken aus der Stadt mit einem Sarge kam. Da er betrunken war und sehr schläfrig, hatte er den Sarg vom Wagen herunter geschleppt, das Pferd laufen lassen und sich in den Sarg hineingelegt, um seinen Rausch in Schönheit auszuschlafen.

      Marit lachte herzlich.

      – Das war wirklich komisch.

      – Gott, wie mich das freut, daß ich Sie zum Lachen gebracht habe. Nein; Sie müssen lachen, den ganzen Tag müssen Sie lachen; ja, wir werden beide ganz wie Kinder sein, und ich werde gut bleiben, wie jetzt. Oder bin ich etwa nicht gut? Ja doch. Schön; so gut bleib ich den ganzen Tag, niemals werd ich mehr so garstig sein wie gestern.

      Falk lachte ihr zu, dann wurde er ernst; er sah sie tief an. Gott, wie dies Menschenkind herrlich war!

      – Marit, mein Liebling, ich möchte mich wie ein Teppich unter Ihre Füße legen, ich möchte mich ...

      Nein, nein; ich werde nicht mehr über diese Dinge reden.

      Falks Augen wurden feucht. Marit blickte mit unaussprechlicher Liebe in sein Gesicht.

      – Er solle sich nicht quälen. Nein, das könne sie nicht sehen. Sie werde ganz krank davon. Wolle er, daß sie leide?

      – Nein, nein, Marit; ich bin ja wieder lustig.

      Beide schwiegen.

      – Ob er nicht ein wenig spazieren gehen möchte, am See entlang?

      – Ja, das wolle er sehr gern.

      Es war ein herrlicher Frühlingstag.

      Vor ein paar Tagen war es plötzlich grün geworden. Die Bäume trieben Blätterkeime, die Saat wuchs zusehends, und die Anhöhen am anderen Seeufer bäumten sich empor in der saftigen Pracht ihres jungen Rasens.

      Sie gingen und ihre Füße versanken im weichen, feuchten Sand.

      Falk schwieg; von Zeit zu Zeit sammelte er Steine am Ufer und warf sie flach über den Seespiegel hin. Sein Gesicht wurde ernster und ernster, wie das eines Menschen, der einen tiefen Gram beherbergt.

      Er ging und sah vor sich hin, dann sammelte er wieder platte Steinchen und warf sie auf das Wasser.

      Marit sah ihn immer trauriger an.

      – Nein, er solle sie nicht so quälen. Warum spreche er denn nicht? Sie könne diese furchtbaren Pausen nicht aushalten.

      – Ja, ja, ja ... Falk schien aufzuwachen. Ja; gleich, sofort! Nun, er werde ihr wunderbare Dinge erzählen ...

      Er lachte übertrieben lustig.

      – Also von Paris, nicht wahr? Dort habe er große Menschen getroffen. Ob sie denn überhaupt wisse, was ein großer Mensch sei? Doch? Nun, dann brauche sie wohl keine Erklärungen.

      Lustig sind die großen Menschen, Fräulein Marit, das können Sie mir glauben; ich habe sehr viele von ihnen getroffen. Namentlich der Eine, o! der war ungemein merkwürdig. Er haßte die Weiber, weil er sie so maßlos liebte. Er war, verzeihen Sie mir den Ausdruck, aber er ist so bezeichnend, er war wie ein toller Hengst.

      Nein, nein, sie solle solche Worte nicht mehr von ihm hören. Nein, nicht diese Geschichten. Er wisse ja: sie sei eine gute, brave Katholikin, und der Ausdruck stamme wahrhaftig nicht von den heiligen Vätern ab.

      – Der große Mann also – warten Sie doch ein wenig, ich werde nichts schlimmes sagen; diese Dinge gehören nur zur Psychologie dieses Mannes. Er war nämlich merkwürdig paradoxal. Er wollte alles anders tun, als sonstige Menschen. So sagte er sich: wozu soll ich mit dem Teleskop auf den Mond schauen, das kann ich ja ebenso gut mit dem Mikroskop tun.

      Nein, haben Sie aber ein СКАЧАТЬ