Название: Dr. Daniel Staffel 3 – Arztroman
Автор: Marie Francoise
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Dr. Daniel Staffel
isbn: 9783740918033
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Durch die Bäume konnte Stefanie das strahlende Weiß des Klinikbaus schimmern sehen, doch in ihrem momentanen Zustand war der knappe Kilometer, der sie vom Krankenhaus trennte, eine unüberwindbare Strecke – noch dazu in dem unwegsamen Waldgelände, in dem sie sich jetzt befand.
»Hilfe!« Ihre Stimme überschlug sich beinahe. »Hilfe!«
Doch ihre Schreie verhallten ungehört.
*
Stefan Daniel erschien trotz aller Eile zehn Minuten zu spät zu der Nachtschicht, die Dr. Metzler ihm zur Strafe aufgebrummt hatte, doch der Chefarzt bemerkte es nicht. Und Martha Bergmeier, die als Sekretärin und Mädchen für alles in der Klinik arbeitete, erzählte Stefan dann auch sofort, daß Dr. Metzler und Dr. Scheibler noch immer den Notfall vom Nachmittag operierten.
»Da hab’ ich ja Glück gehabt«, meinte Stefan erleichtert. »Also, Frau Bergmeier, ich bin auf der Station, falls mich der Chefarzt sucht.«
»In Ordnung, Herr Dr. Daniel.«
Unwillkürlich erschrak Stefan bei dieser Anrede. Dr. Daniel war für ihn immer noch allein sein Vater, und obwohl er selbst nun auch schon seit geraumer Zeit den Doktortitel hatte, hatte er sich noch immer nicht so richtig daran ge-wöhnt, damit angesprochen zu werden.
Auf der Station war es ruhig. Die Patienten hatten längst zu Abend gegessen, die meisten lagen in ihren Betten und lasen, manche schliefen bereits, obwohl draußen erst die Dämmerung heraufzog.
Stefan betrat das Ärztezimmer, ließ die Tür aber offen, damit er gleich zur Stelle sein könnte, wenn er gebraucht wurde. Als er sich an den Schreibtisch setzen wollte, sah er, daß Dr. Metzler ihm für die Nachtschicht noch Arbeit hergerichtet hatte.
»Er hat anscheinend Angst, daß ich vor Langeweile einschlafen könnte«, grummelte Stefan. Normalerweise mochte er Wolfgang sehr gern, er war sogar Stefans großes Vorbild, doch heute regten sich beim Gedanken an den Chefarzt nicht gerade freundliche Gefühle in ihm. Die Standpauke, die er über sich hatte ergehen lassen müssen, saß noch zu tief. Dazu kamen der Streit mit Rabea und ihre Vorwürfe, die ihn mitten ins Herz getroffen hatten.
Ein zaghaftes Klopfen an der Tür riß Stefan aus seinen Gedanken. Er blickte auf und direkt in das faltige Gesicht eines Patienten, der wegen eines Bandscheibenvorfalls in der Klinik war.
»Guten Abend, Herr Reiser«, begrüßte Stefan ihn freundlich, aber mit gewisser Besorgnis in der Stimme. »Haben Sie Schmerzen?«
Egon Reiser schüttelte den Kopf. »Nein, Herr Doktor, aber… ich hätte eine Bitte an Sie. Der Abend ist noch so schön. Ich würde gern ein bißchen in den Park hinuntergehen. Aber wegen meiner Gehbehinderung… Sie wissen schon, die alte Kriegsverletzung…« Verlegen rieb er sich das Kinn. »Würden Sie mich wohl zu der Bank am Waldsee begleiten?«
Stefan kämpfte mit sich. »Das darf ich eigentlich nicht, Herr Reiser. Wissen Sie, ich habe Nachtschicht, und wenn etwas passiert, während ich weg bin…« Er warf einen Blick auf die Uhr. »Andererseits… es sind ja nur ein paar Minuten.«
»Ich hätte Sie auch gar nicht belästigt, Herr Doktor«, beteuerte Egon Reiser. »Aber ich kann Schwester Irmgard nirgends finden, und wenn ich noch länger warte, dann lohnt es sich ja gar nicht mehr.«
Stefan nickte. »Das verstehe ich schon, Herr Reiser. Die Nachtschwester ist sicher nur rasch in die Gynäkologie hinübergegangen. Ich hinterlasse ihr eine kurze Nachricht, dann können wir gehen. Schwester Irmgard wird Sie dann in einer Stunde wieder holen. Ist das recht?«
Das Gesicht des alten Mannes strahlte. »Ja, Herr Doktor, das ist prima. Überhaupt sind hier alle so nett. Ich bin ja so froh, daß mich Frau Dr. Carisi hierher überwiesen hat. Eine gute Ärztin… ganz anders als der alte Dr. Gärtner.«
Egon Reiser plauderte weiter vor sich hin, während er mit Stefans Hilfe die Treppe hinunterging.
Wenn Wolfgang mich erwischt, dann kann ich mein Testament machen, ging es Stefan derweil durch den Kopf, und er hoffte inständig, daß der Chefarzt noch eine Weile im Operationssaal festgehalten werden würde.
Egon Reiser ahnte nicht, wie gewagt dieses Unternehmen für Stefan war. Schön langsam, um seinen Rücken nicht zu überanstrengen und auch die Schmerzen im rechten Bein so gering wie möglich zu halten, ging er durch den Park auf den Waldsee zu und erzählte dabei unaufhörlich irgendwelche Geschichten aus seinem langen, ereignisreichen Leben. Stefan kannte den Patienten gut genug, um zu wissen, daß er sein mangelndes Interesse an diesen Geschichten nicht bemerken würde. Er sehnte die Bank herbei, an der er Egon Reiser absetzen konnte, und dann mußte er schauen, daß er schnellstens in die Klinik zurückkäme.
In diesem Moment hörte Stefan den Hilfeschrei.
»Hat da nicht jemand gerufen?« fragte Egon Reiser mit gerunzelter Stirn. Er war gerade bei seinen Erlebnissen aus dem Krieg angelangt, und da kam es gelegentlich schon vor, daß er etwas hörte, was gar nicht da war. Meistens war es das Surren von Granaten oder das Jaulen von Sirenen. Einen Hilfeschrei hatte er in seiner Phantasie aber noch nie gehört.
»Schaffen Sie die wenigen Schritte bis zur Bank auch allein?« fragte Stefan hastig. »Ich glaube, ich werde da hinten irgendwo gebraucht.«
»Selbstverständlich, Herr Doktor«, versicherte Egon Reiser, während Stefan schon loslief, um nachzuschauen, wer da um Hilfe rief.
»Hallo! Wo sind Sie?«
»Hier!« erklang die weibliche Stimme. »Ein paar Meter rechts vom Waldsee.«
Stefan wandte sich in die Richtung, aus der die aufgeregte Stimme kam, und dann sah er sie auch schon.
»Stefanie!« rief er erschrocken aus. »Um Himmels willen, was ist denn passiert?«
Sie streckte beide Arme nach ihm aus. »Stefan. Gott sei Dank.« Und dann begann sie plötzlich zu weinen. Ihr schmerzendes Fußgelenk, die Wehen, die in immer kürzeren Abständen kamen, und die Gewißheit, daß sie völlig allein war, hatten ihr die letzten Nerven geraubt.
Tröstend nahm Stefan die junge Frau in die Arme. »Ist ja gut, Steffi. Ich bin bei dir.« Dann sah er ihr prüfend ins Gesicht. »Was ist passiert? Hast du dich verletzt?«
»Ich bin…« Stefanie schaffte es nicht, den Satz zu beenden, weil sie schon wieder vom Wehenschmerz überfallen wurde.
»Ach, du liebe Zeit«, entfuhr es Stefan. »Seit wann hast du Wehen?«
»Ich weiß es nicht«, schluchzte Stefanie, als der Schmerz wieder verebbt war. »Ich liege schon eine halbe Ewigkeit hier und habe inzwischen jedes Zeitgefühl verloren. Ich weiß nur, daß sie in immer kürzeren Abständen kommen.«
Das bemerkte auch Stefan, denn kaum hatte die junge Frau ausgesprochen, da kam schon wieder eine Wehe.
»Wir müssen sofort in die Klinik«, erklärte er.
»Ich kann nicht!« Stefanies Stimme klang jetzt fast hysterisch. »Mein Fußgelenk… ich bin gestürzt und kann nicht aufstehen…«
Sekundenlang schloß Stefan die Augen. Wie sollte er mit dieser Situation СКАЧАТЬ