Die verlorene Handschrift. Gustav Freytag
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Название: Die verlorene Handschrift

Автор: Gustav Freytag

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ Sache sprechen oder schreiben, auch mir das Zeugniß nicht versagen, daß ich allen billigen Wünschen nachgegeben habe.«

      »Wir werden sehn, was sich thun läßt,« versetzte der Doctor.

      »Wohlan, in einem Steinbruch an meiner Grenze sind fremde Arbeiter beschäftigt, sie sollen versuchen, den Stein auszulösen und wieder in seine Lage zu bringen. Damit wird, wie ich hoffe, diese Sache für immer abgemacht. – Ilse, laß morgen in der Frühe das Holzgestell im Weinkeller ausräumen.«

      Am nächsten Tag kamen die Steinarbeiter, mit ihnen stiegen die drei Herren und Ilse in den Keller und sahen neugierig zu, wie Spitzhacke und Brecheisen ihre Gewalt an dem vierkantigen Stein versuchten. Er war auf den Fels gesetzt und tüchtige Anstrengung war nöthig, ihn zu lösen. Aber auch die Leute erklärten, daß dahinter eine große Höhlung sei, und arbeiteten mit einem Eifer, der durch den Ruf des gespenstigen Hauses sehr gesteigert wurde. Endlich wich der Stein, eine dunkle Oeffnung bot sich den Augen, die Zuschauer traten näher, die beiden Gelehrten in lebhafter Spannung, auch der Landwirth und seine Tochter voll Erwartung. Der Steinbrecher faßte schnell das Licht und hielt es vor die Oeffnung, ein feiner Dunst zog heraus, erschreckt fuhr der Mann mit dem Lichte zurück. »Da drin liegt etwas Weißes,« rief er zwischen Angst und Hoffnung. Ilse sah auf den Professor, der mit Mühe die Erregung beherrschte, welche in seinem Antlitze arbeitete. Er griff nach dem Licht, da wehrte sie ihm und rief ängstlich: »Nicht Sie.« Sie eilte zu der Oeffnung und fuhr mit der Hand in den hohlen Raum. Sie faßte Greifbares, man hörte ein Rasseln, sie zog schnell die Hand zurück, aber auch sie warf, was sie festgehalten, erschreckt auf den Boden: es war ein Stück Gebein.

      »Das ist eine ernste Antwort auf Ihre Frage,« rief der Landwirth, »wir zahlen einen theuren Preis für den Scherz.« Er nahm das Licht und suchte jetzt selbst in der Oeffnung, ein Haufen zusammengefallener Knochen lag darin. Die Andern standen in unbehaglichem Schweigen herum. Endlich warf der Landwirth einen Schädel in den Keller und rief sich erhebend als ein Mann, der von peinlichem Gefühl befreit wurde: »Es ist das Gebein eines Hundes!«

      »Es war ein kleiner Hund,« bestätigte der Steinhauer und schlug mit dem Eisen an einen Knochen, das morsche Gebein brach in Stücke.

      »Ein Hund!« rief der Doctor erfreut und vergaß für einen Augenblick seine getäuschte Hoffnung. »Das ist lehrreich. Die Grundmauer dieses Hauses muß sehr alt sein.«

      »Es freut mich, daß Sie auch mit diesem Fund zufrieden sind,« versetzte der Landwirth ironisch.

      Der Doctor aber ließ sich nicht stören und erzählte, wie im frühen Mittelalter ein abergläubischer Brauch gewesen sei, in die Grundmauer fester Gebäude etwas Lebendes einzuschließen. Die Gewohnheit stamme aus uralter Heidenzeit. Die Fälle seien selten genug, wo man dergleichen in alten Bauten gefunden, und das Gerippe des Thieres sei eine schöne Bestätigung.

      »Wenn es Ihre Ansicht bestätigt,« sagte der Landwirth, »meine bestätigt es auch. Eilt, ihr Leute, den Stein wieder fest zu machen.«

      Jetzt leuchtete und fühlte auch der Steinhauer in die Oeffnung und erklärte, daß nichts mehr darin sei. Die Arbeiter rückten den Stein an seine Stelle, der Wein wurde eingeräumt und die Sache war abgethan. Der Doctor aber trug die spöttischen Bemerkungen, welche der Landwirth nicht sparte, mit großer Ruhe und sagte ihm: »Was wir erreicht haben, ist allerdings nicht viel, aber wir wissen doch jetzt mit Sicherheit, daß die Handschrift nicht an dieser Stelle Ihres Hauses liegt, sondern an einer andern. Ich nehme ein sorgfältiges Verzeichniß aller hohlen Stellen mit, und wir begeben uns unserer Ansprüche an Ihr Haus wegen dieses Fundes durchaus nicht, sondern wir betrachten Sie von jetzt ab als einen Mann, der den Codex zu seinem Privatgebrauch auf unbestimmte Zeit geliehen hat, und ich versichere Sie, Wunsch und Sorge werden uns unaufhörlich um dieses Haus schweben.«

      »Lassen Sie den Menschen, die darin wohnen, auch etwas von den guten Wünschen zu Theil werden,« sagte lachend der Landwirth, »und vergessen Sie nicht, daß Sie bei Ihrem Suchen nach der Handschrift in Wahrheit auf den Hund gekommen sind. Ich hoffe übrigens, daß diese Entdeckung mein armes Haus von dem üblen Rufe befreien wird, Schätze zu enthalten. Und um diesen Gewinn will ich mir die unnöthige Arbeit recht gern gefallen lassen.«

      »Das ist der größte Irrthum Ihres Lebens,« erwiederte der Doctor überlegen, »gerade das Entgegengesetzte wird stattfinden. Unsere Entdeckung wird von allen Leuten, welche ein Gemüth für Schätze haben, so verstanden werden, daß Ihnen nur der Glaube fehlte, und daß Sie nicht die nöthige Feierlichkeit anwandten; deshalb ist der Schatz Ihren Augen entrückt und zur Strafe der Hund beigesetzt worden. Ich weiß besser, wie Ihre Nachbarn dergleichen der Nachwelt überliefern. Harre in Frieden deiner Entdeckung, Tacitus, dein beharrlichster Freund scheidet, denn er, den ich dir zurücklasse, fängt an, der Gleichgültigkeit dieses Hauses unbillige Zugeständnisse zu machen.«

      Er sah ernsthaft auf den Professor hinüber und rief seinen Begleiter Hans zu einem letzten Besuche im Dorfe, um dort noch von seinen weisen Frauen dankbaren Abschied zu nehmen und ein schönes Volkslied einzuheimsen, dem er auf die Spur gekommen war.

      Er blieb lange aus, denn nach dem Liede kam unvermuthet noch eine wundervolle Geschichte zum Vorschein von einem Herrn Dietrich und seinem Pferd, welches Feuer schnaubte.

      Als der Professor gegen Abend nach ihm aussah, traf er auf Ilse, welche, ihren Strohhut in der Hand, zu einem Gang ins Freie gerüstet war. »Ist Ihnen recht,« sagte sie, »so gehen wir Ihrem Freunde entgegen.« Sie schritten einen Rain entlang, zwischen abgeräumten Feldern, auf denen hier und da wildes Grün aus den Stoppeln herauftrieb.

      »Der Herbst naht,« bemerkte der Professor, »das ist die erste Mahnung.«

      »Wir in der Wirtschaft,« erwiederte Ilse, »sind wie Till Eulenspiegel gutes Muths, so oft wir im Winter durchmachen, was Andern lästig scheint. Wir denken dann auf das nächste Frühjahr, und wir freuen uns der Ruhe. Wenn die Windsbraut dahinfährt und den Schnee mannshoch in die Thäler weht, wir sitzen im Warmen.«

      »Uns in der Stadt aber vergeht der Winter, fast ohne daß wir ihn merken. Nur die kurzen Tage, die weißen Dächer erinnern daran, unsere Arbeit aber verläuft unabhängig vom Wechsel der Jahreszeiten. Und doch hat mich der Blätterfall seit meiner Kindheit betrübt, und im Frühjahr habe ich immer Lust, die Bücher bei Seite zu werfen und durch das Land zu laufen, wie ein Handwerksgesell.«

      Sie standen an einem Garbenhaufen. Ilse bog einige Aehrenbündel zum Sitz zurecht und sah über die Felder nach den fernen Bergen.

      »So ist’s mit uns gerade umgekehrt und anders, als man denken sollte,« begann sie nach einer Weile, »wir sind hier wie die Vögel, die Jahr aus, Jahr ein lustig mit den Flügeln schlagen, Sie aber denken und sorgen um andere Zeiten und andere Menschen, die lange vor uns waren; Ihnen ist das Fremde so vertraut, wie uns der Aufgang der Sonne und die Sternbilder. Und wie Ihnen wehmüthig ist, daß der Sommer endet, ebenso wird es mir schmerzlich, wenn ich einmal von vergangener Zeit höre und lese, und am traurigsten machen mich die Geschichtsbücher. So viel Unglück auf Erden, und gerade die Guten nehmen so oft ein Ende mit Leid. Ich werde dann vermessen und frage, warum hat der liebe Gott das so gewollt? Und es ist wohl recht thöricht, wenn ich das sage, ich lese deshalb nicht gern in der Geschichte.«

      »Diese Stimmung begreife ich,« erwiederte der Professor. »Denn wo die Menschen ihren Willen durchzusetzen streben gegen ihr Volk und gegen ihre Zeit, werden sie am Ende fast immer als die Schwächeren widerlegt; auch was der Stärkste etwa siegreich durchsetzt, hat keinen ewigen Bestand. Und wie die Menschen und ihre Werke, vergehen auch die Völker. Aber wir sollen nicht an die Schicksale eines einzelnen Mannes oder Volkes unser Herz hängen, sondern wir sollen verstehen, wodurch sie groß wurden und untergingen, und welches der bleibende Gewinn war, welcher dem Menschengeschlecht durch ihr Leben erhalten wurde. Dann wird der Bericht über ihre Schicksale nur wie eine Hülle, hinter welcher wir die СКАЧАТЬ