Die verlorene Handschrift. Gustav Freytag
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die verlorene Handschrift - Gustav Freytag страница 30

Название: Die verlorene Handschrift

Автор: Gustav Freytag

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

Серия:

isbn:

isbn:

СКАЧАТЬ versetzte die Gattin matt, »ich habe nie an deinem Herzen gezweifelt, aber dein Charakter ist rauh. Und die Hunde haben eine zu häßliche Stimme. Willst du, um deinen Willen durchzusetzen, deine Frau durch Schlaflosigkeit leiden sehen und immer kränker werden sehen, so sag’s. Willst du, um deinen Charakter zu behaupten, den Frieden mit der Nachbarschaft opfern, so sag’s.«

      »Ich will nicht, daß du krank wirst, und ich will die Hunde nicht weggeben,« versetzte Herr Hummel, ergriff seinen Filzhut und ging mit starken Schritten nach der Fabrik.

      Wenn sich aber Herr Hummel der Hoffnung hingab, den schwersten Hauskampf als Sieger beendet zu haben, so wandelte er in großem Irrthum. Noch war eine andere Macht innerhalb seiner Grenzen übrig, und diese eröffnete den Feldzug auf ihre Weise. Als Hummel in seinem kleinen Comtoir an das Pult trat, sah er neben dem Tintenfaß einen Blumenstrauß. An dem rosa Seidenband hing ein kleiner Brief, gesiegelt mit der Oblate Vergißmeinnicht, überschrieben: »Meinem lieben Papa.« »Das ist mein Blitzmädel,« murmelte er, öffnete das Billet und las folgende Zeilen: »Lieber Papa, guten Morgen, die Hunde machen uns große Sorgen, sie sind gar zu häßlich, und ihr Gebell ist gräßlich. Was den Unfrieden mehrt und die Nachbarn stört, behalte nicht in Hof und Hut. Sei edel, Vater, hilfreich und gut.«

      Hummel lachte kräftig, daß die Arbeit in der Fabrik stockte und Jedermann über die gute Laune verwundert war. Dann bezeichnete er den Zettel mit dem Datum des Empfanges, steckte ihn in die Brieftasche und begab sich nach Durchsicht der eingelaufenen Briefe in den Garten. Er sah seine kleine Hummel mit der Gießkanne über die Beete fahren und Vaterstolz schwellte ihm das Herz. Wie behend sie sich drehte und beugte, wie ihr die dunkeln Löckchen um das blühende Antlitz hingen, wie geschäftig sie die Kanne hob und schwenkte! Und als sie ihn erblickte, das Gefäß hinsetzte und ihm mit dem Finger drohte, da wurde er vollends bezaubert. »Wieder Verse,« rief er ihr entgegen, »es ist Numro neun, die ich kriege.«

      »Und du wirst mein guter Papa sein,« rief Laura auf ihn zueilend und streichelte sein Kinn. »Schaffe sie ab.«

      »Siehst du, Kind,« sagte der Vater behaglich, »ich habe schon mit deiner Mutter darüber gesprochen, und ich habe ihr auseinandergesetzt, weshalb ich sie nicht abschaffen kann. Jetzt darf ich doch nicht dir zu Gefallen thun, was ich deiner Mutter nicht zugeben konnte. Das wäre gegen die Hausordnung. Respectire deine Mutter, kleine Hummel.«

      »Du bist hartherzig, Vater,« versetzte die Tochter schmollend. »Und sieh, du hast in dieser Sache Unrecht.«

      »Oho,« rief der Vater, »kommst du mir so?«

      »Was that uns das Glockenspiel drüben zu Leid? Das Häuschen ist hübsch, und wenn wir Abends im Garten sitzen und der Wind geht und die Glocken leise bimmeln, das hört sich gut an, es ist wie in der Zauberflöte.«

      »Hier ist keine Oper,« rief Hummel ärgerlich, »sondern offene Straße. Und wenn meine Hündlein bellen, so kannst du ja auch deine Theaterideen haben und denken, daß du in der Wolfschlucht bist.«

      »Nein, mein Vater,« erwiederte die Tochter eifrig. »Du hast Unrecht gegen die Leute. Denn du willst ihnen einen Possen thun. Das kränkt mich in tiefstem Herzen. Und das leide ich nicht an meinem Vater.«

      »Du wirst’s doch leiden müssen,« entgegnete Hummel verstockt. »Denn dies ist ein Streit zwischen Männern, hier finden Paragraphen der Polizeiordnung statt, da bleibe du mit deinen Versen hübsch davon. Was die Namen angeht, so ist wohl möglich, daß andere Wörter, wie Adolar und Ingomar und Marquis Posa, euch Weibern besser klingen. Dies aber ist für mich kein Grund, meine Namen sind praktisch. In deinen Blumen und Büchern will ich dir Vieles zu Gefallen thun, aber Poesie bei Hunden beachte ich nicht.« Damit kehrte er der Tochter den Rücken, bemüht, dieses Streites ledig zu werden.

      Laura aber eilte in die Stube zur Mutter, und die Frauen traten in Berathung. »Der Lärm war arg,« klagte Laura, »aber schrecklicher ist der Name. Mutter, ich kann dieses Wort nicht aussprechen, und du darfst nicht leiden, daß unsere Leute die Hunde so nennen.«

      »Liebes Kind,« versetzte die erfahrene Frau, »man erlebt auf Erden viel Unbilliges, aber am meisten schmerzt, was gegen die Würde der Frauen im eigenen Hause geübt wird. Ich spreche mich darüber nicht weiter aus. Was nun den Namen Bräuhahn betrifft, so hat dieser, welcher, wie ich höre, ein benachbartes Getränk ist, Manches, was zu seiner Entschuldigung gesagt werden kann, und etwas müssen wir darin dem Vater nachgeben. Die andere Bezeichnung aber, darin gebe ich dir Recht, wäre eine Beschimpfung der Nachbarn. Doch wenn der Vater merkt, daß wir hinter seinem Rücken den rothen Hund Phöbus oder Azor nennen, so wird das Uebel ärger.«

      »Den bösen Namen wenigstens soll Niemand in den Mund nehmen, dem an meiner Freundschaft gelegen ist,« entschied Laura und eilte in den Hof.

      Gabriel benutzte seine einsame Muße, die neuen Ankömmlinge zu beobachten. Es zog ihn öfter nach dem Hundestall, dort die irdische Beschaffenheit der Fremdlinge festzustellen.

      »Was ist Ihre Meinung?« frug Laura, zu ihm tretend.

      »Ich habe so meine Meinung,« antwortete der Diener, in die Tiefe des Stalles spähend. »Nämlich in den da steckt doch etwas. Haben Sie heut Nacht den Gesang dieser Raben beachtet? So bellt kein richtiger Hund. Sie winseln und jammern, dazwischen krächzen sie und sprechen wie kleine Kinder. Ihr Fressen ist gewöhnlich, aber ihre Lebensart ist unmenschlich. Sehen Sie, jetzt ducken sie sich, wie auf’s Maul geschlagen, weil die Sonne auf sie scheint. – Und dann, liebes Fräulein, der Name!«

      Laura sah neugierig auf die Thiere. »Wir ändern den Namen in der Stille, Gabriel, dieser hier soll nur der Rothe heißen.«

      »Das wäre schon besser, es wäre wenigstens nicht injuriös für Herrn Hahn, sondern nur für die Kellerwohnung.«

      »Wie meinen Sie das?«

      »Da doch drüben der Markthelfer Rothe heißt.«

      »Dann also,« entschied Laura, »wird das rothe Unthier von jetzt ab nur das Andere genannt, und so sollen ihn unsere Leute rufen. Sagen Sie das auch den Arbeitern in der Fabrik.«

      »Andres?« versetzte Gabriel. »Der Name wird ihm schon recht sein. Dies Gesindel hat’s nicht gern, wenn es mit ordentlichem Zeichen gerufen wird. Dieses Andere wird am besten wissen, woher das Eine stammt, dem es zugehört. Na, die Nachbarschaft wird meinen, daß er Andreas heißt, damit geschieht ihm immer noch zu viel Ehre.«

      So war billiger Sinn geschäftig, die böse Vorbedeutung des Namens abzuwenden. Vergebens. Denn, wie Laura richtig im Tagebuch bemerkte, wenn der Ball des Unheils unter die Menschen geworfen wird, so trifft er erbarmungslos die Guten wie die Bösen. Der Hund wurde mit dem unscheinbarsten Namen versehen, der gar kein Name war. Aber durch eine unbegreifliche Verbindung der Ereignisse, welche allen menschlichen Scharfsinn höhnte, geschah es, daß Herr Hahn selbst den Vornamen Andreas führte. So wurde der Doppelname des Geschöpfes eine doppelte Kränkung des Nachbarhauses, und Alles schlug zu schrecklichem Unglück um, Tort und gute Meinung kochten zusammen zu einer dicken, schwarzen Suppe des Hasses.

      Gleich in der Frühe, als Herr Hummel vor die Thür trat und trotzig wie Ajax die beiden Hunde mit ihren feindlichen Namen rief, vernahm Markthelfer Rothe im Kellerstock den Ruf, eilte in die Stube seines Hausherrn und meldete diese häßliche Kränkung. Frau Hahn versuchte, die Sache nicht zu glauben, und setzte durch, daß wenigstens eine Bestätigung abgewartet wurde. Aber diese Bestätigung blieb nicht aus. Denn am Nachmittag öffnete Gabriel die Thür des Zwingers und zwang die Geschöpfe, sich auf eine Viertelstunde dem Sonnenlicht des Gartens auszusetzen. Laura, welche unter ihren Blumen saß und gerade nach ihrem stillen Ideal, einem berühmten Sänger, blickte, der mit geölten schwarzen Locken und einem Feldherrnblick vorüberschritt, verzichtete als wackeres Mädchen darauf, ihrem Liebling durch das СКАЧАТЬ