Die verlorene Handschrift. Gustav Freytag
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Читать онлайн книгу Die verlorene Handschrift - Gustav Freytag страница 37

Название: Die verlorene Handschrift

Автор: Gustav Freytag

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ Volk durch unser Land, es sind Gaukler, die zu Kirmes und Vogelschießen ziehen, aber seit einigen Jahren haben sie sich nicht in die Nähe des Guts gewagt.«

      Der Trupp nahte, aus dem Trott wurde stürmisches Laufen, im Augenblick waren die Freunde von sechs bis acht dunklen Gestalten umringt, welche mit leidenschaftlicher Geberde drängten und laut schreiend die Hände ausstreckten, Männer, Weiber, Kinder im Getümmel durcheinander. Erstaunt sahen die Freunde in die blitzenden Augen, die heftigen Bewegungen und auf die Kinder, welche mit den Füßen stampften und mit ihren Händen den Leib der Fremden betasteten wie Wahnsinnige.

      »Zurück, ihr Wilden,« rief Ilse, drang durch die Bande und stellte sich vor die Freunde. »Zurück, wer spricht für den Haufen?« wiederholte sie unwillig und hob gebietend den Arm. Der Lärm verstummte, ein braunes Weib, nicht kleiner als Ilse, das glänzende Haar in Flechten gebunden und mit einem bunten Kopftuch umschlungen, trat aus der Schaar und streckte die Hand gegen Ilse aus: »Meine Kinder bitten,« sagte sie, »sie hungern und dürsten.« Es war ein großes Antlitz mit scharfen Zügen, in denen noch die Spuren früherer Schönheit sichtbar waren. Mit vorgebeugtem Kopf stand sie der Jungfrau gegenüber und ihre funkelnden Augen fuhren spähend von einem Antlitz auf das andere.

      »Geld haben wir nur für die Menschen, welche uns arbeiten,« antwortete Ilse kalt. »Für den Fremden, der dürstet, ist unser Quell, und dem Hungernden geben wir von unserm Brot, Sie erhalten nichts weiter aus unserm Hause.«

      Wieder hob sich ein halbes Dutzend Arme und wieder drängte der wilde Haufe heran. Die Führerin trieb ihn durch einen Ruf in fremder Sprache zurück. »Wir wollen dir arbeiten, Fräulein,« sagte sie in geläufiger Phrase mit gebildetem Accent, »die Männer bessern altes Geräth, wir scheuchen dir Maus und Ratte aus den Mauern, hast du ein krankes Pferd, wir heilen es schnell.«

      Ilse bewegte verneinend das Haupt. »Eurer Hilfe bedürfen wir nicht. Sprechen Sie zu mir ohne Gaukelei, wie man zu ordentlichen Leuten redet, ich weiß wohl, daß Sie das recht gut können, wenn Sie wollen. Wo ist euer Passierschein?«

      »Wir haben keinen,« sagte die Frau, »wir kommen weit aus der Fremde.« Sie wies nach der aufgehenden Sonne.

      »Und wo wollen Sie zur Nacht rasten?« frug Ilse.

      »Wir wissen es nicht. Die Sonne will untergehen, und meine Leute sind müde und barfuß,« versetzte die Fremde.

      »Sie dürfen nicht nahe am Hofe und nicht nahe bei den Dorfhäusern lagern. Die Brote erhalten Sie am Hofthor, dorthin schickt Jemanden, der sie abholt. Und wenn ihr ein Feuer anzündet auf unserer Flur, so hütet euch, den Garben nahe zu kommen, wir werden auf euch Acht geben. Und Niemand schleicht auf das Gut und in das Dorf, den Leuten wahrzusagen, das leiden wir nicht.«

      »Wir sagen nicht wahr,« antwortete die Frau und berührte mit der Hand ein kleines schwarzes Kreuz, welches sie am Halse trug. »Die Zukunft kennt hier unten Keiner, auch wir wissen nichts davon.«

      Ilse neigte ehrerbietig das Haupt. »Gut,« sagte sie, »wie auch der Sinn ist, welchen Sie hinter Ihren Worten bergen, Sie sollen mich nicht umsonst an die Gemeinschaft gemahnt haben, die zwischen uns ist. Kommen Sie selbst an das Thor, Mutter, und erwarten Sie mich dort. Brauchen Sie etwas für die Kleinen, so will ich zu helfen suchen.«

      »Wir haben ein krankes Kind, schönes Fräulein, und dem Buben fehlen die Kleider,« bat die Landfahrerin, »ich komme, und meine Leute werden thun, wie Sie wollen.« Sie gab ein Zeichen und der wilde Zug trabte gehorsam einen Seitenweg entlang, der dem kleinen Dorfe zuführte. Die Freunde sahen der Bande neugierig nach.

      »Daß solche Scene in diesem Lande möglich wäre, hätte ich nie geglaubt,« rief der Doctor.

      »Sie waren früher bei uns eine Landplage,« versetzte Ilse gleichmüthig. »Sie stammen von Zigeunerart. Ein Landesherr in der Nähe hatte ihnen Unterschlupf gegeben, aber sie waren ein unartiges Gesinde. Jetzt sind sie selten, der Vater hält streng auf Ordnung, und sie wissen das recht gut. Doch wir müssen zurück in den Hof, denn Vorsicht kann bei dem diebischen Volk nicht schaden.«

      Sie eilten nach dem Hofe, Ilse rief den Inspector, und die Kunde, daß die Landläufer in der Nähe waren, flog wie ein Lauffeuer durch den Hof. Die Ställe wurden verwahrt, das Federvieh und die Familien der fettumwachsenen Schweine der Obhut von zwei handfesten Mägden übergeben, der Schäfer und die Knechte erhielten Befehl, Nachtwache zu halten. Ilse rief die Kinder, sie gab ihnen das Abendbrot und fand schwer die Aufgeregten zu bändigen. Die Jüngsten wurden der Mamsell unter starkem Protest und Thränen übergeben zu sicherer Aufbewahrung in ihren Betten. Dann suchte Ilse alte Röckchen und Linnen zusammen, belud eine Magd mit zwei Broten und schickte sich an, zum Hofthor zu gehen, wo die Frau sie erwarten sollte. Der Doctor hatte sich in seiner Freude über die Fremden aller Sorge um den Freund entschlagen. »Erlauben Sie uns, die Verhandlung mit der Sibylle anzuhören,« bat er.

      Sie fanden die Landstreicherin in der Dämmerung vor dem Thor sitzend, neben ihr ein halbwüchsiges Mädchen mit prachtvollen Augen und langen Zöpfen, aber mangelhaftem Gewande. Das Weib erhob sich und nahm mit vornehmer Haltung die Spende in Empfang, welche ihr Ilse reichte.

      »Segen über Sie, Fräulein,« rief sie, »alles Glück, das Sie sich jetzt wünschen, soll Ihnen zu Theil werden. Und Sie haben ein Angesicht, welches Glück verheißt. Segen über Ihr goldenes Haar und die blauen Augen. Ihnen danke ich,« schloß sie sich verneigend. »Wollen die Herren nicht auch meinem Mädchen ein Andenken schenken?« Die wilde Schöne hielt ihre Hand hin. »Die Sonne hat ihr das Gesicht verbrannt, seien Sie freundlich gegen die arme Schwarze,« bettelte die Alte, und dabei sah sie lauernd in der Runde umher. Der Professor schüttelte verneinend das Haupt, der Doctor griff nach seiner Börse und legte der Alten ein Geldstück in die Hand. »Das Prophezeien habt ihr aufgegeben?« frug er lachend.

      »Es bringt Unglück dem, der wahrsagt, und dem, der fragt,« versetzte die Fremde. »Hüte sich der Herr vor allem, was bellt und kratzt, denn ihm kommt Unglück von Hunden und Katzen.« Ilse und der Professor lachten, die Augen der Landstreicherin suchten unterdeß unruhig in dem Gebüsch.

      »Wir können nicht wahrsagen,« fuhr sie geläufig fort, »wir haben keine Macht über die Zukunft und wir irren wie ihr andern auch. Aber Manches sehen wir doch, schönes Fräulein, und ohne daß Sie es verlangen, will ich’s Ihnen sagen. Der Herr da neben Ihnen sucht einen Schatz, und er wird ihn finden, aber er soll sich hüten, daß er ihn nicht verliert; und Sie, stolzes Fräulein, werden einem Manne lieb sein, der eine Krone trägt, und Sie werden die Wahl haben, ob Sie eine Königin werden wollen, die Wahl und die Qual,« setzte sie leiser hinzu, und ihre Augen flogen wieder unruhig umher.

      »Hinweg mit euch!« rief Ilse unwillig, »solch Geschwätz stimmt schlecht zu euren Worten.«

      »Wir wissen nichts,« murmelte die Fremde demüthig, nach dem Zeichen an ihrem Halse fassend. »Wir haben nur unsere Gedanken. Und unsere Gedanken sind eitel oder wahr, je nachdem ein Stärkerer will. Leben Sie wohl, schönes Fräulein,« rief sie mit Nachdruck und schritt mit ihrer Begleiterin in die Tiefe.

      »Wie stolz sie dahingeht,« rief der Doctor, »Respect vor dem klugen Weibe, sie wollte nicht wahrsagen, aber sie konnte doch nicht vermeiden, sich durch geheimes Wissen zu empfehlen.«

      »Sie hat sich längst bei den Feldarbeitern nach uns Allen erkundigt, und sie kennt den Hof,« versetzte Ilse lachend.

      »Wo nur ihr Lager aufgeschlagen ist?« frug der Doctor neugierig.

      »Wahrscheinlich hinter dem Dorfe,« versetzte Ilse. »Im Thal sehen wir wohl die Feuer. Die Fremden haben nicht gern, wenn man ihrem Lager nahekommt und zusieht, was sie als Abendkost verzehren.«

      Sie stiegen langsam in das Thal hinab und blieben am Ufer des Baches СКАЧАТЬ