Dore Brandt. Alice Berend
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Название: Dore Brandt

Автор: Alice Berend

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ die Fensterscheiben klirrten leise. –

      »Nu haben wir se wieder uff'n Halse, nu läßte scheen det Fluchen, wenn de Abend nach Hause kommst, vastehste. Sonst kindigt se, un ick kann warten, bis ich wieder fufzig Märker für det Loch ohne Klavier krieje«, sagte draußen in der Küche Frau Klinkert zu ihrem Sohn, während sie einen Bückling mit Haut und Gräten verspeiste.

      »Ach wat«, antwortete der Sohn mit vollem Munde, »ach wat, denn krichste vielleicht eene mit 'n Verhältnis, und det is denn ville eindringlicher.«

* * *

      Vergeblich bemühte sich die Sonne Dore zu wecken. Sie sandte durch den Spalt der Gardine einen breiten Lichtstrahl schräg über das Bett des jungen Mädchens. Sie spielte mit den rotbraunen Locken, die sich um die Stirn der Schlafenden und über das weiße Kissen ringelten, sie streichelte die schmale Hand, welche die Decke bis an das rundliche Kinn emporzog, sie küßte dreist den kleinen, roten, ein wenig geöffneten Mund, ohne daß Dores Schlummer im geringsten gestört wurde.

      Das gelang Frau Klinkert besser.

      »Wach'n Se uff, Freileinchen, Se sind nich mehr ans Meer«, schrie sie mit ihrer fetten Stimme, während sie mit den Fingerknöcheln gegen die verriegelte Tür trommelte. »Wenn Se valleicht Probe haben, denn man hurtig, is neine durch. Kaffe is fertig.«

      Damit trottete sie unbekümmert um die Wirkung ihrer Worte in die Küche zurück. Sie war ihrer Sache sicher.

      »Neun vorüber.« Dore war mit einem Schlage ermuntert.

      Um zehn Uhr mußte sie im Theater sein.

      »Als wenn 'nen Seehund in't Wasser panscht«, brummte Frau Klinkert, als sie beim Kartoffelschälen nach Dores Zimmer lauschte.

      Dore trank rasch den hellbraunen, lauen Kaffee, den Frau Klinkert auf mehrfaches Klingeln endlich durch den Türspalt hereingereicht hatte, setzte den Hut auf, steckte eilig die silbernen Hutnadeln mit den drolligen Pudelköpfen, die sie einem ihrer unbezwingbaren Kaufgelüste zu verdanken hatte, durch das Stroh, schlüpfte in das Jacket, packte mit einem Griff Rolle und Geldtäschchen, eilte zur Tür hinaus und die Treppe hinunter.

      Die Straße war voll Sonne, und die frische, vorherbstliche Luft stimmte froh.

      Als Dore den Bahnsteig des Bellevue-Bahnhofes betrat, rief es hinter ihr: »Hollah, Brandtchen, warten.«

      Es war Grete Hollwitz, die Naive des Theaters, eine Bezeichnung, die außerhalb der Bühne eine starke Ironie barg.

      Die kleine, rundliche Grete Hollwitz kam atemlos die Steintreppe zum Bahnhof herauf gerannt. »Sehen Sie nur, Brandtchen«, rief sie pustend, auf die große Normaluhr inmitten des Bahnsteiges zeigend.

      Der große Zeiger sprang gerade eine Minute vorwärts, es fehlten nur noch elf Minuten an der zehnten Stunde.

      Ein Zug fuhr schnaubend in die Halle und die Mädchen stiegen eiligst ein.

      In dem Wagenabteil saß nur ein wohlbeleibter Herr, der einen wohlgefälligen Blick über die freundlichen Mädchenerscheinungen gleiten ließ und sich wieder in seine Zeitung vertiefte.

      »Na, wo waren Sie, Brandtchen«, fragte Grete Hollwitz und sah Dore mit dem Naivenlächeln Nummer eins an, das zwei Reihen weißer Zähne und ein Grübchen geschickt zeigte.

      »Auf Bornholm«, erwiderte Dore. »Es war herrlich.« Ihr Blick glitt weit über die Gipfel des Tiergartens, aus dessen Mitte die Siegessäule goldprunkend die klare Luft durchschnitt.

      »Mit wem denn? – Allein? – Herrgott, Sie Tugendspecht, sind Sie etwa mit den paar Kröten aus dem Ferienfonds ausgekommen?«

      »Ja, das bin ich«, lachte Dore.

      »Ach, du lieber Gott,« rief Grete mitleidig. »Nee, dazu ist man doch nicht am Theater, um wie alte Lehrerinnen mit a Spirituskocher zu hausen. Ich war mit meinem Fritz in Binz. Im Kurhaus gewohnt. Ich sage Ihnen tip top. Ich hatte ein paar famose Kostüme von der Hartmann, natürlich auf Pump.« Grete lachte verschmitzt. »Ich sage Ihnen, Brandtchen, jeder hat gefragt, wer wir sind. So macht man sich populär, mein Kindchen«, fügte sie ernsthaft hinzu.

      Dore lachte hell auf. »Ach Grete, Sie sind gottvoll. Populär bei den Spießern von Binz. Da geht mein Ehrgeiz doch weiter trotz des Spirituskochers.«

      Dores Lachen hemmte Gretes Redefluß, und sie schwieg. Dafür führte sie eine beredte Augensprache mit dem wohlbeleibten Herrn, der zu lesen aufgehört hatte. Mit seiner behaarten Hand, an der ein großer Brillant blitzte, spielte er an seiner dicken, goldenen Uhrkette, während er Grete freundlich mit seinen schmalgeschnitzten Äugelchen zuzwinkerte. . . .

      Im Theater herrschte eine frohe Stimmung. Der schweigsame, zurückhaltende Direktor, der sonst vor Beginn der Probe mit einer undurchdringlichen, hochmütigen Miene schweigend auf und ab schritt, lächelte heute aus einem sonnenverbrannten, runden Gesicht und hatte für jeden ein scherzendes Wort. Der kleine, dürre Regisseur Werkenthin, der für gewöhnlich, das Bühnenbuch unter dem Arm, den offenen Paletot hinter sich herfliegend, im Lauftempo angeschossen kam, um sofort ein paar hämische Worte auszustoßen, denn er sah mit einem Blick, daß dieser oder jener fehlte, äußerte heute seine Heftigkeit auf angenehme, freundliche Weise. Er war erst gestern abend aus dem Harz zurückgekommen und erzählte dem Direktor begeistert und heftig gestikulierend von einer Leuchtkäferschar zwischen dunklen Baumstämmen – ein Effekt – ein Effekt, den man unbedingt im Sommernachtstraum verwenden sollte.

      Die Mitglieder standen lachend und plaudernd zusammen. Alle sie, die im Juni hocherfreut waren, daß die Bude endlich schloß, waren von Herzen froh, wieder die entbehrte Theaterluft einzuatmen. Jene tagfremde, sonnenlose Luft, die ein geheimnisvolles Gemisch von Staub und Moder ist und unbezwinglich in ihren Bann zieht, was zu ihr gehört.

      Die Probe verlief auf die heiterste Weise.

      Nach ihrer Beendigung eilte Dore froh die Treppe zum Bureau hinauf, um sich die Gage zu holen. Sie war eine der Wenigen, die sie ohne Abzug eines Vorschusses einfordern konnte.

      »Ihr Weibsbilder versteht's«, knurrte der sektliebende Ingler, der den Zettel im Sommernachtstraum spielen sollte, und der von seiner nicht unerheblichen Gage gerade noch – fünfzehn Mark zu verzehren hatte.

      Arm in Arm mit Mara Scholler wanderte Dore zum Mittagsessen. Wenn sie froher Laune war, und eigentlich suchte sie nur dann Gesellschaft, war ihr Mara mit ihrer tapferen Leichtlebigkeit die liebste Gefährtin.

      »Heut spendier' ich etwas. Heute gehen wir in den ›Luitpold‹«, sagte Dore, als sie in den Sonnenschein hinaustraten. Lebhaft über die verflossene Probe sprechend, näherten sie sich dem einfachen Speisehaus, das ihnen, alle Straßendüfte besiegend, schon auf der Weidendammer Brücke einen bedenklichen Hauch von Braten und Sauerkraut entgegensandte.

      Als sie sich an einen der Tische neben der großen Fensterscheibe zur Friedrichstraße niederließen, rief Dore: »Es ist doch schön, wieder in Berlin zu sein.« Sie sah angeregt auf die vielen, vielen Menschen, die, gleichgültig geradeaus schauend, aneinander vorübereilten. Jeder die eigenen Gedanken, Hoffnungen und Sorgen hinter der Stirn. Jeder eine eigene Welt unter dem Hute tragend.

      Dore fühlte sich am Puls des Lebens, und das paßte zu ihrer Stimmung. Zum Schluß der Probe hatte Werkenthin, in einem Notizbuch blätternd, ihr mit seiner scharfen Stimme zugerufen: »Na Brandt, wie wäre es, wenn Sie in der ›Hedda Gabler‹ die ›Elvstedt‹ versuchten?« Und Dore hatte überglücklich die dürren Hände des Regisseurs gedrückt. Vielleicht begann es zu tagen. Vielleicht durfte sie endlich aus der grauen Masse der Unbekannten in die Helle treten. –

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