Dore Brandt. Alice Berend
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Название: Dore Brandt

Автор: Alice Berend

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ nasse Asphalt der engen Friedrichstraße erschien wie ein schmaler, venetianischer Kanal.

      »Gondola, Gondola«, schnarrte Ingler, als er sich mit Dore durch die Wagen und Automobile auf die andere Seite der Straße schlängelte.

      Das Caféhaus war dicht gefüllt. Blaue Spinngewebe aus Tabakrauch tanzten durch den hellen, heißen Raum. Der »Tisch der Berühmtheiten« war dicht besetzt. Da saß weit in den Stuhl zurückgelehnt die Ollendorf, einen großen, schwarzen Flauschhut auf dem rechten Ohr, eine Zigarette zwischen den schmalen Lippen, mit dem festen, brennenden Blick der dunklen Augen auf den ihr gegenübersitzenden Kinkel starrend, den sie »anbetete.«

      Übel wird mir, wenn ich das Weib sehe«, sagte Kinkel in langgezogenen Tönen, die deutlich verrieten, daß er ein guter Shylock war.

      Aber wenn er den Rauch seiner Virginia von sich blies, warf er doch einen heimlichen Blick aus halbgeschlossenen Augen hinüber.

      Neben der Ollendorf saß Erich Liebrecht, der mit seinem dichten Haarbusch und seinem struppigen, das Gesicht überwuchernden Bart unangenehm an die Abstammung des Menschen vom Ahn in den Bäumen erinnerte. Liebrecht war stets fanatisch von irgendeiner Idee beherrscht, die er wütend verteidigte, um sie am andern Tage ebenso wütend zu bekämpfen, wenn ein anderer sie aussprach. Sein neuester Plan war, in Berlin eine Zeitung im Stil des Simplizissimus zu gründen.

      »Nicht das Witzblatt muß Humor haben, sondern das Publikum, das Pu–bli–kum!« rief er, als Dore und Ingler sich näherten und schlug auf die Marmorplatte des Tisches, daß Tassen und Gläser klirrten.

      »Sein's gestad, Liebrecht, regen's sich nit auf, dös is ungesund«, sagte Grete Hollwitz, die in ihrer weißseidenen Bluse neben ihm saß und durch einen Strohhalm Limonade sog. Im Café sprach sie stets wienerisch, obgleich jeder wußte, daß ihre Wiege in Berlin gestanden hatte.

      An Grete Hollwitz' Seite saß zusammengesunken Hans Jäger, der wie ein Pfeil vom Bogen aufflog, als er Dores ansichtig wurde.

      »Die Sonne kommt«, rief er und drückte Dores Hände. Mit polternder Diensteifrigkeit rückte er Stühle und Tische und bald saß Dore umgaukelt von Tabakswolken zwischen ihm und der Hollwitz am Tisch.

      »Haben's gehört, was die Larsen in der Garderobe erzählt hat?« fing Grete Hollwitz an. »Sie sagt, Direktor Gollberg hätt' ihr eine erste Rolle versprochen, wenn sie heut zum Nachtmahl zu ihm käme!« »Ach, Unsinn«, rief Kinkel. »Gollberg ist zu viel berechnend, um sich von irgendeiner Leidenschaft beeinflussen zu lassen.«

      »Eine Frechheit, eine Unverschämtheit ist diese Kritik von dem kleinen Judenbengel«, stieß der semmelblonde Werner, der neben Kinkel saß, hinter seiner Zeitung hervor. »Wasserblonde Auffassung«, schreibt er. »Solch' Stumpfsinn, Jud' muß man sein, wenn man heut beim Theater Glück haben soll. Alles Cliquenwirtschaft«, und er warf die Zeitung weit von sich. »Ist Gollberg eigentlich Jude«, fragte jemand am Tische.

      »Na ob.«

      »Dafür schaut er blond aus und is a sakrisch tüchtiger Kerl, daß muß man ihm lassen«, sagte Grete Hollwitz wichtig.

      »Der Löwe ist gelb und großmütig. Sie haben eine wunderbare Art, sich auszudrücken, teure Hollwitz«, rief Ingler, während er behäbig fünf Stück Zucker nacheinander in eine kleine Tasse Mokka plumpsen ließ.

      »Pfui Teufel«, rief Werner, der ihm verärgert zusah. »So viel Zucker.«

      »Tät Ihnen heute gut, Sie Gallapfel«, sagte Ingler gemütlich und rührte mit dem Löffel den Zucker um.

      »Werner, ärgern Sie sich noch immer, daß Sie kein Jude sind?« rief Dore lachend. »Trösten Sie sich mit mir.«

      »Lassen Sie sich taufen«, sagte Ingler zwischen den kleinen Schlucken, in denen er mit Behagen seinen Mokka trank. »Is mal was anders. Das Umgekehrte kommt häufiger vor, was, Kinkel?« Ingler grinste boshaft.

      Kinkel, aus Galizien stammend, war vor Jahren zum Katholizismus übergetreten und liebte es nicht, an seine Herkunft erinnert zu werden. Im Gegenteil machte er gern kleine maliziös-antisemitische Bemerkungen.

      Mit langen Schritten nahte sich jetzt der skelettartig magere Lyriker Haller, den großen »Bismarckhut« schief auf das wirre, strähnige Haar gedrückt, dem Tische.

      »Mit Schrecken seh' ich den von weitem«, zitierte Liebrecht und erhob sich eilig. »Hollah, Franzel, meine Zeche zahlt der Herr Kinkel«, rief er dem herbeistürzenden Zahlkellner zu, stülpte den schmutzig grauen Filz auf den schwarzen Haarbusch und verschwand.

      »Dös nenn ich gescheidt«, wienerte die Hollwitz. »So muß man's machen.«

      »Ach,« sagte Kinkel, »wenn er mich nur im Wachen anpumpt, bin ich schon zufrieden. Aber denken Sie, meine Herrschaften, was mir passiert ist. Als ich gestern früh erwache und die Augen aufschlage, denke ich, ein Wahnbild narrt mich. Liebrecht sitzt auf meines Bettes Rand, natürlich schließe ich sie sofort wieder. Nach einer Weile blinzle ich mutig: Liebrecht sitzt auf meines Bettes Rand und nun höre ich, ist es kein Traum, denn jetzt sagt er: ›Pumpen Sie mir fix zehn Mark, Kinkel, ich habe eine reizende Kleine zu einem Ausflug nach dem Treptower Park eingeladen. Aber rasch, Mensch, denn um 8 Uhr muß ich schon auf der Jannowitzbrücke sein.‹«

      »Sehen Sie, so etwas passiert nur einem, der eine Ministergage hat«, rief, nachdem sich das Lachen gelegt hatte, Haller herüber, der mit seinen mageren Händen hastig einen Stoß Wochenschriften durchblätterte, um zu erfahren, ob etwas von seinen Produktionen erschienen sei. Er hatte stets vierzig Briefe unterwegs, die, Manuskripte im Bauch, den Weg zu Redaktionen und Druckerpressen suchten.

      »Sie fliegen aus, sie fliegen ein«, pflegte Ingler von ihnen zu sagen.

      Hans Jäger sprach unaufhörlich zu Dore, die mehr den Scherzen am Tische zuhörte als ihm.

      Kinkel, die Hollwitz, Werner waren gegangen, andere gekommen. Franz'l flog mit Tabletts und Zeitungen her und hin. Er wußte von jedem, welche geistige und leibliche Nahrung er einzunehmen wünschte.

      »Sagen Sie mal, Aristokratin, Sie sprechen wohl nur noch gegen Entree seit Ihrem Elvstedt-Erfolg«, rief Ingler zu Dore herüber.

      »Der Jäger läßt mich ja nicht los«, rief Dore zurück, drehte sich von Hans Jäger fort und blickte mit munterem Blick über die Tische hinweg. Da erstarrte ihr Lachen. Sie spürte einen feinen Schmerz am Herzen. Dort drüben am Tische saß er, mit dem sie am Hafen von Allinge die wenigen Worte über Heimat gewechselt hatte. Er sah sie mit langen Blicken an und verneigte sich ein wenig.

      »Wissen Sie nicht, in welchem Alter Lenau wahnsinnig geworden ist?« fragte Haller, eifrig in seinem Notizbuch schreibend.

      »Haben Sie vielleicht ähnliche Gefühle?« rief Ingler herüber.

      Hans Jäger aber begann ausführlich über Lenau zu dozieren.

      Dore griff nach einem Journal und blickte hinein. Ihr Blick flog über die Zeilen, aber sie las nicht. Durch das Geschwirr der Stimmen glaubte sie das Meer rauschen zu hören. »Kennen Sie den großen, blonden Seemann da drüben am Tisch?« fragte sie nach einer Weile Jäger, während sie eifrig ein Bild in der Zeitschrift betrachtete.

      »Den da drüben? Das ist ja Bergmann«, rief Jäger erfreut aus. »Entschuldigen Sie mich einen Augenblick«, und er lief mit freudigen Schritten an den Tisch dort hinüber.

      Einige Minuten später kam er mit Bergmann zurück, der sich vor Dore verbeugte und seinen Namen СКАЧАТЬ