Liljecronas Heimat. Lagerlöf Selma
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Название: Liljecronas Heimat

Автор: Lagerlöf Selma

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ sondern sie durfte tun, was ihr beliebte. Die Leute meinten natürlich, er verwöhne das Kind, aber davon wollte er nichts hören.«

      »Schneewittchen war vielleicht ein besonders artiges Kind, das gar nicht verwöhnt werden konnte«, sagte die Pröpstin, und ihre Stimme klang jetzt auf einmal außerordentlich ernst.

      »Auf der ganzen Welt war niemand glücklicher als Schneewittchen«, fuhr die Pfarrerstochter fort. »Ganz besonders befriedigt fühlte sie sich, als sie, nachdem die Muhme weggezogen war, ganz allein die Wirtschaft führen und für ihren geliebten Vater sorgen durfte. Ich glaube, sie hatte mehrere Jahre lang keinen anderen Kummer als die Trennung von ihrer Pflegeschwester, die sich verheiratete und in ein anderes Kirchspiel zog. Und wenn ihr damals jemand gesagt hätte, ihr Vater würde einmal sein Herz von ihr wenden, hätte sie hell hinausgelacht. Wie hätten sie sich entzweien sollen, sie und der geliebte Vater? Nicht einmal im Schlaf wäre ihr ein so unsinniger Gedanke gekommen.«

      »Und überdies hätte auch niemand anders geglaubt, daß es je so ginge«, versicherte Anna Brogren mit derselben ernsten Stimme wie zuvor.

      »Und niemals dachte Schneewittchen weniger daran, daß ihr ein so großes Unglück widerfahren könnte, als an einem schönen Sommermorgen im vorigen Jahre, wo sie mit ihrem Herrn Vater zu den Mähern hinausging.«

      »War das im vorigen Sommer?« fiel Anna Brogren rasch ein. »Ich glaubte, Schneewittchen habe vor tausend Jahren gelebt.«

      »Ich aber habe nie anders gehört, als daß Schneewittchen heute noch lebt,« erwiderte die Pfarrerstochter, »und an jenem Tag, wo sie mit ihrem Vater zur Heuernte hinausging, war sie eben neunzehn geworden; ihr Vater aber war fünfzig Jahre alt, obgleich man ihm das kaum ansehen konnte. Er trug eine Perücke, ging aber ohne Hut, hatte eine weiße Hemdenbrust mit einer Busenkrause und große Schnallen auf den Schuhen. Schneewittchen dachte in ihrem Herzen, er sehe außerordentlich vornehm aus. Sie selbst trug ein altes Kattunkleid und einen großen Schutenhut. Neben ihrem Vater sah sie gar nichts gleich.«

      »Ich habe jedoch immer gehört, Schneewittchen sei schöner gewesen als alle andern im ganzen Land«, warf die Pröpstin ein.

      Aber die Pfarrerstochter erzählte weiter, ohne sich um die Unterbrechung zu kümmern.

      »Der Schutenhut war jedenfalls recht am Platz, denn er verdeckte das Gesicht. Sonst hätte der Vater gesehen, daß sie mißvergnügt aussah. Ach, ach! Schneewittchen hatte wohl Grund, mißvergnügt zu sein, weil sie um diese Zeit mit ihrem Vater spazierengehen sollte; wo sie doch viel lieber an ihrem Webstuhl sitzengeblieben wäre, um ihre Leinwand fertig zu weben. Aber da ihr Vater selbst von außen ans Küchenkammerfenster getreten war, geklopft und ihr gerufen hatte, war es ihr nicht möglich gewesen, nein zu sagen.«

      »Ich glaube, sie konnte ihrem Vater niemals etwas abschlagen«, sagte die Pflegeschwester.

      »Sie gingen an den Ställen und an der Viehweide vorüber, denn sie wollten nach dem südlichen Anger, wo der lange Bengt und die beiden Vettersbuben beim Mähen waren. Es war gerade kein weiter Weg, aber es kostete doch immer viel Zeit, wenn Schneewittchen mit ihrem Vater ausging.

      Er blieb stehen und sah sich das Getreide an, und er blieb stehen und unterhielt sich mit der Stallmagd. Als sie den Hügel mit dem Birkengehölz erreicht hatten, hielt er wieder an, schaute zurück, um das neue Wohnhaus zu betrachten, das er selbst hatte bauen lassen. Und noch weiterhin gab es wieder einen neuen Aufenthalt, weil er eine junge Tanne aufrichten mußte, die umgestürzt am Wege lag.

      Aber jetzt muß ich etwas einfügen; Schneewittchen konnte in Gesellschaft ihres Vaters nie lange verdrießlich sein, denn wenn sich ihr so seine ganze Art und Weise offenbarte, wurde ihr Herz immer von Bewunderung für ihn erfüllt.

      Und ich meine auch, Schneewittchen habe ganz und gar nicht unrecht gehabt, es schön und rührend zu finden, daß ihr guter Vater sein Leben lang als Hilfsgeistlicher in einer kleinen armen Gemeinde weit droben im Värmland geblieben war. Er, der so hochgelehrt und von unwiderstehlicher Beredsamkeit war und überdies so stattlich und liebenswürdig, wäre gewiß Dompropst oder Bischof geworden, wenn er nur gewollt hätte. Glaubst du das nicht auch?«

      »Für mich ist es nicht leicht, etwas über Schneewittchens Vater zu sagen«, antwortete die Pröpstin; »aber ich bin überzeugt, er hätte alles erreichen können, was er nur gewollt hätte.«

      »Ich kann es nicht so genau ausdrücken, wie Schneewittchen es fühlte. Aber ich glaube, sie sagte in ihrem Herzen: ‘Du, Schneewittchen, du bist nichts und kannst nichts und hast nichts erlebt, schämst du dich nicht, schlechter Laune zu sein? Denk an deinen guten Vater, der nie klagt und sich nie etwas wünscht, und der der Welt immer ein freundliches Gesicht zeigt!’ – Vor sich selbst entschuldigte sich Schneewittchen indes damit, daß sie eben gar zu gern die Leinwand am Webstuhl fertiggebracht hätte, ehe sie von Hause wegreiste; denn sie sollte mit der Großmutter diesen Sommer nach Loko ins Bad gehen, das war fest ausgemacht. Großmutter hatte im letzten Winter schrecklich an Gicht gelitten, diese hatte ihr die Hände zum Erbarmen zugerichtet. Nun hatte sie das ganze Frühjahr hindurch versprochen, diese Reise zu machen; aber Schneewittchen wußte wohl, daß die Großmutter nicht fort kam, wenn sie nicht mitging.

      Jetzt dachte sie daran, den Vater zu bitten, den Tag der Abreise zu bestimmen. Aber wie merkwürdig, sie hatte gar nicht das Herz dazu! Fühlte sie, wie schwer es ihrem Vater würde, sein Kind sechs Wochen lang entbehren zu müssen, und wollte er es deshalb soweit wie möglich hinausschieben? Während sie nun so dahinwanderte, beschloß sie in ihrem Herzen: Wenn das Gras auf dem südlichen Anger so prächtig stand, daß Vater recht befriedigt war, dann wollte sie sich ein Herz fassen und von der Reise anfangen.

      Und wirklich, es sah nicht danach aus, als sollte sie nicht bald auf die Reise dürfen, denn als sie den südlichen Anger erreichten, gab es da eine ganz außerordentlich gute Heuernte. Schneewittchen merkte bald, wie hochbefriedigt ihr Vater war, denn er neckte den langen Bengt, der der größte Mann im ganzen Kirchspiel war, und sagte, er müsse noch ein wenig wachsen, er sei gar nicht groß, das Gras schlage ihm ja über dem Kopf zusammen.

      Der lange Bengt war nicht faul zu antworten. Er sagte, wenn der Herr Pfarrer seine Länder noch weiter so gut bebaue, so werde er bald niemand mehr bekommen, der ihm sein Heu mähe. Es sei eine wahre Not, bis man sich durch solch einen Wall hindurchgeschafft habe. Und die beiden Vettersbuben hielten es natürlich mit Bengt und versicherten auch, lieber wollten sie es auf dem Brobyer Markt mit allen Westgöten aufnehmen als in einem andern Jahr wieder solches Gras mähen.

      Darauf mußte Vater natürlich eine ebenso höfliche Antwort geben; alle standen schweigend um ihn her und warteten darauf. Ach! ich glaube, Schneewittchen wird immer an ihren Vater denken, gerade wie er jetzt so vergnügt und freundlich mitten unter seinen Leuten stand und tat, als sinniere er über die Antwort nach, damit sie, wenn sie erfolgte, einen um so größeren Eindruck mache.

      Aber wie es gehen kann! Diese Antwort bekamen sie niemals zu hören, denn jetzt geschah etwas Unerwartetes, das aller Gedanken nach einer andern Seite hinlenkte.

      Wer war denn das, der da durch das hohe Gras auf sie zukam? Wer konnte es sein, der nicht ging, sondern taumelte, und der nicht einen Augenblick schwieg, sondern die ganze Zeit schrie und laut vor sich hin redete?

      Ich muß gestehen, Schneewittchen war nie Zeuge von etwas so Aufregendem gewesen. Wie schrecklich, ein Frauenzimmer so furchtbar zugerichtet zu sehen! Die Kleider hingen ihr naß und lehmig um den Körper. Das Haar hatte sich vom Kamm gelöst und fiel ihr in Strähnen den Rücken hinab. Aber am schrecklichsten war doch, daß ihr Gesicht und ihre Hände ganz blutrünstig waren.

      Der lange Bengt und die Knechte wendeten sich ab und spuckten dreimal aus, als sähen sie eine Hexe, und es fehlte wohl nicht viel, so hätte der Herr Vater dasselbe getan.

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