Soll und Haben, Bd. 1 (2). Gustav Freytag
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Название: Soll und Haben, Bd. 1 (2)

Автор: Gustav Freytag

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ Opfer zumuthen können? So verschloß er den Aerger in sich. Er entschuldigte gegenüber den besorgten Fragen der Baronin seine Verstimmung durch eine Erkältung auf der Reise, aber tagelang nagte der Gedanke an ihm, daß er einen Verlust erlitten habe, daß er zurückgekommen sei; und je sanguinischer er vorher gewesen war, desto niedergeschlagener wurde er jetzt. Ja es geschah, daß er auf einem Spaziergange durch die Stadt bei einem Lotterieeinnehmer eintrat und ein Lotterielos kaufte, damit ein gütiges Geschick das gut machen möge, was schadhaft war. Zuweilen, besonders am Abend, wenn er aus heiterer Gesellschaft kam, lächelte er selbst über diese Verstimmung und schalt sie thöricht. Das ganze Unglück war so unbedeutend, es war ja keine Lebensfrage; in wenigen Jahren konnten seine Angelegenheiten wieder auf's Beste arrangirt sein. Nur an den nüchternen Morgen kam ihm der langweilige Gedanke wieder, und er konnte ihn nicht los werden.

      An einem solchen Morgen wurde Herr Ehrenthal gemeldet, der ihm eine Summe für gekauftes Getreide zu zahlen hatte. Den Freiherrn überkam ein peinliches Gefühl, als der Bediente den Namen Ehrenthal aussprach; der Mann hatte ihm den Rath gegeben, Pfandbriefe aufzunehmen. Freilich sagte er sich im nächsten Augenblick, daß derselbe Mann ihm nicht den Rath gegeben hatte, nach der Stadt zu ziehen; aber er grollte ihm doch, und sein Gruß mochte wohl kälter klingen als gewöhnlich. Herr Ehrenthal war ein zu guter Geschäftsmann, um auf die Launen seiner Kunden viel zu geben. Er zählte sein Geld auf und war dabei freigebig mit den Versicherungen seiner Ergebenheit. Der Freiherr blieb unzugänglich, bis Ehrenthal im Abgehen frug: »Und sie sind gekommen, die Pfandbriefe, gnädiger Herr Baron?«

      »Ja,« sagte der Herr mürrisch.

      »Es ist jammerschade,« rief Ehrenthal, »daß fünfundvierzigtausend Thaler liegen sollen so todt, als ob sie nicht vorhanden wären in der Welt. Dem Herrn Baron ist's gleich, ob er einmal gewinnt ein Paar tausend Thaler oder nicht, aber unser Einem ist es nicht gleich. Ich kann in diesem Augenblick machen ein solides Geschäft und ein sicheres, und mein Geld ist versteckt, ich muß mir entgehen lassen einen baaren Gewinn von viertausend Thalern.«

      Der Freiherr hörte aufmerksam zu, der Händler fuhr mit größerm Muthe fort: »Herr Baron, Sie kennen mich seit Jahren als einen ehrlichen Mann, Sie wissen auch, daß ich nicht ohne Mittel bin; ich will Ihnen einen Vorschlag thun: Leihen Sie mir zehntausend Thaler Pfandbriefe auf drei Monat; ich gebe Ihnen für das Capital einen Wechsel auf mich selbst, welcher ist wie baar Geld. Es sind zu gewinnen viertausend Thaler bei dem Geschäft; was gewonnen wird, das theile ich mit dem Herrn Baron statt der Zinsen zu gleichen Theilen. Sie sollen kein Risico haben, und wir machen das Geschäft zusammen. Wenn verloren wird, trage ich's allein und zahle in drei Monaten dem gnädigen Herrn die zehntausend Thaler zurück.«

      Diese Worte des Händlers, so wenig aufregend sie wahrscheinlich in das Ohr des Lesers dringen, klangen dem Freiherrn wie ein Alarmsignal beim unbehaglichen Bivouac. Eine heftige Spannung, eine wilde Freude arbeitete in ihm. Kaum hatte er Ruhe genug, zu sagen: »Vor Allem muß ich wissen, von welcher Art das Geschäft ist, das Sie mit meinem Gelde machen wollen.«

      Der Geldmann setzte das auseinander. Es war ihm der Antrag gemacht, eine große Quantität Holz zu kaufen. Das Holz lag auf einem Flößplatz im obern Theile der Provinz. Der Händler holte die Berechnung der Holzmasse, der Transportkosten bis zur Hauptstadt und des Werthes, den das Holz in der Hauptstadt haben würde, aus seiner Tasche und bewies dem Freiherrn, daß dabei in sechs bis acht Wochen ein sicherer Gewinn von bedeutender Größe zu machen sei.

      Der Freiherr sah mit Aufmerksamkeit die Menge der Zahlen durch; wenn die Berechnung richtig war, so war der Gewinn sonnenklar; er that aber doch die bedächtige Frage: »Wie kommt es, daß der Eigenthümer des Holzes das Geschäft nicht selbst macht, und daß er sich einen so sichern Gewinn entgehen läßt?«

      Der Händler zuckte die Achseln. »Wer ein Geschäft macht, kann nicht immer fragen, warum läßt der Andere die Waare so billig? Wer in Verlegenheit ist, kann nicht warten zwei bis drei Monat, das Eis liegt auf dem Fluß, der Mann braucht das Geld binnen hier und zwei Tagen.«

      »Sind Sie sicher, daß das Eigenthumsrecht des Verkäufers unbestreitbar ist?« frug der Freiherr.

      »Der Mann ist mir sicher,« sagte der Händler; »wenn ich ihm das Geld bis morgen Abend schaffe, ist das Holz mein.«

      Dem Edelmann war es peinlich, die Verlegenheit eines Andern zu benutzen, so sehr sich auch sein Herz nach dem Gewinn sehnte. Er sagte mit Würde: »Ich halte es für unpassend, auf den Verlust eines Andern zu rechnen.«

      »Warum soll er haben Verlust?« rief Ehrenthal eifrig. »Er ist Speculant, jetzt braucht er Geld; vielleicht will er machen ein größeres Geschäft; so muß er den Vortheil am kleinern überlassen einem Andern. Er hat sich erboten, gegen Zehntausend baar den ganzen Vorrath zu übergeben. Es ist nicht meine Sache, zu fragen, ob er mehr gewinnen kann mit meinem Gelde, als ich gewinnen kann durch sein Holz.«

      Was Herr Ehrenthal sagte, war richtig; er verschwieg nur Einiges. Der Verkäufer des Holzes war ein unglücklicher Speculant, der, von seinen Gläubigern gedrängt, eine Auspfändung fürchtete und die unbescheidenen Hoffnungen derselben dadurch beendigen wollte, daß er seine Vorräthe an einen Fremden schnell und heimlich verkaufte und mit der erhaltenen Summe unsichtbar wurde. Vielleicht wußte Herr Ehrenthal das; vielleicht ahnte auch der Freiherr, daß es bei einem so leichten Gewinn eine Bewandniß haben müsse, wenigstens sagte sein Kopfschütteln, daß ihm die Sache keineswegs ganz klar war. Und doch hatte er wenig zu wagen und nichts zu verantworten; er lieh sein Geld an einen sichern Mann, den er seit vielen Jahren als wohlhabend und pünktlich kannte, und gewann dadurch die Aussicht, in kurzer Zeit einen bösen Geist los zu werden, der ihn rastlos quälte. Er war zu unruhig, um zu überlegen, daß er vielleicht einen Teufel vertreibe durch Beelzebub, der Teufel Obersten. Er klingelte nach seinem Wagen und sagte vornehm: »In einer Stunde sollen Sie das Geld haben.«

      Ehrenthal dankte in seiner feurigen Weise für diese große Gefälligkeit, schrieb auf der Stelle einen wohlverclausulirten Sola-Wechsel über die Pfandbriefe und empfahl sich mit einer Unterthänigkeit, die sehr gegen das stolze Kopfnicken des Freiherrn abstach.

      Seit diesem Tage lebte der Freiherr in banger Erwartung. Immer mußte er an die Unterredung mit dem Händler denken. Wenn er am Theetisch neben seiner Gemahlin saß und über Theater und Concert geplaudert wurde, irrte seine Seele ruhelos zwischen den Lücken der Holzklaftern umher oder wurde von langen rollenden Mastbäumen gedrückt; und wenn er die Arbeitsbücher seiner Tochter durchsah, so starrten ihm auf dem Deckel und am Rande zahlreiche Gesichter Ehrenthals entgegen, und jedes lachte ihn höhnisch an. So oft er auf seinem Jagdpferd ausritt, richtete sich der Kopf des Pferdes nach dem Strom, und mit finsterm Blick sah der Reiter auf die gefrorene Fläche hinab, sah die Eisschollen stromabwärts treiben und das hohe Frühlingswasser bis an die Steine des Randes fluthen.

      Ehrenthal hatte sich lange nicht sehen lassen. Endlich, an einem sonnigen Morgen erschien er mit seinen unvermeidlichen Bücklingen, zog ein großes Packet aus der Tasche und rief triumphirend: »Herr Baron, das Geschäft ist gemacht! Hier sind die Pfandbriefe zurück und hier sind zweitausend Thaler als der Gewinn, welcher auf Sie fällt.«

      Die Hand des Freiherrn griff hastig nach dem Packet. Es waren dieselben weißen Pergamente, die er mit schwerem Herzen aus der Cassette hervorgeholt hatte, und außerdem ein Bündel Cassenscheine. Diesmal hörte der Freiherr kaum auf den Wortschwall des Händlers, eine Last fiel ihm vom Herzen, er hatte seine Pfandbriefe wieder, und der Ausfall in seinen Finanzen war gedeckt. Ehrenthal wurde gnädig entlassen, die Pergamente eingeschlossen, und der Freiherr durfte sich heute keinen Zwang anthun, um ein liebenswürdiger Gesellschafter zu sein. Noch an demselben Tage kaufte er der Baronin einen Schmuck von Türkisen, den sie lange im Stillen gewünscht hatte.

      Seit dem Tage war im Hause des Freiherrn heller Sonnenschein, und wenn es eine Erinnerung an die letzten Wochen gab, so äußerte sie sich nur in Kleinigkeiten. Der Kopf des Halbblutes vermied seit diesem Tage den Strom eben so СКАЧАТЬ