Soll und Haben, Bd. 1 (2). Gustav Freytag
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Название: Soll und Haben, Bd. 1 (2)

Автор: Gustav Freytag

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ die Calculatur des Geschäftes. Er wußte mit Bestimmtheit anzugeben, nach welchem Münzfuß die Mohrenfürsten an der Goldküste rechneten, und wie hoch der Curs eines preußischen Thalers auf den Sandwichinseln war. Herr Baumann war Antons Stubennachbar und fühlte sich durch die gute Art unseres Helden so angezogen, daß er ihm in kurzer Zeit seine Neigung zuwandte und in den Abendstunden zuweilen seinen Besuch gönnte. Den Uebrigen stand er fern und ertrug mit christlicher Geduld ihre Spöttereien über seine Pläne.

      Auch außerhalb des Hauses hatte die Firma noch einige Würdenträger. Da war Herr Birnbaum, der Zollcommis, welcher nur selten im Comtoir sichtbar wurde und nur des Sonntags am Tische des Prinzipals erschien, ein exacter Mann, der draußen auf dem Packhof herrschte. Er hatte die Zoll-Procura für die Geschäfte nach dem Auslande, das gewichtige Recht, den Namen T. O. Schröter unter die Begleitscheine des Hauses zu setzen. Wenn einer von den Herren der Handlung den Namen eines Beamten verdiente, so war es dieser Herr, er trug auch seinen Rock stets zugeknöpft, wie seine Freunde die Steuerofficianten. Ferner war da der Magazinier des Geschäftes, der die Controlle über die verschiedenen Magazine in der Stadt hatte, die Assecuranzen besorgte und auf dem Markte die großen Einkäufe in Landesproducten machte. Herr Balbus war durchaus kein feiner Mann, er war von Haus aus sehr arm, und seine Schulbildung war mangelhaft, aber der Prinzipal behandelte ihn mit großer Achtung. Anton erfuhr, daß er seine Mutter und eine kranke Schwester durch seinen Gehalt erhielt.

      Aber die größte Thätigkeit unter Allen, eine kriegerische, wahrhaft absolute Feldherrnthätigkeit entwickelte Herr Pix, erster Disponent des Provinzialgeschäfts. An der Thür des vordern Comtoirs begann seine Herrschaft und erstreckte sich durch das ganze Haus, bis weit hinaus auf die Straße. Er war der Gott aller Kleinkrämer aus der Provinz, die ihre laufenden Rechnungen hatten, galt bei ihnen für den Chef des Hauses und erwies ihnen dafür die Ehre, sich um ihre Frauen und Kinder zu bekümmern. Er hatte die ganze Spedition der Handlung unter sich, regierte ein halbes Dutzend Hausknechte und eben so viele Auflader, schalt die Fuhrleute, kannte und wußte Alles, war immer auf dem Platz und verstand es, in demselben Augenblick einer Krämersfrau zur Entbindung ihrer Tochter zu gratuliren, einen Bettler gröblich anzufahren, einem Hausknecht Ordre zu geben und das Zünglein an der großen Waage zu beobachten. Wie alle hohen Herren, konnte auch er keinen Widerspruch vertragen und verfocht seine Ansicht selbst gegen den Prinzipal mit einer Hartnäckigkeit, welche unserm Anton einige Male Entsetzen erregte. Außerdem besaß Herr Pix als Geschäftsmann zwei Eigenschaften von wahrhaft wissenschaftlicher Bedeutung: er konnte von jedem Häufchen Kaffebohnen angeben, in welchem Lande dasselbe gewachsen war, und vermochte leere Räume im Hause und dessen Umgegend eben so wenig zu vertragen, wie die Luft und die Philosophie einen leeren Raum vertragen wollen. Wo ein Winkel, eine kleine Kammer, ein Treppenverschlag, ein Kellerloch aufzuspüren war, da siedelte sich Herr Pix mit Tonnen, Leiterbäumen, Stricken und allen erdenklichen Stoffen an, und wo er und seine Bande, die Riesen, sich einmal festgesetzt hatten, vermochte sie keine Gewalt der Erde zu vertreiben, selbst der Prinzipal nicht.

      »Wo ist Wohlfart?« rief Herr Schröter aus der Thür des vordern Comtoirs in den Hausflur.

      »Auf dem Boden,« antwortete Herr Pix kaltblütig.

      »Was thut er dort?« frug der Prinzipal verwundert. – In demselben Augenblick hörte man oben im Hause lebhafte Stimmen, und Anton polterte die Treppe herunter, gefolgt von einem Hausknecht, beide beladen mit Cigarrenkisten, hinter ihnen die Tante, ein wenig erhitzt und sehr ärgerlich.

      »Sie wollen uns oben nicht leiden,« sagte Anton eifrig zu Herrn Pix.

      »Jetzt kommen sie uns schon auf den Wäschboden,« sagte die Tante eben so eifrig zum Prinzipal.

      »Die Cigarren dürfen hier unten nicht stehn bleiben,« erklärte Herr Pix dem Prinzipal und der Tante.

      »Unter den Wäschleinen dulde ich keine Cigarren!« rief die Tante; »kein Ort im Hause ist mehr sicher vor Herrn Pix. Auch in die Kammern der Dienstmädchen hat er Cigarren räumen lassen; die Mädchen klagen, daß sie es vor Tabakgeruch nicht mehr aushalten.«

      »Es ist trocken dort oben,« sagte Herr Pix zum Prinzipal.

      »Können Sie die Cigarren nicht irgend anderswo unterbringen?« frug der Prinzipal Herrn Pix rücksichtsvoll.

      »Es ist unmöglich,« antwortete Herr Pix bestimmt.

      »Haben Sie den ganzen Bodenraum zur Wäsche nöthig, liebe Tante?« frug der Prinzipal die Dame.

      »Ich glaube, die Hälfte wäre genug,« warf Herr Pix dazwischen.

      »Ich hoffe, Sie werden sich mit einer Ecke begnügen,« entschied der Prinzipal lächelnd. »Lassen Sie sogleich den Tischler einen Verschlag machen.«

      »Wenn Herr Pix erst einmal auf dem Boden ist, so wird er unsere Wäsche ganz verdrängen,« klagte die erfahrene Tante.

      »Es soll die letzte Bewilligung sein, die wir ihm machen,« beruhigte sie der Prinzipal.

      Herr Pix lachte still, wie die Tante später behauptete, mit einem rebellischen Grinsen, und gab unserm Helden, sobald sich die beiden Autoritäten entfernt hatten, sofort den Befehl, mit den Kisten wieder hinauf zu ziehen.

      Am größten aber war Herr Pix, so oft seine Vertrauten, die reisenden Commis des Geschäftes, auf kurze Zeit in die Handlung zurückkehrten. Dann setzte sich das Provinzialgeschäft im Hinterhause zusammen und verarbeitete die Neuigkeiten des Landes. Dann entfaltete Herr Pix seine genaue Bekanntschaft mit allen Geschäftsleuten der Provinz, mit ihren Vermögensverhältnissen und ihrer Gemüthsart und verfügte in kurzen, aber gewichtigen Worten, wie viel an Vertrauen und Credit den kleinen Handlungen zu schenken sei. Dann wurde Punsch getrunken und Solo gespielt, welches Spiel seines monarchischen Charakters wegen von Herrn Pix am meisten geschätzt wurde, doch behandelte er auch hier alle Compagniegeschäfte mit Verachtung.

      Was aber Herrn Pix in dem Auge der Mitwelt das größte Ansehen gab, das waren die Riesen, welche um die große Waage herum nach seinem Befehle schalteten, hohe breitschultrige Männer mit herkulischer Kraft. Wenn sie die großen Tonnen zuschlugen und rollten und mit Centnern umgingen, wie gewöhnliche Menschen mit Pfunden, so erschienen sie dem neuen Lehrling wie die Ueberreste eines alten Volkes, von dem die Mährchen erzählen, daß es einst auf deutschem Boden gehaust und mit thurmhohen Felsblöcken Märmel gespielt habe. Bald merkte Anton, daß sie selbst nicht einem Stamme angehörten. Da waren zuerst sechs Hausknechte, alle von der Natur aus zähem Holz über Lebensgröße ausgeführt. Sie gehörten ganz der Handlung an, waren die regelmäßigen Untergebenen des schwarzen Pinsels, ja mehrere von ihnen wohnten im Hause selbst und hatten allnächtlich der Reihe nach die Wache. Von neun Uhr ab saß dann Pluto, der Newfoundländer des Fräulein, neben einer riesigen Gestalt schweigend im Schatten eines großen Fasses. Diese Hausknechte, wie groß sie auch waren und wie stark, sahen doch den Söhnen sterblicher Menschen noch in manchen Stücken ähnlich. Daneben aber bildeten die Auflader der Kaufmannschaft eine besondere Corporation, welche auf dem Packhof vor dem Thore ihr Hauptquartier hatte und von dort aus die Ladungen nach den großen Waarenhandlungen der Stadt schaffte oder abholte. Diese waren die mächtigsten unter den Riesen, und Einzelne unter ihnen von einer Körperkraft, wie sie in anderm Berufe nicht mehr gefunden wird. Sie hatten mit vielen Handlungen der Stadt zu thun, aber das alte angesehene Haus von T. O. Schröter war die irdische Stätte, auf der sie sich am liebsten herabließen, mit der kleinen Gegenwart zu verkehren. Seit mehr als einem Menschenalter war der Chef dieses Hauses der erste Vorstand ihrer Corporation gewesen. So hatte sich ein Clientenverhältniß zu der Firma gebildet. Herr Schröter empfing am Neujahr als Erster ihren Glückwunsch und wurde Pathe sämmtlicher Riesenkinder, welche im Lauf des Jahres bei ihrer Taufe die Arme der dienstthuenden Hebamme auf das Taufbecken hinunterdrückten und den Geistlichen durch ihre ungeheuren Köpfe so beunruhigten, daß er seine Stimme zur Stärke des Donners erhob, um den Teufel aus ihnen herauszutreiben.

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