Soll und Haben, Bd. 1 (2). Gustav Freytag
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Soll und Haben, Bd. 1 (2) - Gustav Freytag страница 15

Название: Soll und Haben, Bd. 1 (2)

Автор: Gustav Freytag

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

Серия:

isbn:

isbn:

СКАЧАТЬ Geschäftslebens die ewige Gleichförmigkeit der Stunden und Tage; wohl ermüdete ihn das zuweilen, aber es machte ihn nicht unglücklich; denn durch seine Eltern war er an Ordnung und regelmäßigen Fleiß gewöhnt, und diese beiden Tugenden halfen ihm über manche langweilige Stunde hinweg.

      Herr Jordan gab sich redlich Mühe, den Lehrling in die Geheimnisse der Waarenkunde einzuweihen, und die Stunde, in welcher Anton zuerst in das Magazin des Hauses trat und hundert verschiedene Stoffe und merkwürdige Bildungen persönlich mit allen Kunstausdrücken kennen lernte, wurde für seinen empfänglichen Sinn die Quelle einer eigenthümlichen Poesie, die wenigstens eben so viel werth war, als manche andere poetische Empfindung, welche auf dem märchenhaften Reiz beruht, den das Seltsame und Fremde in der Seele des Menschen hervorbringt.

      Es war ein großes dämmriges Gewölbe im Parterre des Hauses, durch Fenster mit Eisenstäben nothdürftig erhellt, in welchem die Waarenproben und kleinen Vorräthe für den täglichen Verkehr lagen. Tonnen, Kisten und Ballen standen auch hier massenhaft durcheinander, und nur schmale gewundene Pfade führten dazwischen durch. Fast alle Länder der Erde, alle Racen des Menschengeschlechts hatten gearbeitet und eingesammelt, um Nützliches und Werthvolles vor den Augen unsers Helden zusammenzuthürmen. Der schwimmende Palast der ostindischen Compagnie, die fliegende amerikanische Brigg, die alterthümliche Arche der Niederländer hatten die Erde umkreist, starkrippige Wallfischfänger hatten ihre Nasen an den Eisbergen des Süd- und Nordpols gerieben, schwarze Dampfschiffe, bunte chinesische Dschonken, leichte malaische Kähne mit einem Bambus als Mast, alle hatten ihre Flügel gerührt und mit Sturm und Wellen gekämpft, um dies Gewölbe zu füllen. Diese Bastmatten hatte eine Hindufrau geflochten, jene Kiste war von einem fleißigen Chinesen mit roth und schwarzen Hieroglyphen bemalt worden, dort das Rohrgeflecht hatte ein Neger aus Congo im Dienst des virginischen Pflanzers über den Ballen geschnürt; dieser Stamm Farbeholz war an dem Sande herabgerollt, den die Wellen des mexikanischen Meerbusens angeworfen haben, jener viereckige Block von Zebra- oder Jacarandaholz hatte in dem sumpfigen Urwald Brasiliens gestanden, und Affen und bunte Papageien waren über seine Blätter gehüpft. In Säcken und Tonnen lag die grünliche Frucht des Kaffebaumes fast aus allen Theilen der Erde, in rohen Bastkörben breiteten sich die gerollten Blätter der Tabakpflanze, das bräunliche Mark der Palme und die gelblichen Krystalle aus dem süßen Rohr der Plantagen. Hundert verschiedene Pflanzen hatten ihr Holz, ihre Rinde, ihre Knospen, ihre Früchte, das Mark und den Saft ihrer Stämme an dieser Stelle vereinigt. Auch abenteuerliche Gestalten ragten wie Ungethüme aus dem Chaos hervor, dort hinter dem offenen Faß gefüllt mit oranger Masse – es ist Palmöl von der Ostküste Afrikas – ruht ein unförmiges Thier – es ist Talg aus Polen, der in die Haut einer ganzen Kuh eingelassen ist, – daneben liegen, zusammengedrückt in riesigem Ballen, gepreßt mit Stricken und eisernen Bändern, fünfhundert Stockfische, und in der Ecke gegenüber erheben sich über einem Haufen Elephantenzähne die Barden eines riesigen Wals.

      Anton stand noch stundenlang, nachdem die Erklärungen seines Lehrmeisters aufgehört hatten, neugierig und verwundert in der alten Halle, und die Gurte der Wölbung und die Pfeiler an der Wand verwandelten sich ihm in großblättrige Palmen, und das Summen und Geräusch auf der Straße erschien ihm wie das entfernte Rauschen der See, die er nur aus seinen Träumen kannte, und er hörte die Wogen des Meeres in gleichmäßigem Tact an die Küste schlagen, auf welcher er so sicher stand.

      Diese Freude an der fremden Welt, in welche er so gefahrlos eingekehrt war, verließ ihn seit dem Tage nicht mehr. Wenn er sich Mühe gab, die Eigenthümlichkeiten der vielen Waaren zu verstehen, so versuchte er auch durch Lectüre deutliche Bilder von der Landschaft zu bekommen, aus welcher sie herkamen, und von den Menschen, die sie gesammelt hatten.

      So vergingen schnell die ersten Monate seines Lebens in der Hauptstadt, und es war gut für ihn, daß er auch in seinen Freistunden diese lebhafte Unterhaltung mit der ganzen Welt zu führen hatte, denn in Einem hatte Fink Recht gehabt: Anton blieb trotz dem täglichen Mittagstisch in dem parketirten Speisezimmer doch dem Chef des Hauses und der Familie sehr fremd und fühlte bald, daß eine Schranke gezogen sei zwischen den Herren vom Comtoir und den Personen des Hauses, die, so unbemerkbar sie für Fremde sein mochte, doch eisenfest stand. Er war so verständig, daß ihm nicht einfiel, darüber zu murren, aber er wurde doch manchmal dadurch gedrückt, denn mit dem Enthusiasmus der Jugend war er schnell bereit, seinen Prinzipal als das Ideal eines Kaufmanns zu verehren. Die Klugheit, Sicherheit und energische Kürze des Mannes und seine stolze Redlichkeit begeisterten ihn; er hätte sich gar zu gern mit schwärmerischer Innigkeit an ihn geschlossen, aber er sah außer den Geschäftsstunden wenig von ihm. Wenn der Kaufmann am Abend nicht in Conferenzen oder im Club war, so lebte er nur für seine Schwester, an der er mit einer rührenden Zärtlichkeit hing. Für seine Schwester hielt der Kaufmann Wagen und Pferde, die er selbst selten benutzte, ihr zu Liebe besuchte er auch Abendgesellschaften und gab selbst welche, zu denen Anton und seine Collegen nicht zugezogen wurden. Dann rollten die Equipagen vor das Haus, galonnirte Bediente flogen Trepp auf Trepp ab, und bunte Schatten schwebten an den erleuchteten Fenstern des Vorderhauses vorüber, während Anton in seiner Dachstube saß und mit Sehnsucht auf das glänzende Leben des Haushaltes sah, zu dem er doch auch gehörte: mit heißer Sehnsucht, denn unser Held war kaum neunzehn Jahr alt und kannte die geschmückte Geselligkeit eleganter Kreise nur aus den trügerischen Schilderungen der Bücher, welche er gelesen hatte. Dann sagte ihm zwar immer sein Verstand, daß er nicht in das Vorderhaus gehöre, und was daraus werden solle, wenn er mit seinem Dutzend Collegen, die so verschieden an Bildung waren, bei solchen Gesellschaften sich ausbreiten wolle. Aber was der Verstand, dieser alte Herr, sagt, wird von der jungen Dame Begehrlichkeit nicht immer ehrerbietig angehört, und Anton schlich manchmal mit einem leisen Seufzer vom Fenster zu seiner Lampe und den Büchern zurück und bemühte sich, die lockende Musik der Quadrille zu vergessen, indem er auf das Geschrei des Löwen und das Gurgeln des Brüllfrosches in irgend einem tropischen Land lauschte.

      VI

      Der Freiherr von Rothsattel hatte sein Quartier in der Hauptstadt selbst eingerichtet. Es war nur von mäßiger Größe, aber die Form der Möbeln, die Arabesken der einfachen Wandmalerei, die Zeichnung auf Vorhängen und Teppichen waren so geschmackvoll zusammengepaßt, daß das Ganze in der guten Gesellschaft als ein Muster von Eleganz und Wohnlichkeit gerühmt wurde. Recht in der Stille hatte er das Alles vorbereitet. Endlich hielt der neugekaufte Wagen vor der Wohnung, der Freiherr hob seine Gemahlin heraus und führte sie durch die Reihe der Zimmer bis zu ihrem kleinen Boudoir, das ganz mit weißer Gaze decorirt war, die Decke eine Sonne von weißen Falten, und an allen Wänden weiß gefältelte Sterne. Da flog ihm die Baronin entzückt über so viel Aufmerksamkeit in die Arme, und der gute Herr fühlte sich zufrieden und stolz wie ein König. Schnell war die Familie eingelebt, die Ackerpferde führten vom Gut die unvermeidlichen Kisten, Truhen und Vorräthe von Lebensmitteln herbei, und nachdem einige Tage hindurch Strohhalme von Treppen, Fußböden und Teppichen abgefegt worden waren, konnte man daran denken, sich außerhalb des Hauses umzusehen und die nöthigen Besuche zu machen.

      Ein großer Theil des Landadels pflegte die Wintermonate in der Hauptstadt zuzubringen, und die Rothsattel trafen mehrere Gutsnachbarn, viele Bekannte und Verwandte. Ueberall war man erfreut, die angesehene Familie in der Stadt zu begrüßen, und nach wenigen Wochen fanden sie sich mitten in einem großen Kreise zu fröhlicher Geselligkeit eingelebt. Der niedere Adel mit all seinen Titeln, welche ihm von den deutschen Regenten freigebig ertheilt worden sind, bildete eine stattliche, ziemlich abgeschlossene Corporation, und wenn in dem Völkchen auch nicht gerade ein Ueberfluß von geistreicher Bildung vorhanden war, so war doch das gesellige Behagen, mit dem sie untereinander verkehrten, vielleicht um so größer. Die Baronin wurde durch ihre sichere Liebenswürdigkeit eine Hauptgröße der Frauenwelt; auch ihr Gemahl, der in den ersten Wochen manchmal die Wanderungen durch den Wirthschaftshof und die Spazierritte in seinen Wald vermißt hatte, befand sich bald unter seinen Jugendfreunden nicht weniger wohl. Er wurde Mitglied einer adeligen Ressource, suchte seine alte Virtuosität auf dem Billard hervor, spielte mit Anstand Whist und L'hombre und trieb in müßigen Stunden etwas Politik und ein wenig Kunst. So verlebte die Familie eine behagliche und interessante Wintersaison, und der Freiherr und seine Gemahlin äußerten einander ihre СКАЧАТЬ