Название: Soll und Haben, Bd. 1 (2)
Автор: Gustav Freytag
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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Aber auch mit allen gebietenden Herren der Handlung stand Anton auf gutem Fuß. Er hörte die verständigen Urtheile des Herrn Jordan mit großer Achtung an, bewies Herrn Pix einen aufrichtigen und unbedingten Diensteifer, ließ sich von Herrn Specht in politischen Combinationen unterrichten, las die Missionsberichte, welche ihm Herr Baumann anvertraute, erbat sich von Herrn Purzel niemals Vorschüsse, sondern wußte mit dem Wenigen auszukommen, was ihm sein Vormund senden konnte, und ermunterte oft durch seine lebhafte Beistimmung Herrn Liebold, irgend eine unzweifelhafte Wahrheit auszusprechen und dieselbe nicht durch sofortigen Widerruf zu vernichten. Mit sämmtlichen Herren der Handlung stand er auf gutem Fuß, nur mit einem einzigen wollte es ihm nicht glücken, und dieser eine war der Volontair des Geschäfts.
An einem Nachmittage sah das Comtoir in der Dämmerung grau und unheimlich aus, melancholisch tickte die alte Wanduhr und jeder Eintretende brachte eine Wolke feuchter Nebelluft in das Zimmer, welche den Raum nicht anmuthiger machte. Da gab Herr Jordan unserm Helden den Auftrag, in einer andern Handlung eine schleunige Besorgung auszurichten. Als Anton an das Pult des Procuristen trat, um den Brief in Empfang zu nehmen, sah Fink von seinem Platz auf und sagte zu Jordan: »Schicken Sie ihn doch gleich einmal zum Büchsenmacher, der Taugenichts soll ihm mein Gewehr mitgeben.«
Unserm Helden schoß das Blut in's Gesicht, er sagte eifrig zu Jordan: »Geben Sie mir den Auftrag nicht, ich werde ihn nicht ausrichten.«
»So?« frug Fink und sah verwundert auf: »und warum nicht, mein Hähnchen?«
»Ich bin nicht Ihr Diener,« antwortete Anton erbittert. »Hätten Sie mich gebeten, den Gang für Sie zu thun, so würde ich ihn vielleicht gemacht haben, aber einem Auftrage, der mit solcher Anmaßung gegeben ist, folge ich nicht.«
»Einfältiger Junge,« brummte Fink und schrieb weiter.
Das ganze Comtoir hatte die schmähenden Worte gehört, alle Federn hielten still, und alle Herren sahen auf Anton. Dieser war in der größten Aufregung, er rief mit etwas bebender Stimme, aber mit blitzenden Augen: »Sie haben mich beleidigt, ich dulde von Niemandem eine Beleidigung, am wenigsten von Ihnen. Sie werden mir heut Abend darüber eine Erklärung geben.«
»Ich prügele Niemanden gern,« sagte Fink friedfertig, »ich bin kein Schulmeister und führe keine Ruthe.«
»Es ist genug,« rief Anton todtenbleich, »Sie sollen mir Rede stehen,« ergriff seinen Hut und stürzte mit dem Briefe des Herrn Jordan hinaus.
Draußen rieselte ein kalter Regen herunter, Anton merkte es nicht. Er fühlte sich vernichtet, gehöhnt von einem Stärkeren, tödtlich gekränkt in seinem jungen, harmlosen Selbstgefühl. Sein ganzes Leben schien ihm zerstört, er kam sich hülflos vor auf seinen Wegen, allein in einer fremden Welt. Gegen Fink empfand er etwas, was halb glühender Haß war, und halb Bewunderung; der freche Mensch erschien ihm auch nach dieser Beleidigung so sicher und überlegen. Es wurde ihm schwer um's Herz, und seine Augen füllten sich mit Thränen. So kam er an das Haus, wo er seinen Auftrag auszurichten hatte. Vor der Thür hielt der Wagen seines Prinzipals, er huschte mit niedergeschlagenen Augen vorbei und hatte kaum Fassung genug, in dem fremden Comtoir sein Unglück zu verbergen. Als er wieder herauskam, traf er im Hausflur mit der Schwester seines Prinzipals zusammen, welche im Begriff war, in den Wagen zu steigen. Er grüßte und wollte neben ihr vorbeistürzen, Sabine blieb an dem Hausflur stehen und sah ihn an. Der Bediente war nicht zur Stelle, der Kutscher sprach vom Bock nach der andern Seite herab laut mit einem Bekannten. Anton trat herzu, rief den Kutscher an, öffnete den Schlag und hob das Fräulein in den Wagen. Sabine hielt den Schlag zurück, den er zuwerfen wollte, und blickte ihm fragend in das verstörte Gesicht. »Was fehlt Ihnen, Herr Wohlfart?« frug sie leise.
»Es wird vorübergehen,« erwiederte Anton mit zuckender Lippe und einer Verbeugung und schloß die Wagenthür. Sabine sah ihn noch einen Augenblick schweigend an, dann neigte sie sich gegen ihn und zog sich zurück, der Wagen fuhr davon.
So unbedeutend der Vorfall war, er gab doch den Gedanken Antons eine andere Richtung. Sabinens Frage und ihr Gruß waren in diesem Augenblick eine Beschwörung seiner Muthlosigkeit. In ihrer dankenden Verbeugung lag Achtung, und ein menschlicher Antheil in ihren Worten. Die Frage, der Gruß, der kleine Ritterdienst, den er der jungen Herrin des Hauses geleistet hatte, erinnerten ihn, daß er kein Kind sei, nicht hülflos, nicht schwach und nicht allein. Ja auch in seiner bescheidenen Stellung genoß er die Achtung Anderer, und er hatte ein Recht darauf, und er hatte die Pflicht, sich diese Achtung zu bewahren. Er erhob sein Haupt, und sein Entschluß stand fest, lieber das Aeußerste zu thun, als den Schimpf zu ertragen. Er hielt die Hand in die Höhe, wie zum Schwur.
Als er in das Comtoir zurückkam, richtete er mit entschiedenem Wesen seine Besorgung aus, ging schweigend und unbekümmert um die neugierigen Blicke der Herren an seinen Platz und arbeitete weiter.
Nach dem Schluß des Comtoirs eilte er auf Jordans Zimmer. Er fand bereits die Herren Pix und Specht daselbst vor, in dem gemüthlichen Eifer, welchen jede solche Scene bei Unbetheiligten zu erzeugen pflegt. Die drei Herren sahen ihn zweifelhaft an, wie man einen armen Teufel ansieht, der vom Schicksal mit Fäusten geschlagen ist, etwas verlegen, etwas mitleidig, ein wenig verächtlich. Anton sagte mit einer Haltung, die in Betracht seiner geringen Erfahrung in Ehrensachen anerkennenswerth war: »Ich bin von Herrn von Fink beleidigt worden und habe die Absicht, mir diese Beleidigung nicht gefallen zu lassen. Sie Beide, Herr Jordan und Herr Pix, sind im Geschäft meine Vorgesetzten, und ich habe große Achtung vor Ihrer Erfahrung. Von Ihnen wünsche ich vor Allem zu wissen, ob Sie in dem Streite selbst mir vollkommen Recht geben.«
Herr Jordan schwieg vorsichtig, aber Herr Pix zündete entschlossen eine Cigarre an, setzte sich auf den Holzkorb am Ofen und erklärte: »Sie sind ein guter Kerl, Wohlfart, und Fink hat Unrecht, das ist meine Meinung.«
»Meine Meinung ist es auch,« stimmte Herr Specht bei.
»Es ist gut, daß Sie sich an uns gewandt haben,« sagte Herr Jordan; »ich hoffe, der Streit wird sich beilegen lassen; Fink ist oft rauh und kurz angebunden, aber er ist nicht malitiös.«
»Ich sehe nicht ein, wie die Beleidigung ausgeglichen werden kann, wenn ich nicht die nöthigen Schritte thue,« rief Anton finster.
»Sie wollen den Streit doch nicht vor den Prinzipal bringen?« frug Herr Jordan mißbilligend, »das würde allen Herren unangenehm sein.«
»Mir am meisten,« erwiederte Anton; »ich weiß, was ich zu thun habe, und wünsche nur vorher noch von Ihnen die Erklärung, daß Fink mich unwürdig behandelt hat.«
»Er ist Volontair,« sagte Herr Jordan, »und hat kein Recht, Ihnen Aufträge zu geben, am wenigsten in seinen Privatgeschäften mit Hasen und Rebhühnern.«
»Das genügt mir,« sagte Anton, »und jetzt bitte ich Sie, Herr Jordan, mich einen Augenblick unter vier Augen anzuhören.« Er sagte das mit so viel Ernst, daß Herr Jordan stillschweigend die Thür seiner Schlafkammer aufmachte und mit ihm eintrat. Hier ergriff Anton die Hand des Procuristen, drückte sie kräftig und sprach: »Ich bitte Sie um einen großen Dienst, gehen Sie hinab zu Herrn von Fink und fordern Sie von ihm, daß er mir morgen, in Gegenwart der Herren vom Comtoir, das abbittet, was er von beschimpfenden Ausdrücken gegen mich gebraucht hat.«
»Das wird er schwerlich thun,« sagte Herr Jordan kopfschüttelnd.
»Wenn er es nicht thut,« sagte Anton heftig, »so fordern Sie ihn von mir auf Degen oder Pistolen.«
Wenn vor Herrn Jordan plötzlich aus seiner Tintenflasche СКАЧАТЬ