Soll und Haben, Bd. 1 (2). Gustav Freytag
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Название: Soll und Haben, Bd. 1 (2)

Автор: Gustav Freytag

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ wenn eine Last so schwer war, daß seine Kameraden sie nicht bewältigen konnten, dann stemmte er seine Schulter an und schob die größten Fässer weg, wie Holzklötzchen. Es ging von ihm die Sage, daß er einmal ein polnisches Pferd mit allen vier Beinen in die Höhe gehoben hätte, und Herr Specht behauptete, es gebe für ihn nichts Schweres auf der Erde. Ueber seinem großen Körper glänzte ein breites Gesicht von natürlicher Gutherzigkeit, welche nur durch die Würde gebändigt wurde, die ein Mann von seiner Stellung besitzen mußte.

      Er stand zur Firma in einem besonders freundschaftlichen Verhältniß und besaß ein einziges Kind, an dem er mit großer Zärtlichkeit hing. Der Knabe hatte seine Mutter früh verloren, und der Vater hatte ihn als funfzehnjährigen Burschen in der Handlung von T. O. Schröter untergebracht in einer eigenthümlichen Stellung, die er selbst für ihn ausgedacht. Karl Sturm war unter den Hausknechten ungefähr dasselbe, was Fink im Comtoir war, ein Volontair, er trug seine Lederschürze und seinen kleinen Haken, wie der Vater, und war durch eignes Verdienst zu einem ausgedehnten Wirkungskreis gekommen. Er genoß das Vertrauen aller Mitglieder der Handlung, wußte in jedem Winkel des Hauses Bescheid, sammelte alle Bindfaden und Schnüre, alle Nägel und alle Faßdauben, hob alles Packpapier auf, fütterte den Pluto und unterstützte den Bedienten beim Stiefelputzen. Er konnte genau angeben, wo irgend eine Tonne, ein Bret, ein alter Waarenrest lag. Wenn ein Nagel einzuschlagen war, so wurde Karl gerufen; so oft ein Stemmeisen verlegt war, Karl wußte es zu schaffen; wenn die Tante den Wintervorrath von Schinken und Würsten aufhob, so verstand Karl am besten, diese Schätze einzupacken, und wenn Herr Schröter eine schnelle Bestellung auszurichten hatte, so war Karl der zuverlässigste Bote. Zu Allem anstellig, immer guter Laune und nie um Auskunft verlegen, war er ein Günstling aller Parteien, die Auflader nannten ihn »unser Karl,« und der Vater wandte sich oft von seiner Arbeit ab, um einen heimlichen Blick voll Stolz auf den Knaben zu werfen.

      Nur in einem Punkt war er nicht mit ihm zufrieden: Karl gab keine Hoffnung, seinem Vater in Größe und Stärke gleich zu werden. Er war ein hübscher Bursch mit rothen Wangen und blondem Kraushaar, aber nach dem Gutachten aller Riesen war für seine Zukunft keine andere als eine mäßige Mittelgröße zu erwarten. So kam es, daß der Vater ihn als eine Art Zwerg behandelte, mit unaufhörlicher Schonung und nicht ohne Wehmuth. Er verbot seinem Sohne, beim Aufladen schwerer Frachtgüter anzugreifen, und wenn er plötzlich von einem Vatergefühl ergriffen wurde, so legte er die Hand vorsichtig auf den Kopf seines Karls in der unbestimmten Furcht, daß die Köpfe von Zwergen nur die Dicke einer Eierschale hätten und bei einem kräftigen Druck zerbrechen müßten.

      »Es ist einerlei, was das Ding lernt,« sagte er zu Herrn Pix, als er den Knaben nach der Confirmation im Geschäft einführte, »wenn er nur Zweierlei lernt: ehrlich sein und praktisch sein.« Diese Rede war ganz nach dem Herzen des Herrn Pix. Und der Vater fing seine Lehre auf der Stelle damit an, daß er den Sohn in das große Gewölbe unter die offenen Vorräthe führte und zu ihm sagte: »Hier sind die Mandeln, und hier die Rosinen; diese in dem kleinen Faß schmecken am besten, koste einmal.«

      »Sie schmecken gut, Vater,« rief Karl vergnügt.

      »Ich denk's, Liliputer,« nickte der Vater. »Sieh, aus allen diesen Fässern kannst du essen, so viel du willst, kein Mensch wird dir's wehren; Herr Schröter erlaubt dir's, Herr Pix erlaubt dir's, ich erlaube dir's. Jetzt merke auf, mein Kleiner. Jetzt sollst du probiren, wie lange du vor diesen Tonnen stehen kannst, ohne hineinzugreifen. Je länger du's aushältst, desto besser für dich; wenn du's nicht mehr aushalten kannst, kommst du zu mir und sagst: es ist genug. Das ist gar kein Befehl für dich, es ist nur wegen dir selber und wegen der Ehre.« So ließ der Alte den Knaben allein, nachdem er seine große dreischalige Uhr herausgezogen und auf eine Kiste neben ihn gelegt hatte. »Versuch's zuerst mit einer Stunde,« sagte er im Weggehen, »geht's nicht, so schadet's auch nicht. Es wird schon werden.« Der Junge steckte trotzig die Hände in die Hosentaschen und ging zwischen den Fässern auf und ab. Nach Verlauf von mehr als zwei Stunden kam er die Uhr in der Hand zum Vater heraus und rief: »Es ist genug.«

      »Zwei und eine halbe Stunde,« sagte der alte Sturm und winkte vergnügt Herrn Pix zu. »Jetzt ist's gut, Kleiner, jetzt brauchst du den übrigen Tag nicht mehr in das Gewölbe zu gehen. Komm her, du sollst diese Kiste zusammenschlagen; hier ist ein neuer Hammer für dich, er kostet zehn Groschen.«

      »Er ist nur acht werth,« sagte Karl den Hammer betrachtend, »du kaufst immer zu theuer.«

      So wurde Karl eingeführt. Am ersten Morgen, nachdem Anton gekommen war, sagte Karl zu seinem Vater im Hausflur: »Es ist ein neuer Lehrling da.«

      »Was ist's für einer?« frug der Alte.

      »Er hat einen grünen Rock und graue Hosen, es ist Mitteltuch; er ist nur wenig größer als ich. Er hat schon mit mir gesprochen, es scheint ein guter Kerl. Gieb mir dein Taschenmesser, ich muß ihm einen neuen Holznagel in seinen Kleiderschrank schneiden.«

      »Mein Messer, du Knirps?« rief Sturm auf seinen Sohn heruntersehend mit tadelnder Stimme, »du hast ja dein eigenes.«

      »Zerbrochen,« sagte Karl unwillig.

      »Wer hat's gekauft?« frug Sturm.

      »Du hast's gekauft, Vater Goliath; es war ein erbärmliches Ding, wie für ein Wickelkind.«

      »Ich konnte dir doch kein schweres kaufen für deine kleine Hand?« frug der Vater gekränkt.

      »Da haben wir's,« sagte Karl, sich vor den Vater hinstellend, »wenn man dich hört, muß man glauben, ich wäre eine Kaulquabbe von Gassenjungen, die ihre Hosen noch an die Jacke knöpft und hinten ein weißes Schwänzchen trägt.«

      Die Auflader lachten. »Sei nicht aufsätzig gegen deinen Vater,« sagte Sturm und legte seine Hand behutsam auf den Kopf seines Sohnes.

      »Sieh, Vater, da ist der Lehrling,« rief Karl und betrachtete Anton, der jetzt für ihn zum Inventarium des Hauses gehörte, mit prüfenden Blicken.

      Herr Pix stellte Anton dem Riesen vor, und Anton sagte wieder mit Achtung zu dem Riesen aufsehend: »Ich war noch nie in einem Geschäft, ich bitte auch Sie, mir zu helfen, wo ich nicht Bescheid weiß.«

      »Alles Ding will gelernt sein,« erwiederte der Riese mit Würde. »Da ist mein Kleiner hier, der hat in einem Jahre schon hübsch etwas losgekriegt. Also Ihr Vater ist nicht Kaufmann?«

      »Mein Vater war Beamter, er ist gestorben,« erwiederte Anton.

      »Oh, das thut mir leid,« sagte der Auflader mit betrübtem Gesicht. »Aber Ihre Frau Mutter kann sich doch über Sie freuen.«

      »Sie ist auch gestorben,« sagte Anton wieder.

      »Oh, oh, oh!« rief der Riese bedauernd und sann erstaunt über das Schicksal Antons nach. Er schüttelte lange den Kopf und sagte endlich mit leiser Stimme zu seinem Karl: »Er hat keine Mutter mehr.«

      »Und keinen Vater,« erwiederte Karl ebenso.

      »Behandle ihn gut, Liliputer,« sagte der Alte, »du bist gewissermaßen auch eine Waise.«

      »Na,« rief Karl, auf die Schürze des Aufladers schlagend, »wer einen so großen Vater hat, der hat Sorge genug.«

      »Weißt du, was du bist? Du bist ein kleines Ungethüm,« sagte der Vater und schlug lustig mit dem Schlägel auf die Reifen eines Fasses.

      Seit der Zeit schenkte Karl dem neuen Lehrling seine Gunst. Wenn er am Morgen auf die Stiefelsohlen desselben Nr. 14 geschrieben hatte, so stellte er die Stiefeln mit besonderer Sorgfalt zur Seite; er nähete ihm abgerissene Knöpfe an die Kleider und war, so oft Anton an der Waage zu thun hatte, dienstbeflissen an seiner Seite, ihm etwas zuzureichen und die kleineren Gewichte СКАЧАТЬ