Название: Soll und Haben, Bd. 1 (2)
Автор: Gustav Freytag
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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Herr Ehrenthal faßte das Papier mit einem geschickt angenommenen Widerwillen gegen die gelbliche Farbe desselben und sah es genau durch, Unterschrift, Siegel und Alles, indem er es sogar gegen das Licht hielt. Veitel wartete gespannt, ob er das Document behalten würde; wenn er es in der Hand behielt, so war das Geschäft zum Abschluß reif.
Als Herr Ehrenthal das Document nachlässig in der Hand wiegte, versuchte Itzig mit unterwürfiger Vertraulichkeit zu lächeln. »Wenn ich dich in meinen Dienst nehme,« sprach der Hausherr, »so wirst du machen Alles in meinem Hause, was ich dir werde auftragen, oder Madame Ehrenthal, oder mein Sohn Bernhard Ehrenthal; du wirst putzen die Stiefeln am Morgen und die Schuhe meiner Frau, du wirst holen in die Küche, was dir die Köchin sagen wird, in meinem Geschäft wirst du machen alle Gänge, die ich habe zu machen, und wirst ausrichten alle Bestellungen.«
»Ich will, Herr Ehrenthal,« sagte Veitel demüthig, »ich will Alles thun, daß Sie seien zufrieden mit mir.«
»Frühstück und Mittagessen wird dir geben die Köchin, am Abend von sieben Uhr kannst du sein dein eigener Herr.« – Veitel nahm mit derselben Bereitwilligkeit auch diese Bedingung an und bemerkte nur: »Kann ich nicht haben am Morgen ein bis zwei Stunden für mich?«
»Nein,« sprach Ehrenthal ungnädig, »ich kann es nicht leiden, wenn Einer in meinen Diensten ist und macht Geschäfte für eigene Rechnung.«
Da Veitel beschlossen hatte, unter allen Umständen Geschäfte für eigene Rechnung zu machen, und Herr Ehrenthal das eben so gut wußte wie Veitel, so wurde auf diesen zarten Punkt nicht weiter eingegangen.
»Dafür sollst du erhalten alle Monat zwei Thaler, und wenn ich mit deiner Hülfe ein Geschäft mache, erhältst du deinen Antheil davon.«
»Wie groß soll sein dieser Antheil?« rief Veitel schnell.
»Wie groß er soll sein?« frug Herr Ehrenthal unwillig, »was ich dir werde geben, wird sein groß genug.«
»Groß genug für den Herrn, aber nicht für mich,« antwortete Veitel dreist, denn er fühlte, daß bei diesem Hauptpunkt Entschlossenheit nöthig sei.
»Das wird sich finden, wenn du wirst abgedient haben deine Probezeit. Vier Wochen dienst du auf Probe, nach der Zeit werde ich mit dir reden über deinen Verdienst.«
Das war Alles, was Veitel billigerweise verlangen konnte, er hob sein Bündel von den Treppenstufen auf und sagte unterwürfig: »Ich bin's zufrieden, wenn der Herr Ehrenthal mir noch will schenken eine alte Hose und Rock, daß ich ihm keine Schande mache vor den Leuten.«
»Keinen Rock und keine Hose,« antwortete der Herr entschieden.
»Dann geben Sie mir Hose und Rock in vier Wochen, wenn meine Probezeit zu Ende ist.« Diese Forderung war nach dem Cours der Trödlerbörse gleich einem Geschenk von drei bis vier Thalern, und Ehrenthal fand die Forderung mit Recht hoch, er warf noch einen prüfenden Blick auf den Burschen, auf die Demuth seiner Stellung und die ungewöhnliche Frechheit seiner Augen, er schloß, daß der Mensch brauchbar sein werde, und fühlte sich bewogen, Großmuth zu zeigen. »So mag es sein,« schloß er, »in vier Wochen. Dein Nachtquartier kannst du nehmen bei Löbel Pinkus an der Ecke, damit ich weiß, wo du bist zu finden.« Darauf öffnete Herr Ehrenthal die Entreethüre und rief hinein: »Frau, Bernhard, Rosalie, kommt heraus.« Zwei Stubenthüren und die Küchenthür öffneten sich, und die Familie des Hausherrn wurde sichtbar, dahinter die zerknitterte Köchin.
Madame Ehrenthal war eine volle Frau in schwarzer Seide, mit starken Augenbrauen und rabenschwarzen Hängelocken; sie machte noch große Ansprüche zu gefallen und gefiel auch. Wenigstens versicherten ihr das mit mehr oder weniger Anstand junge Herren vom Adel, welche zuweilen in den Morgenstunden Herrn Ehrenthal besuchten, um mit ihm Geschäfte zu machen; und obgleich diese Versicherungen um so wärmer zu sein pflegten, je kühler Ehrenthal sich gegen das abzuschließende Geschäft verhielt, so galt doch, die Wahrheit zu sagen, Madame Ehrenthal auch bei solchen Leuten, welche keine Sola-Wechsel zu prolongiren wünschten, für eine sehr stattliche Dame. Ihre Tochter aber war in der That eine Schönheit, eine große, edle Gestalt mit glänzenden Augen, dem reinsten Teint und einer nur sehr wenig gebogenen Nase. Wie aber kam der Sohn in diese Familie? Er war fast klein, mit einem bleichen, faltigen Gesicht und gebückter Haltung; daß er noch ein Jüngling war, sah man nur an seinem Munde und dem hellen Blick; auch war er nachlässiger gekleidet, als einem Sohn des Herrn Ehrenthal geziemte, und in dem braunen Haar hingen noch jetzt am Abend einige Federn. Die Familie und Veitel sahen einander stumm an, während Herr Ehrenthal mit Selbstgefühl bemerkte: »Dieses ist der Veitel Itzig, ich habe ihn genommen in unsern Dienst.« Der vornehme Stolz der Mutter, der mißfällige Blick der Tochter und das zerstreute Auge des Sohnes wurden von dem armen Bocher eben so gewandt aufgefangen, wie die bunten Strahlen eines Prismas von einem beobachtenden Naturforscher; er beschloß auf der Stelle, gegen die Mutter sehr, sehr unterwürfig zu sein, sich in die Tochter zu verlieben und Bernhards Stiefel schlecht zu putzen und in den Rocktaschen desselben beim Ausbürsten nachzusehen, ob nicht ein Geldstück durch Nachlässigkeit des Besitzers in den Falten sitzen geblieben.
Nach dieser Vorstellung erklärte Herr Ehrenthal, Veitel könne gehen und solle am nächsten Morgen um sechs Uhr im Hause sein. Die Entreethüre schloß sich hinter dem Burschen, auch er stand auf der Treppe, in's Geschäft aufgenommen, ein angehender Kaufmann. Er lächelte vergnügt, als er die Treppe hinunter ging, offenbar war er mit seinem Handel zufrieden. Hatte er sich doch gemessen mit dem großen Herrn im Geschäft und hatte einen Vortheil davongetragen. Denn da er sich auf jede Bedingung auch ohne Garderobenzulage engagirt haben würde, so betrachtete er den alten Rock und Hosen zahlbar in vier Wochen mit Recht als eine angenehme Uebervortheilung seines neuen Prinzipals. Die Ueberlegung: »Es wird nur ein Sommerrock sein,« flog wie ein düsterer Schatten über seine Seele; »aber die Hose wird sein von seinem Bernhard, welcher trägt Tuchhosen auch heut am heißen Sommertage.« So trug er beruhigt sein Bündel um die Ecke zu Löbel Pinkus.
Löbel Pinkus war Hausbesitzer und hielt zu ebener Erde einen kleinen Branntweinladen, welcher zahlreiche Kunden hatte. Doch war ersichtlich, daß weder die starke, wie fettig glänzende Figur des ehrsamen Pinkus selbst, noch die dicke Halskette seiner Frau ihre solide Pracht aus dem Branntweingeschäft allein herleiteten, und die Nachbarn zerbrachen sich manchmal den Kopf darüber, wie Frau Pinkus es durchsetzen könne, immer die theuersten Gänse zu braten, ja zuweilen sogar Truthühner. Indeß da ihr Gemahl ein resoluter Charakter war, in allen seinen Reden grob und entschieden, da er Branntwein verkaufte, was immer für ein Zeichen volksthümlicher Gesinnung gelten wird, und da er außerdem Geld gegen ungewöhnliche Procente auszuleihen wußte, so war er unter den kleinen Handwerkern in der Nachbarschaft doch sehr respectirt und gefürchtet. Seine Reputation war gut. Die Straßenpolizei trank im Vorbeigehen gern in seinem Laden einen Liqueur, für den er das Geld zu nehmen stets verweigerte, er zahlte seine Abgaben pünktlich und galt für einen Freund, ja Vertrauten der executiven Macht. In Wahrheit aber war Herr Pinkus eine von den glücklichen Naturen, welche Honig aus allen Blumen zu saugen wissen, auch aus übelriechenden. Er hielt in dem ersten Stock seines Hauses eine stille Herberge für Männer mit und ohne Bart, welche einen Haß gegen Alles, was von dem Geschlecht der Schweine stammt, nicht überwinden konnten. Diese Männer von uralter Familie schätzten zuweilen ein billiges und verborgenes Nachtlager, bei welchem der Wirth keine hohen Rechnungen machte und keinen Paß abforderte; sie kamen in der Regel am späten Abend in die Herberge und schlichen am frühen Morgen wieder hinaus in die Gassen der Stadt, oder auf die Landstraße, bescheidene Trödler und Schacherer, welche ihren Gewinn nach Groschen und Pfennigen berechneten. Außer diesen Gästen erschienen zuweilen noch andere, unregelmäßig wie Kometen, von jedem Alter, Geschlecht und Glauben, sie verhandelten in größter Stille mit dem Hausherrn und konnten es nicht vertragen, wenn man bei Nacht in der Nähe ihres Gesichtes ein Schwefelholz anzündete. Alte Gastfreunde des Pinkus hatten über solche Eigenthümlichkeit allerdings ihre Ansichten, aber sie fanden es nicht gerathen, СКАЧАТЬ