Gesammelte Schulhumoresken. Eckstein Ernst
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Название: Gesammelte Schulhumoresken

Автор: Eckstein Ernst

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ zu erklären, wie er immer und immer wieder dieselben Phrasen zum besten gab, ohne zu bedenken, daß jedes unverkünstelte Menschengehirn bei solchem Geklapper aus dem Leim gehen muß. Er scheint eine ganz eigen organisierte Natur zu besitzen. Wir bekamen das trostlose Gebet doch nur jeden Dienstag und Freitag zu hören: er aber trug es seit Menschengedenken auch Montags, Mittwochs, Donnerstags und Sonnabends vor (in Prima und Tertia nämlich), ohne daß es ihm bis jetzt irgend geschadet hätte.

      Nun, es heißt schon in Goethes Faust: »Die Kirche hat einen guten Magen«. Da ich aber in keiner Beziehung zur Kirche gehöre und mich überhaupt von der sogenannten kirchlichen Richtung prinzipiell fern halte – mein Vater ist Freimaurer –, so erscheint es begreiflich, daß ich infolge dieser ununterbrochenen Gebetsidentität nahezu krank wurde und eine wahre Wut gegen den wiederkäuenden Lehrer faßte.

      Da kam mir ein köstlicher Gedanke, den ich um so bereitwilliger durchführte, als ich mir sagen mußte, das Faktum werde, ganz abgesehen von der Befriedigung meiner Gebetwünsche, auch einen reizvollen Zwischenfall absetzen, wie ein lebensfroher Gymnasiast ihn stets brauchen kann. So zögerte ich denn nicht länger und »vollendete das Werk dieser Woche«. (Ein schönes Zitat! Es ist dem Schlußgebet entnommen, das wir jeden Sonnabend um zwölf mit anhören müssen.)

      Das Klassengebetbuch liegt in der Regel auf dem Katheder, damit es dem Lehrer gleich zur Hand sei, sobald er das Bedürfnis fühlt, sich mit Gott zu unterhalten. Wie Möros in der Schillerschen Ballade, schlich ich mich eines Morgens in aller Frühe – ich war eigens eine halbe Stunde vor Beginn der Lehrstunde erschienen, um der erste zu sein – zum Katheder, öffnete das Buch mit dem schwarzen, unheimlichen Einband, der so oft in den Händen meines Peinigers geruht hatte, und suchte mit fiebernder Hast nach dem verhängnisvollen Kapitel.

      »Aha!« sagte ich mit diabolischer Wollust, als ich den Gegenstand meines Hasses entdeckt hatte, – »da steht es:

      ›So treten wir denn wiederum vereint vor die Stufen Deines Thrones, o Allmächtiger, und flehen zu Dir mit kindlichem Herzen um die Gnade Deines Beistandes …‹

      Du sollst keinen mehr kränken!« Und mit keckem Griffe riß ich die beiden Blätter, auf denen das Leibgebet des Herrn Pastors verzeichnet stand, aus dem Buche, zerpflückte sie in hundert mikroskopische Stückchen und trug sie kaltblütig, als ob nichts geschehen wäre, nach dem Hofe, wo ich sie dem Spiel der Frühlingswinde überantwortete.

      In dem beseligenden Gefühle, ein gutes Werk vollbracht zu haben, setzte ich mich auf meinen Platz und wartete der Dinge, die da kommen sollten.

      Es schlug sieben. Die Tür öffnete sich, und herein wandelte wuchtigen Schrittes unser gottwohlgefälliger Religionslehrer. Er setzte sich auf den Kathederstuhl, schneuzte sich zweimal und legte dann sein Gesicht in jene frommen Gebetsfalten, die ich so oft mit Schrecken an ihm bemerkt hatte. Das war immer die Introduktion; eine halbe Minute später ging's los: »So treten wir denn wiederum vereint vor die Stufen Deines Thrones, o Allmächtiger …«

      Der Herr Pastor erhob sich und ergriff mit einem verschleierten Blick gen oben das Gebetbuch. Auch die Schüler standen ehrerbietig von ihren Plätzen auf und falteten schweigend die Hände.

      Lautlose Stille.

      Der Herr Pastor schlug das Gebetbuch auf und spitzte die Lippen. Merkwürdigerweise war das so oft vorgetragene Gebet heute nicht auf den ersten Griff zu finden.

      Der Herr Pastor blätterte. Und blätterte wiederum. Und blätterte abermals.

      Es war ganz unbegreiflich!

      Er beschaute das Buch von außen, als wolle er sich überzeugen, ob es noch das alte, stille, traute Gebetbuch von ehedem sei, mit dessen Hilfe er so manches Mal vereint vor die Stufen des Thrones getreten war.

      In der Tat, der Einband hatte sich nicht im geringsten verändert.

      Nun suchte der Herr Pastor, immer befremdlicher dreinschauend, im Register.

      Richtig, da stand es, Seite 50!

      Der Herr Pastor suchte demgemäß Seite 50, aber siehe da! der schöne Spruch: Suchet, so werdet Ihr finden, wurde diesmal zuschanden! … Jetzt erst ging dem unglücklichen Lehrer ein Licht auf. Er stieß einen unartikulierten Ton der Entrüstung aus und sagte dann mit einer Stimme, die an die Posaune des Jüngsten Gerichts gemahnte:

      »Da hat mir ein miserabler Junge die Blätter herausgerissen, auf denen unser Morgengebet stand! Ich will nicht untersuchen, wer sich diesen sakrilegischen Akt erlaubt hat: ich überlasse den Betreffenden dem Gefühl seiner eigenen Schande. Aber traurig ist es doch, daß so etwas in einer Klasse von gesitteten jungen Leuten vorkommen kann! Pfui!«

      Ich mußte mir auf die Lippen beißen, um nicht in helles Gelächter auszuplatzen. Der Herr Pastor bemerkte es.

      »Was lachen Sie?« sagte er mit einem vernichtenden Blick auf mein unschuldiges Gesicht. »Gehen Sie hinaus: Sie sind in dieser Stimmung nicht würdig, der Schulandacht beizuwohnen.«

      »Aber Herr Pastor« … sagte ich demütig.

      »Sie verlassen das Zimmer!« wiederholte er schneidig. »Wenn Sie bei einem solchen Anlaß überhaupt lachen können, so läßt das tief blicken.«

      Ich verließ also das Zimmer, stand aber nahe genug an der Tür, um zu hören, daß der Herr Pastor noch eine längere Rede hielt. Hierauf öffnete er wieder das Gebetbuch und las ein anderes Kapitel vor, das halb so lang war, als die »Stufen des Thrones«, und schon um seiner Neuheit willen die gebührende Aufmerksamkeit fand.

      »Amen!« sagte der Herr Pfarrer wuchtig und salbungsvoll, und gleich darauf fügte er hinzu: »Sie können den Heppenheimer jetzt wieder hereinholen.«

      War das nicht ein köstlicher Streich? Aber nicht genug! Das Gerücht von dem herausgerissenen Gebet verbreitete sich wie ein Lauffeuer durch alle Klassen, und ehe der folgende Morgen graute, waren die »Stufen des Thrones« aus sämtlichen Gebetbüchern entfernt! So ging dem Herrn Pastor denn ein für allemal die Möglichkeit verloren, seiner langjährigen Leidenschaft fürder zu frönen!

      Er verhängte jetzt eine umfassende Untersuchung, die jedoch ohne Resultat blieb. Wenn ich der Eventualität einer Karzerstrafe so gleichmütig gegenüberstünde, wie Schwarz oder Rumpf, die beide einen unbeschreiblichen Stoizismus besitzen, so würde ich dem Herrn Pastor ohne weiteres entgegentreten und ihm zurufen: »Ja, Verehrtester, c'est moi qui l'ai fait! Und wissen Sie, warum ich's getan habe? Weil es ein Sprüchlein gibt, das da lautet: So Ihr betet, sollt Ihr nicht plappern wie die Heiden, die da meinen, sie würden erhöret, wenn sie viele Worte machen! Weil ferner sich der Betende in sein stilles Kämmerlein einschließen soll! Und weil schließlich geschrieben steht, daß der Buchstabe tot macht, um wieviel mehr ein ellenlanges Geleier, das aus mehreren tausend Buchstaben besteht!«

      Da ich heute gerade bei der Persönlichkeit des Herrn Pastors bin, so will ich noch die Geschichte von den Bescherungen meines Freundes Boxer notieren. Die Sache ist zwar sehr einfach, aber sie hat mich königlich amüsiert.

      Vor einiger Zeit nämlich, es mögen jetzt vielleicht acht oder zehn Wochen her sein, hatten wir es eingeführt, dem Herrn Pastor jedesmal morgens bei dem Beginn der Lehrstunde eine Bescherung auf den Katheder zu setzen. Mein Freund Boxer war in dieser Beziehung der Haupt-Entrepreneur und ging dabei ebenso malerisch als humoristisch zu Werke. Der Herr Pastor entdeckte beim Eintritt in das Lehrzimmer folgende Gegenstände in zierlicher Gruppierung auf der Platte seines Lehrpultes: in der Mitte eine große, halb zerbrochene Blumenscherbe, mit zwei alten Schreibärmeln behangen, wie eine Totenurne; oben darauf eine Schneelawine (es war damals noch Winter und hatte tüchtig geschneit), recht fest geknetet und von der Form eines menschlichen Kopfes. Die Augen СКАЧАТЬ