Gesammelte Schulhumoresken. Eckstein Ernst
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Название: Gesammelte Schulhumoresken

Автор: Eckstein Ernst

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ fuhr empor, als habe ihn eine Natter gestochen.

      »Ich bin's nicht gewesen!«

      »Sie sind's gewese, und jetzt halte Sie 's Maul!«

      »Ich verteidige nur meine Rechte«, erwiderte Kleemüller.

      »So? Na, dann komme Se mal raus an die Tawel!«

      »Weshalb?«

      »Dummes Geschwätz! Sie solle die nächst' Aufgab' löse. Na, steht die Tawel nun fest? Allez! vite! vite! vite!«

      Kleemüller trat heraus und begann zu rechnen.

      »Sie mache das viel zu umständlich. Das Verfahre läßt sich wesentlich abkürze. Wisse Sie davon nix?«

      »Nein.«

      »Sehe Se wohl, daß ich Recht hab'? Sie habe gebrummt; sonst wüßte Se, was hier zu tun ist. Jetzt mache Se, daß Se so schnell wie möglich auf Ihren Platz komme, sonst verzehrt Sie 's Gewirrer!«

      Gewirrer! So sprach Doktor Veit in der Tat, wenn er eine gewisse Stufe der Indignation überschritten hatte. Im normalen Zustande sprach er: Gewitter.

      Das Antlitz des ehrlichen Mathematikers gewann jetzt wieder den alltäglichen Ausdruck. Die Überzeugung, daß er Kleemüllers Sündenschuld unwiderleglich erhärtet habe, gab ihm die seelische Ruhe zurück. Er fuhr mit dem Schwamm triumphierend über die Tafel und rief dann in freudigster Klangfarbe:

      »Aufgepaßt!«

      Nun begann er in seltsam geschraubtem Hochdeutsch eine wissenschaftliche Erörterung, die er durch praktische Exempel treffend erläuterte. Ab und zu unterbrach er seine Darlegung mit dialektischen Ausrufen:

      »Wann jetzt das Geraschpel an dem Tintefaß net bald aufhört, dann fahr' ich hinein!«

      Oder:

      »Möricke, Sie hocke wieder da wie e betrunke Kaninche und schlafe mit offene Auge!«

      Oder:

      »Knebel, sage Se doch dem Pedell, er soll sein Küch' zumache. Mer riecht wieder im ganze Haus, was gekocht wird.«

      Gegen Ende der Stunde ward Doktor Veit in der Regel ein wenig heiser. Er litt nämlich an einer leichten Entzündlichkeit der Mandeln, war jedoch im übrigen der kräftigste und gesündeste Mensch unter der Sonne. Wenn sich dieses Gefühl bei ihm regte, so holte er tief Atem, legte die Hand vor den Kehlkopf und schüttelte bedenklich das Haupt. Dann murmelte er halblaut:

      »Ja, ja, die Flöt' hat bald ausgepfiffe!«

      Oder:

      »Lang werde mir's net mehr mitmache: übers Jahr um die Zeit sind die Quetsche gegesse.«

      Endlich erscholl die Pedellglocke.

      War es Sonnabend, so hatte der Lehrer die Verpflichtung, mit der Klasse ein Schlußgebet anzustimmen. Für Doktor Veit, den ausgesprochenen Materialisten, eine schreckliche Aufgabe! Seufzend holte er das schwarze, unheilverkündende Buch hervor und suchte sich unter den zweihundertundfünfzig Gebeten das kürzeste aus.

      »Da, Knebel, lese Sie's vor! Allez! vite! vite!«

      Und Knebel begann zu lesen:

      »Vollendet ist das Werk dieser Woche. Du, Herr, hast es vollenden helfen! …«

      Doktor Veit, der mit gefalteten Händen auf dem Katheder stand und auf den Schwamm blickte, wechselte während der Lektüre mindestens achtmal sein Standbein und atmete erst wieder auf, wie Knebel das Amen flüsterte. Jetzt drängte die Klasse stürmisch dem Ausgange zu.

      »Halb so wild!« rief Doktor Veit, seinen Hut ergreifend. »Festina lente, sagt der Lateiner!«

      Und somit schritt er behaglich der Treppe zu.

      Im Erdgeschoß begegnete er dem Pedell.

      »Höre Se mal, Quaddler, ich hab's Ihne schon sage lasse: Wenn Sie wieder Kraut koche, dann mache Se gefälligst die Küch' zu. Es riecht hier so schon net grad' nach Ambra und Roseöl.«

      »Aber erlauben Sie gütigst, die Tür war fest verschlossen, und der Geruch muß sozusagen durchs offene Fenster gestiegen sein. Insofern es übrigens auch ein ganz vortreffliches Kraut war.«

      »Mache Se mer die Gäul' net scheu, Quaddler! Sie wisse nun, was ich gesagt hab'. Richte Sie sich danach. Und was ich noch weiter bemerke wollt': Lasse Sie doch drobe ans Tawelgestell e paar Hake mache, daß die Geschicht net alle Naselang auseinannerrutscht.«

      »Schön, Herr Professor. Inwiefern soll ich die Haken denn machen lassen?«

      »Ich werd' Ihne das später erörtern! Jetzt hab' ich kein' Zeit!«

      Er räusperte sich.

      »Ach ja,« stöhnte er vor sich hin, »ewig is mer geplagt! Das nimmt kein gut' End'! Heut' übers Jahr wirft mer mit meine Knoche die Birn' ab.«

      »Ganz gehormster Diener, Herr Professor.«

      Und nun begab sich unser trefflicher Mathematiklehrer ins Gasthaus »Zur Sonne«, wo er einen kolossalen Appetit entwickelte. Die Empfindlichkeit seiner Mandeln ließ nach, und den Zahnstocher zwischen den Lippen, wagte er die schöne Versicherung: »Es is immer noch kein schlecht Lebe auf der Welt. – Schorsch, bringe Se mer noch e Flasch Niersteiner!«

      Erinnerungsbilder

      Das beglückende Lenzgefühl, das der Mai durch alle Adern gießt, wird mir durch eine unauslöschliche Erinnerung zu einem wahren Rausch der Wonne gesteigert. Ich denke nämlich, wenn die Fluren und Wälder sich neu begrünen, an die Jahre zurück, da ich dies erquickende Schauspiel durch den steifen, weißgestrichenen Rahmen eines großen Schulfensters beobachten mußte und dazu verurteilt war, die entzückendsten Stunden des Frühlings vor dem Katheder höchst würdiger und höchst gelehrter Männer zu verbringen. Aus den benachbarten Gärten klang das Konzert der Vögel herüber in die dumpfigen Schulräume, aber die ernsten Männer mit den großen Rundbrillen hatten kein Ohr für diesen melodischen Zauber: sie redeten von Sprachgebräuchen, Anakoluthen, Konjunktionen, Schreibfehlern und Anachronismen, – ebenso wirr und zusammenhanglos, wie ich diese verschiedenen Gesichtspunkte ihrer pädagogischen Tätigkeit hier aneinander reihe. Anstatt die Lebensweisheit von den grünen Blättern der Natur abzulesen, mußten wir uns mit dem herumschlagen, was auf den gedruckten stand; sei es nun, daß ein Chorgesang des Sophokles oder eine schwungvolle Rede Ciceros, sei es, daß eine Gleichung aus der analytischen Geometrie, oder daß eine Frage aus der Kirchengeschichte unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nahm.

      Ich seufzte dann oft heimlich über die Tyrannei der modernen Zivilisation und warf über den Rand meiner Bücher und Hefte hinaus sehnsuchtsvolle Blicke nach den lauschigen Baumwipfeln, die so wonniglich im linden Westwinde rauschten.

      Drüben auf dem tannbewachsenen Hügel, etwa eine halbe Stunde vom Städtchen entfernt, lag die Liebigshöhe, so genannt nach dem großen Chemiker, dem die dankbare Bürgerschaft kein beredteres Denkmal ihrer Hochachtung zu stiften wußte, als daß sie einen Bierkeller – das Schätzbarste, was eine germanische Bürgerschaft besitzt – nach seinem Namen taufte. Dort hatten wir verfassungswidrigen Primaner mehr als einmal »eine Orgie gefeiert«, – wie der Direktor sich ausdrückte, wenn er unsere Zechgelage entdeckte und uns mit mehrtägiger СКАЧАТЬ