Название: Handbuch der Europäischen Aktiengesellschaft - Societas Europaea
Автор: Hans-Peter Schwintowski
Издательство: Bookwire
Серия: C.F. Müller Wirtschaftsrecht
isbn: 9783811437579
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Die Einberufung muss entgegen der 30-Tage-Frist des § 123 Abs. 1 S. 1 AktG wegen der für die Auslegung der Unterlagen (§ 63 UmwG) maßgeblichen Monatsfrist aus Art. 11 Abs. 1 der Verschmelzungsrichtlinie (RL 78/855/EWG, vgl. Art. 18 SE-VO) mindestens einen Monat vor dem Tag der Versammlung erfolgen.[98] Sie ist in den Gesellschaftsblättern bekannt zu machen.[99] Sind die Aktionäre der Gesellschaft namentlich bekannt, kann die Einberufung mit eingeschriebenem Brief erfolgen, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt.[100] Bei der Einberufung ist gleichzeitig die Tagesordnung der Hauptversammlung in den Gesellschaftsblättern bekannt zu machen,[101] dies gilt auch für den wesentlichen Inhalt des Verschmelzungsplans.[102] Handelt es sich aufgrund vollständiger Präsenz aller Aktionäre um eine Vollversammlung, ist diese von der Beachtung der vorstehenden formalen Vorschriften befreit, soweit kein Aktionär der Beschlussfassung widerspricht.[103]
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Im Rahmen der Vorbereitung der Hauptversammlung ist darauf zu achten, dass nach Art. 18 SE-VO i. V. m. § 63 Abs. 1 UmwG von der Einberufung der Hauptversammlung an in den Geschäftsräumen der AG zur Einsicht der Aktionäre bestimmte Unterlagen auszulegen sind. Hierbei handelt es sich um den Verschmelzungsplan oder seinen Entwurf, die Jahresabschlüsse und die Lageberichte der an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger für die letzten drei Geschäftsjahre,[104] eine Zwischenbilanz, falls der Stichtag des letzten Jahresabschlusses bei Aufstellung des Verschmelzungsplans oder seines Entwurfs mehr als sechs Monate zurücklag, die Verschmelzungsberichte und die Verschmelzungsprüfungsberichte.
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Auf Verlangen ist jedem Aktionär unverzüglich und kostenlos eine Abschrift der vorbezeichneten Unterlagen zu erteilen.[105]
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Auch soweit sich im Falle der Verschmelzung durch Aufnahme mindestens 90 % des Grundkapitals der übertragenden Gesellschaft in der Hand der übernehmenden Gesellschaft befindet und die übernehmende Gesellschaft deutschem Recht unterliegt, kann auf die Einberufung einer Hauptversammlung nicht verzichtet werden. Auch in diesen Fällen ist ein Verschmelzungsbeschluss gem. Art. 23 Abs. 1 SE-VO erforderlich, weil daneben für die Anwendbarkeit von § 62 UmwG kein Raum ist.[106]
1.3.1 Durchführung der Hauptversammlung
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Für die Durchführung der Hauptversammlung gelten über Art. 18 SE-VO für die beteiligten deutschen Rechtsträger die entsprechenden Regelungen im AktG und UmwG. Danach sind die Unterlagen, die schon vor der Hauptversammlung zur Einsicht der Aktionäre auszulegen sind,[107] auch während der Hauptversammlung zugänglich zu machen[108] und ist der Verschmelzungsplan bzw. sein Entwurf zu Beginn der Verhandlung durch den Vorstand mündlich zusammenfassend zu erläutern sowie über jede wesentliche Veränderung des Vermögens der Gesellschaft zu unterrichten, die seit dem Abschluss des Verschmelzungsvertrags oder der Aufstellung des Entwurfs eingetreten ist.[109] Zudem stellt § 64 Abs. 2 UmwG klar, dass sich das allgemeine Auskunftsrecht der Aktionäre nach § 131 Abs. 1 AktG auf alle für die Verschmelzung wesentlichen Angelegenheiten auch der anderen Rechtsträger erstreckt.[110]
1.3.2 Kapitalerhöhungsbeschluss der übernehmenden Gesellschaft
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Zur Durchführung der Verschmelzung durch Aufnahme ist im Regelfall eine Kapitalerhöhung bei der übernehmenden Gesellschaft erforderlich, um die Aktien zu schaffen, die den Aktionären der übertragenden Gesellschaften als Gegenleistung zu gewähren sind. Hinsichtlich Erforderlichkeit und Einzelheiten der Kapitalerhöhung ist auf das jeweilige nationale Verschmelzungsrecht zurückzugreifen; soweit der übernehmende Rechtsträger deutschem Recht unterliegt, ist insoweit für die Erforderlichkeit der Kapitalerhöhung auf §§ 68 f. UmwG und für die Einzelheiten der Durchführung der Kapitalerhöhung – allerdings mit den Einschränkungen des § 69 Abs. 1 S. 1 UmwG – auf §§ 182 ff. AktG abzustellen. Danach darf die übernehmende Gesellschaft zur Durchführung der Verschmelzung ihr Grundkapital nicht erhöhen, soweit sie Aktien eines übertragenden Rechtsträgers innehat, ein übertragender Rechtsträger eigene Aktien innehat oder ein übertragender Rechtsträger Aktien der übernehmenden Gesellschaft besitzt, auf die der Ausgabebetrag nicht voll geleistet ist.[111] Eine Kapitalerhöhung ist zulässig, aber nicht zwingend, soweit die übernehmende Gesellschaft eigene Aktien besitzt oder ein übertragender Rechtsträger Aktien der übernehmenden Gesellschaft besitzt, auf die der Ausgabebetrag bereits voll geleistet ist.[112] Wird das Kapital der übernehmenden Gesellschaft zur Durchführung der Verschmelzung erhöht, gelten die in § 69 UmwG angeordneten Erleichterungen: Die Kapitalerhöhung scheitert nicht an noch ausstehenden Einlagen, eine Prüfung der Sacheinlage findet nur in den dort genannten Sonderfällen statt, in der Anmeldung sind die noch offenen Einlagen nicht anzugeben, ein Zeichnungsschein für die neuen Aktien ist nicht erforderlich, und ein Bezugsrecht der Aktionäre ist ausgeschlossen.[113]
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Der Kapitalerhöhungsbeschluss bedarf nach § 182 Abs. 1 AktG einer Mehrheit von mindestens drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals. Sind mehrere Gattungen von stimmberechtigten Aktien vorhanden, bedarf der Kapitalerhöhungsbeschluss nach §§ 138, 182 Abs. 2 AktG zustimmender Sonderbeschlüsse der Aktionäre jeder Gattung.
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Von der Kapitalerhöhung zur Durchführung der Verschmelzung ist die Kapitalerhöhung beim übernehmenden Rechtsträger zu unterscheiden, die darüber hinaus erforderlich ist, um das Mindestgrundkapital von 120 000 EUR gem. Art. 4 Abs. 2 SE-VO zu erreichen. Diese ist vor der Verschmelzung durchzuführen und richtet sich nach den allgemeinen Kapitalerhöhungsvorschriften des nationalen Aktienrechts.
1.3.3 Verschmelzungsbeschluss
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Nach Art. 23 Abs. 1 SE-VO hat dem Verschmelzungsplan die Hauptversammlung jeder der sich verschmelzenden Gesellschaften zuzustimmen. Da die Verordnung darüber hinaus keine Regelungen zum Zustimmungsbeschluss enthält, gelten für die beteiligten deutschen Rechtsträger über Art. 18 SE-VO die Regelungen des § 65 UmwG.[114] Danach bedarf der Verschmelzungsbeschluss einer Mehrheit von mindestens drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals, wobei die Satzung eine größere Kapitalmehrheit und weitere Erfordernisse bestimmen kann.[115] Sind mehrere Gattungen von Aktien vorhanden, bedarf der Verschmelzungsbeschluss zustimmender Sonderbeschlüsse der stimmberechtigten Aktionäre jeder Gattung.[116] Der Verschmelzungsbeschluss jedes beteiligten deutschen Rechtsträgers ist nach Art. 18 SE-VO i. V. m. § 13 Abs. 3 S. 1 UmwG zu beurkunden.[117]
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Im Falle der Verschmelzung durch Aufnahme ist fraglich, ob ein Verschmelzungsbeschluss der übernehmenden deutschen Gesellschaft über Art. 18 SE-VO nach § 62 UmwG entbehrlich ist, wenn sich mindestens 90 % des Grundkapitals der übertragenden Gesellschaft in der Hand der übernehmenden Gesellschaft befindet. § 62 UmwG setzt zwar Art. 27 der Verschmelzungsrichtlinie um, dabei wurde jedoch durch den deutschen Gesetzgeber lediglich ein Wahlrecht ausgeübt, sodass die Regelung nicht zwingend europaweit einheitlich ist. Demgegenüber ist der Wortlaut des Art. 23 Abs. 1 SE-VO eindeutig, der einen Verschmelzungsbeschluss für jede der sich verschmelzenden Gesellschaften fordert, und eine Erleichterung СКАЧАТЬ